Die Klagewelle bringt einen Aufreger nach dem anderen. Das Bundesarbeitsgericht urteilte nun, dass einem spanischstämmigen Produktionshelfer auch nach mehr als 30 (!) Jahren Betriebszugehörigkeit gekündigt werden könne, wenn er keine ausreichenden Deutschkenntnisse habe, um neu eingeführte Arbeitsanweisungen lesen zu können. Das Unternehmen hatte dem Mitarbeiter allerdings während der Arbeitszeit und auf Kosten des Unternehmens Deutschkurse ermöglicht. Der Mitarbeiter hatte nach einem ersten Kurs den Besuch weiterer Kurse abgelehnt. Ausserdem hatte er 2001 eine Stellenbeschreibung unterzeichnet, die Kenntnisse der deutschen Sprache verlangte. Trotzdem bleibt nicht nur juristisch mehr als ein Nachgeschmack: Immerhin hatte der Arbeitgeber mit der Änderung der Anforderungen nachträglich das vertraglich vereinbarte geändert, vermutlich ohne gleichzeitige Änderung der Vergütung. Ob der Mitarbeiter die Bedeutung der Unterschrift unter die Stellenbeschreibung verstanden hat, zu einem Zeitpunkt, als er noch nicht einmal einen Deutschkurs besucht hatte. Der Fall „riecht“ im übrigen: Gekündigt wurde (mit Zustimmung des Betriebsrats …) ein 62-jähriger Mitarbeiter – nach 30 Jahren Betriebszugehörigkeit, also aus der Gruppe von Beschäftigten, die im letzten Jahr besonders von nicht immer „sauberem“ Personalabbau betroffen war. Die Frage dürfte im Hinblick darauf, dass die Kündigung das letzte Mittel ist, erlaubt sein, ob es keine Möglichkeit im Unternehmen gegeben hätte, diesen Mitarbeiter bis zur Rente weiterzubeschäftigten. Wer die Arbeitswirklichkeit kennt, weiß: Clever angewendet, wird die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts durch „qualitätssichernde Maßnahmen“ ermöglichen, zigtausende von Mitarbeitern mit anderen Muttersprache in die Arbeitslosigkeit zu schicken. Man nehme eine Stellenbeschreibung, die Deutschkenntnisse verlangt, lasse diese von dem radebrechenden Mitarbeiter unterzeichnen. Anschliessend rührt man ein paar qualitätssichernde Maßnahmen ein und bietet dem 60-jährigen Mitarbeiter großzügig an, noch mal die Schulbank zu drücken. Der Trick scheint auch schon in Mode zu kommen: Einer älteren Mandantin von mir wurde von einem Jungmanager nach langer und störungsfreier Betriebszugehörigkeit geraten, Englisch zu lernen, das erfordere die Büroarbeit zunehmend.

Mein Fazit: Man kann dem gekündigten Mitarbeiter nur dringend raten, europäische Gerichte mit seinem Fall anzurufen, damit eine solche Entscheidung nicht die Arbeitsrechtspraxis prägt.

Quelle: Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vom 28.01.2010 – 2 AZR 764/08

Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte

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