Altersgrenze für Beamte / Lehrer in NRW verfassungswidrig

Das Bundesverfassungsgericht hat am 21.04.2015 entschieden, dass die Altersgrenze für Beamte (auch für Lehrer) in NRW verfassungswidrig ist. Das Landesbeamtengesetz Nordrhein-Westfalen beinhalte keine hinreichend bestimmte Verordnungsermächtigung zur Festsetzung von Höchstaltersgrenzen für die Einstellung von Beamten. Die in der Laufbahnverordnung vom 30. Juni 2009 vorgesehenen Regelungen der Altershöchstgrenze hält das Bundesverfassungsgericht daher mit Art. 33 Abs. 2 GG unvereinbar. Damit wird die Altersgrenze für die Einstellung von Beamten in NRW zum zweiten Mal für rechtswidrig erklärt. Bereits 2009 hatte das Bundesverwaltungsgericht die damalige Regelung in NRW gekippt (Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts). Von uns vertretene Lehrer haben damals ihre Verbeamtung durchsetzen können.

Geklagt hatten diesmal ebenfalls zwei angestellte Lehrer aus NRW, die eine Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe beantragt hatten, obwohl sie das 40. Lebensjahr bereits vollendet und damit die in NRW nach der Laufbahnverordnung geltende Altersgrenze für die Einstellung überschritten haben.

Das Bundesverfassungsgericht stellte fest:

„Die maßgeblichen Regelungen der Laufbahnverordnung, nach denen die Einstellung aufgrund des erreichten Lebensalters verweigert werden kann, verstoßen gegen Art. 33 Abs. 2 GG. Die darauf beruhenden gerichtlichen und behördlichen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführer in ihrem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG.“

und hat die Verfahren zur erneuten Entscheidung an das Bundesverwaltungsgericht zurückverwiesen. Das Bundesverfassungsgericht hat dabei auf folgendes hingewiesen:

„a) Einstellungshöchstaltersgrenzen stellen einen schwerwiegenden Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG und grundsätzlich auch in Art. 33 Abs. 2 GG dar. Sie schließen ältere Bewerber regelmäßig ohne Rücksicht auf Eignung, Befähigung und fachliche Leistung vom Beamtenverhältnis aus und führen auf diese Weise zu einer eignungswidrigen Ungleichbehandlung von einiger Intensität. Da sie Zugangsbedingungen zum Beamtenverhältnis festlegen, kommt ihnen – ebenso wie Ruhestandsgrenzen – statusbildende Funktion zu.

b) Die pauschale Ermächtigung zur Regelung des Laufbahnwesens der Beamten in § 5 Abs. 1 Satz 1 LBG genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine hinreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage nicht. Weder die Norm selbst noch ihr systematischer Zusammenhang mit anderen Vorschriften noch die Gesetzgebungsmaterialien lassen erkennen, dass der nordrhein-westfälische Gesetzgeber sich Gedanken über die Einführung von Einstellungshöchstaltersgrenzen und ihre grundrechtliche Eingriffsrelevanz gemacht hat. Es fehlt daher bereits im Ansatz an einer parlamentarischen Leitentscheidung.“

so das höchste deutsche Gericht. Der Gesetzgeber habe zwar einen weiten Spielraum, der aber bei der aktuellen Regelung nicht ausreichte. Der Landesgesetzgeber in NRW wird daher zum dritten Mal die Altersgrenze regeln müssen. Ob die Neuregelung dann einer gerichtlichen Prüfung standhält, wird sich zeigen.

Zur Zeit jedenfalls kann eine Einstellung eines Bewerbers auf eine Beamtenstelle nicht mit der Begründung verweigert werden, er habe das die Höchstaltersgrenze überschritten. Auch Anträge auf Verbeamtung können mit dieser Begründung in NRW – bis zu einer Neuregelung – nicht abgelehnt werden. Die Einstellungsbehörden werden auf Zeit spielen und bis zu einer Neuregelung Anträge auf Verbeamtung „auf Eis legen“, wie das bereits nach 2009 geschehen ist, als das Bundesverwaltungsgericht die seinerzeitige Höchstaltersregelung für unwirksam erklärt hat.

Alle Beamten, die bereits einen ablehnenden Bescheid haben, oder gar klagen, können sich freuen. Die Ablehnungsbescheide werden von den Verwaltungsgerichten aufgehoben.

Quelle: Pressemitteilung Bundesverfassungsgericht vom 28.5.2015

Update Juni 2015: Wie vermutet, setzen die Einstellungsbehörden in NRW das Urteil des Bundesverfassungsgerichts noch nicht um, sondern warten auf entsprechende Erlasse bzw. Verfügungen der Ministerien in NRW. Das kann bis nach den Sommerferien dauern.  Beamte sollten trotzdem jetzt einen Antrag auf Verbeamtung stellen. Die Erfahrung zeigt gerade im Beamtenrecht, dass derjenige, der auf Musterprozesse und Grundsatzentscheidungen wartet, am Ende leer ausgeht. Oft, weil die Gerichte kurze Fristen für die Geltendmachung von Ansprüchen festsetzen, zB bei den Dienstaltersstufen.

Update August 2015: In einem Verhandlungstermin vor dem Verwaltungsgericht Aachen wurde die geplante Neuregelung der Altersgrenze durch den Gesetzgeber in NRW erörtert. Der Entwurf des neuen § 15a Landesbeamtengesetz NRW (LBG NRW) sieht für die Verbeamtung in NRW künftig eine Höchstaltersgrenze von 42 Jahren (bisher 40 Jahre) für die Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Probe vor (in den Bundesländern sind Altersgrenzen von 40 bis 47 Jahren üblich). Für Schwerbehinderte wird die Altersgrenze für die Einstellung auf 45. Jahre angehoben.

Eine weitere gute Nachricht: Kindeserziehungszeiten sollen zusätzlich mit drei Jahren je Kind – maximal mit sechs Jahren – berücksichtigt werden ohne Kausalitätsnachweis für die Verzögerung. Die Kindererziehungszeit muss damit nicht mehr ursächlich für das Überschreiten der Höchstaltersgrenze sein. Eine Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe ist demgemäß in Ausnahmefällen bis zur Vollendung des 48.Lebensjahres möglich.

Auch für die Angehörigenpflege und Wehrdienst bzw. Zivildienst sieht der Gesetzentwurf Ausnahmen von der Altersgrenze von 42 Jahren vor.

Nach Ansicht der Kammer des Verwaltungsgerichts kommt es auf dem Zeitpunkt des Antrags auf Verbeamtung an, so dass angestellten Lehrern und Lehrerinnen, die kurz vor dem 42. Lebensjahr stehen, zu raten ist, jetzt einen Antrag zu stellen.

Update Januar 2016: Lehrerinnen und Lehrer, die zwischen 2009 und heute einen noch nicht rechtskräftig beschiedenen Antrag auf Verbeamtung gestellt haben, und im Zeitpunkt der Antragstellung die Altersgrenze nach der LVO 2009 überschritten hatten, können sich nach unserer Einschätzung Hoffnung machen, doch noch verbeamtet zu werden. Relativ gute Karten haben Lehrer, die im Zeitpunkt der Antragstellung noch keine 42 Jahre alt waren oder – mit Kindern – bis  48 Jahre alt waren (42 Jahre zuzüglich drei Jahren je Kind, max. 6 Jahre). Aber u.U. können auch noch ältere Lehrer einen Anspruch auf Verbeamtung haben.

Selbst wenn bereits ein Bescheid vorliegt, kann in Ausnahmefällen ein Anspruch bestehen.

Auch wenn kein Antrag gestellt, oder ein Bescheid nicht angegriffen wurde, kann eine Prüfung Sinn machen.

Auch wenn der Bescheid über einen Antrag so lange herausgeschoben wurde, bis eine neue Altersgrenze überschritten war, kann ein Anspruch auf Verbeamtung in Betracht kommen, so das OVG NRW:

„Ihr Antrag vom 30. August 2006 ist aufgrund einer objektiv unzutreffenden Rechtsauskunft der Bezirksregierung L. bis zum 1. Dezember 2009 und damit – ohne dass die Klägerin dies zu vertreten hat – so lange unbeschieden geblieben, bis zu ihren Lasten § 52 Abs. 1 LVO NRW in Kraft getreten war. Dies lässt die Anwendung der Höchstaltersgrenze unbillig erscheinen.“

(Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. Juli 2013 – 6 A 2649/10 –)

In dem entschiedenen Fall hatte die Bezirksregierung keinen förmlichen Bescheid erlassen, sondern lediglich in einem umfangreichen Schreiben an die Antragstellerin die Rechtslage falsch dargestellt (nämlich dass die Altersgrenzen wirksam seien, was später das BVerwG bzw. das BVerfG anders entschieden haben. Allerdings ist Eile geboten, weil ohne Bescheid zwar keine Klagefrist läuft, aber Verwirkung eintreten kann.

Auch zur Zeit betreiben die Bezirksregierungen wieder das bekannte Spiel mit dem Hinauszögern eines Bescheides, in der Hoffnung, dass Antragsteller dann das neue Höchstalter überschritten haben. Deshalb hat der Gesetzgeber auch keine Eile.

Wir prüfen die Sach- und Rechtslage gründlich im Rahmen einer Erstberatung, wenn Sie uns alle Unterlagen zur Verfügung stellen.

Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte
Brühl und Köln

Rechtsanwalt Felser hat vor seiner Anwaltstätigkeit eine Rechtsabteilung der Gewerkschaft öffentlichen Dienste, Transport und Verkehr geleitet. Er wird bundesweit mandatiert, wenn es um Beamtenrecht und die Verbeamtung geht.

Rechtsanwalt Felser hat zahlreiche Lehrer wegen der Höchstaltersgrenze beraten und aussergerichtlich und gerichtlich vertreten.

Eine telefonische Beratung oder eine Beratung via Skype oder Facetime – auch als Zweitmeinung – ist nach Vereinbarung mit der Mitarbeiterin von Rechtsanwalt Felser auch kurzfristig möglich.

In Interviews u.a. mit dem Lehrerfreund, dem ÖTV Magazin, der „Kölschen Polizei“, Verdi publik u.a. werden wir als Experten zum öffentlichen Dienstrecht gehört. Verdi Köln empfiehlt unsere Kanzleiseiten zum Beamtenrecht und öffentlichen Dienstrecht.

Wir vertreten ausserdem zahlreiche Personalvertretungen (Personalrat, Gesamtpersonalrat, Bezirkspersonalrat und Hauptpersonalrat) in Köln, Bonn, Düren Aachen, Düsseldorf, Rhein-Erft-Kreis und Umgebung, so daß wir auch die häufigen Mängel im Beteiligungsverfahren der Arbeitnehmervertretung bei personellen Einzelmaßnahmen wie Ernennung, Beförderung, Entlassung und Zurruhesetzung die  erkennen und geltend machen können.

P.S.: Das Bundesverfassungsgericht hat aktuell die Altersgrenze für die Einstellung von Beamten in NRW kassiert. Mehr in unserem Beitrag hier <<<

Interviews von Rechtsanwalt Felser zum Beamtenrecht:

Lehrerfreund vom 8.12.2009: Dürfen Beamte streiken?
Rechtsanwalt Felser im Interview

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