BAG: Witwen und Witwer Betriebsrente auch für Ehen nach 60. Lebensjahr

In einer am 4.08.2015 ergangenen Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht die Rechte von Ehepartnern verstorbener Betriebsrentenempfängern gestärkt.

Was war geschehen?

Die Klägerin heiratete ihren später verstorbenen betriebsrentenberechtigten Ehemann, als er 61 Jahre alt war. Nachdem der Ehemann verstorben ist, machte die Klägerin bei der Beklagten einen Anspruch auf Gewährung der Betriebsrente geltend. Dies wurde ihr unter Hinweis auf die so genannte „Späteheklausel“ in der Pensionsordnung der Beklagten abgelehnt.

Eine solche Klausel ist auch in der Pensionsordnung des Foveruka e.V (Pensionskasse von Ford) enthalten und lautet so:

spaeteheklausel

Eine Witwen- bzw. Witwerrente wird nicht gezahlt, wenn die Ehe nach Vollendung des 60. Lebensjahres des Ehegatten geschlossen wurde und nicht wenigstens 5 Jahre bestanden hat.

Hiergegen zog die Klägerin vor das Arbeitsgericht.

Was haben die Gerichte entschieden?

Die Klägerin klagte vor dem Arbeitsgericht München, wonach Berufung zum Landesarbeitsgericht München erfolgte.

Das LAG München führte in seiner Entscheidung aus:

2. Die Ausführungen der Klägerin, dass bei der Beklagten konzernweit eine Gleichbehandlung geboten sei, da sich die F. unklar verhalte, führt ebenfalls nicht zu dem von der Klägerin gewünschten Ergebnis….

Die vorliegende den Anspruch auf eine Hinterbliebenenversorgung einschränkende Spätehenklausel, wonach Anspruchsvoraussetzung für eine Witwenrente ist, dass der Mitarbeiter die Ehe von der Vollendung seines 60. Lebensjahres geschlossen hat, hält auch einer Überprüfung anhand des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes stand.

Gemäß §§ 7, 1 AGG dürfen Beschäftigte grundsätzlich nicht wegen des Alters benachteiligt werden. Der mit der Versorgungsordnung verbundene Ausschluss der Klägerin von einer Witwenrente wegen der Heirat des Arbeitnehmers erst nach dessen Vollendung des 60. Lebensjahres, der per se eine Benachteiligung wegen des Alters darstellt, ist aber nach § 10 S. 1 und 2, S. 3 Nr. 4 AGG gerechtfertigt. Nach § 10 Sätze 1 und 2 AGG  gilt, dass eine unterschiedliche Behandlung wegen Alters zulässig ist, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist wobei die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sein müssen. Derartige unterschiedliche Behandlungen können nach§ 10 S. 3 Nr. 4 AGG  insbesondere die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten und die Verwendung von Alterskriterien im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathematische Berechnungen einschließen.

Unabhängig davon, ob die vorliegende Spätehenklausel, wonach Anspruchsvoraussetzung für die Witwenrente ist, dass die Ehe vor der Vollendung des 60. Lebensjahres des Arbeitnehmers geschlossen wurde, eine mittelbare oder auch unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters darstellt, ist eine damit verbundene Altersbenachteiligung zur Verfolgung des rechtmäßiges Ziel der Förderung der betrieblichen Altersversorgung nach § 10 AGG  gerechtfertigt, da das Mittel zur Erreichung dieses Ziels, der Ausschluss einer Witwenrente, angemessen und erforderlich ist.

Eine Spätehenklausel stellt eine Abgrenzung zwischen dem Interesse des Arbeitnehmers, die Versorgung seiner Ehefrau zu erdienen und sicherzustellen, und dem Interesse des Arbeitgebers, das Ruhegeld als Teil des Arbeitslohns kalkulierbar zu halten, dar. Die Regelung wird von sachgerechten Erwägungen getragen, dass die Witwenbezüge nur einer Witwe des Arbeitnehmers zustehen sollen, die nach ihrem Lebensalter noch zu seiner Generation gehört, und ua. seine Berufsarbeit durch ihre Fürsorge mitträgt (BVerfG Beschluss 11.09.1979 – 1 BVR 92/79).

Dass bei einer Ehe, die erst nach Vollendung des 60. Lebensjahres des versorgungsberechtigten Arbeitnehmers geschlossen wird und bei einem noch anstehenden Arbeitsverhältnis von nur noch wenigen Jahren nicht mehr die Berufstätigkeit des Arbeitnehmers entscheidend durch Fürsorge der Ehefrau mitgetragen werden kann, liegt auf der Hand. Vielmehr liegt hier unabhängig vom Alter der Ehefrau ein Fall einer sog. Versorgungsehe vor, vor deren Inanspruchnahme die Beklagte ein schutzwertes Abwehrinteresse hat.

Der mit der Spätehenklausel verfolgte Zweck einer finanziellen Risikobegrenzung ist legitim und auch nicht willkürlich, denn im Gegensatz zur versorgungsnahen Ehe verfügt der Ehegatte bei Eingehen einer sog. Frühehe in der Regel über keine ausreichenden aufgrund eigener Erwerbstätigkeit erworbenen Versorgungsanwartschaften, sei es, weil er erst kurz im Erwerbsleben steht, sei es, weil er die Erwerbstätigkeit wegen der Betreuung seiner Kinder aufgegeben hat. Demgegenüber ist bei der versorgungsnahen Ehe eher anzunehmen, dass der Ehegatte bei Eheschließung entweder über eigenen Versorgungsanwartschaften oder Vermögen verfügt und er daher nicht auf Hinterbliebenenversorgung als Unterhalt in demselben Maße angewiesen ist wie eine junge Familie (BVerwG 27.05.2009 – 8 CN 1/09).

(Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 15. Januar 2013 – 7 Sa 573/12 –, juris )

Die Entscheidung des LAG liest sich so, als ob der Arbeitgeber ein schützenswertes und legitimes Interesse an der Abwehr von Witwen- und Witweransprüchen hätte, wenn die Ehe kurz vor der Pensionierung des Pensionsberechtigten geschlossen wurde.

Das kann nicht richtig sein.

Das BAG hat nun richtig gestellt, dass eine Rechtfertigung der Benachteiligung wegen des Alters sich weder aus § 10 S. 3 Nr. 4 AGG (dort ist Witwenrente gar nicht erwähnt) noch auch § 10 S. 1 und 2 AGG ergibt.

Der Volltext der BAG Entscheidung ist noch nicht veröffentlicht. Dies geschieht in Kürze unter http://juris.bundesarbeitsgericht.de

Boris Schenker
Rechtsanwalt

Felser Rechtsanwälte & Fachanwälte
Brühl und Köln

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