Befristeter Arbeitsvertrag mit Erzieherin?

59 % aller Neueinstellungen im öffentlichen Dienst werden als befristeter Arbeitsvertrag vorgenommen, auch als Erzieherin (Zusatzkraft) oder sonstige Beschäftigte in Kindertagesstätten (Kita). Häufig folgt eine Befristung der anderen, so dass regelrechte Befristungskarrieren auch im Kitabereich üblicher werden.

Rechtmässigkeit von Befristungen im Kitabereich

Ob ein befristeter Arbeitsvertrag mit einer Erzieherin oder Zusatzkraft rechtmäßig ist, richtet sich nach dem Teilzeitbefristungsgesetz und der dazu ergangenen Rechtsprechung. Die Träger der Kindertagesstätte können den Arbeitsvertrag mit einer Erzieherin oder Zusatzkraft zum einen sachgrundlos befristen, allerdings maximal für die ersten zwei Jahre der Beschäftigung. Die Befristung ohne Grund kann gestückelt werden, bis zu vier Verträge mit einer maximalen Gesamtlaufzeit von zwei Jahren. Dabei darf der Vertrag jeweils nur verlängert und nicht verändert werden (z.B. beim Entgelt oder der Tätigkeit oder beim Arbeitsort, sonst ist der befristete Vertrag unwirksam).

Mit Sachgrund sind weitere Befristungen auch über zwei Jahre hinaus möglich. Das regelt § 14 Abs. 1 Teilzeitbefristungsgesetz:

§ 14 Zulässigkeit der Befristung

(1) Die Befristung eines Arbeitsvertrages ist zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Ein sachlicher Grund liegt insbesondere vor, wenn

1. der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht,
2. die Befristung im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium erfolgt, um den Übergang des Arbeitnehmers in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern,
3. der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird,
4. die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung rechtfertigt,
5. die Befristung zur Erprobung erfolgt,
6. in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe die Befristung rechtfertigen,
7. der Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln vergütet wird, die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind, und er entsprechend beschäftigt wird oder
8. die Befristung auf einem gerichtlichen Vergleich beruht.

Nicht mehr anerkannt wird von der Rechtsprechung der Sachgrund der sogenannten haushaltsrechtlichen Befristung nach § 14 Absatz 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG (Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 24. Januar 2014 – 3 Sa 413/13 –mwNw.)

Rechtsmissbrauch bei einer Vielzahl von befristeten Arbeitsverträgen

Theoretisch kann so eine unbegrenzte Zahl von befristeten Arbeitsverträgen vereinbart werden, sofern der sachliche Grund tatsächlich vorliegt, wenn – ja wenn – die Rechtsprechung darin nicht einen Rechtsmißbrauch sieht.

Nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 26. Januar 2012 (C-586/10- Kücük, AP Richtlinie 99/70/EG Nr. 9) hat das Bundesarbeitsgericht seine Rechtsprechung zur Befristungskontrolle dahingehend ergänzt, dass die nationalen Gerichte in jedem Einzelfall zu prüfen haben, ob sich der Arbeitgeber in rechtsmissbräuchlicher Weise auf das Vorliegen eines Sachgrundes berufen hat. Dabei erfordert die nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs vorzunehmende Prüfung eine Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles (vgl. BAG Urteile vom 18. Juli 2012 –7 AZR 783/10– Rn. 31 ff, NZA 2012, 1359; 7 AZR 443/09– Rn. 37 ff, NZA 2012, 1351, jeweils mit weiteren Nachweisen).

Nach der neueren Rechtsprechung aus den Jahren 2013 und 2014 ist bei einer Vielzahl von befristeten Verträgen über mehrere Jahre von einem tatsächlich bestehenden Dauerbedarf auszugehen, so dass Rechtsmissbrauch angenommen wird. Diese Änderung der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte beruht auf einer EU-Richtlinie, die den Gerichten eine Missbrauchskontrolle auferlegt.

Danach kann das Überschreiten der gesetzlichen Grenzwerte in § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG den Schluss auf eine missbräuchliche Gestaltung zulassen, wenn diese Grenzen alternativ oder insbesondere kumulativ mehrfach überschritten werden (also mehr als zwei oder dreimal zwei Jahre Befristungsgesamtdauer oder zwei oder drei Mal mehr als drei Verlängerungen). In diesem Fall ist eine umfassende Missbrauchskontrolle geboten, in deren Rahmen es zunächst Sache des Arbeitnehmers ist, noch weitere für einen Missbrauch sprechende Umstände vorzutragen. Werden die in § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG genannten Grenzen alternativ oder insbesondere kumulativ in besonders gravierendem Ausmaß überschritten, kann eine missbräuchliche Ausnutzung der an sich eröffneten Möglichkeit zur Sachgrundbefristung indiziert sein. In einem solchen Fall hat allerdings der Arbeitgeber regelmäßig die Möglichkeit, die Annahme des indizierten Gestaltungsmissbrauchs durch den Vortrag besonderer Umstände zu entkräften. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Bundesarbeitsgericht bei einer Dauer von insgesamt sieben Jahren und neun Monaten bei vier befristeten Arbeitsverhältnissen sowie keinen weiteren – vom Arbeitnehmer vorzutragenden – Umständen keine Anhaltspunkte für einen Missbrauch gesehen (vgl. BAG, Urteil vom 18.07.2012, 7 AZR 783/10, zitiert nach juris). Bei einer Gesamtdauer von mehr als elf Jahren und einer Anzahl von 13 Befristungen sowie einer gleichbleibenden Beschäftigung zur Deckung eines ständigen Vertretungsbedarfs ist das Bundesarbeitsgericht demgegenüber davon ausgegangen, die rechtsmissbräuchliche Ausnutzung der an sich eröffneten Möglichkeit der Vertretungsbefristung sei indiziert, könne aber vom Arbeitgeber noch widerlegt werden (vgl. BAG, Urteil vom 18.07.2012, 7 AZR 443/09, zitiert nach juris). Eine Missbrauchskontrolle kann auch veranlasst sein, wenn die Gesamtdauer der befristeten Arbeitsverhältnisse mehr als sechseinhalb Jahre bei dreizehn befristeten Arbeitsverträgen beträgt (BAG 13.02.2013 – 7 AZR 225/11).

Bei einer Befristung über 20 Monate aufgrund von vier Arbeitsverträgen und dann etwas mehr als elf Monate aufgrund eines weiteren Arbeitsvertrages liegen allerdings noch keine Anhaltspunkte für einen institutionellen Rechtsmissbrauch vor (BAG, Urteil vom 06. November 2013 – 7 AZR 96/12 –, juris).

Auch wenn der Schwellenwert von 2 Jahren bei der Gesamtdauer der Berfristungen nicht mehrfach überschritten wird, aber eine Vielzahl von befristeten Verträgen abgeschlossen wurden (im entschiedenen Fall 13 befristete Verträge in weniger als zwei Jahren), kann Rechtsmissbrauch vorliegen (ArbG Trier, Urteil vom 12. Februar 2014 – 5 Ca 913/13).

Enger sieht es das Sächsische Landesarbeitsgericht: Bei sieben befristeten Arbeitsverträgen von zusammen sechs Jahren und drei Monaten ist (noch) kein ausreichender Anhaltspunkt für einen institutionellen Rechtsmissbrauch zu erkennen
(Sächsisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 23. Januar 2014 – 9 Sa 342/13 –, juris).

Bei einer vier Verträge deutlich überschreitenden Vielzahl von befristeten Verträgen und/oder einer Gesamtdauer, die zwei Jahre deutlich – d.h. mehrfach – überschreitet, haben Erzieherinnen gute Karten, eine unbefristete Beschäftigung zu erreichen.

Kein Befristungsgrund ist die Ungewissheit über Anmeldezahlen

Viele Gemeinden befristen aus Unsicherheit über die Anmeldezahlen die Verträge mit Erzieherinnen. Durch das Betreuungsgeld wissen viele Gemeinden nicht, ob die aktuellen Anmeldezahlen auch im nächsten Kitajahr gehalten werden. Nach der Rechtsprechung ist die Ungewissheit über die zukünftigten Anmeldezahlen kein Grund für eine Befristung. Erforderlich ist dafür vielmehr eine Gewissheit, dass die Anmeldezahlen im nächsten Jahr eine Weiterbeschäftigung nicht mehr ermöglichen. Wird die Befristung also, wie oft, mit der Ungewissheit zukünftiger Anmeldungen begründet, ist sie unwirksam, die Erzieherin kann die Beschäftigung mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag verlangen.

Vorzeitige Ordentliche Kündigung eines befristeten Arbeitsvertrags

Ein befristeter Arbeitsvertrag läuft zum Ende der Befristung aus, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Er kann nach dem Gesetz sowohl vom Arbeitgeber als auch vom Arbeitnehmer nur dann vor dem Befristungsende ordentlich gekündigt werden, wenn die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung im Arbeitsvertrag ausdrücklich vereinbart ist.

Klagefrist beachten

Gegen eine unwirksame Befristung muss binnen drei Wochen nach dem Ende des befristeten Arbeitsvertrags Klage beim Arbeitsgericht eingereicht werden. Wird die Klagefrist versäumt, kann – von unverschuldeten Ausnahmen abgesehen – gegen die Befristung nicht mehr geklagt werden; sie wird dann auch bei groben Mängeln als wirksam behandelt.

Rechtzeitig befristeten Arbeitsvertrag durch Anwalt überprüfen lassen

Da viele Arbeitnehmer zum Ende einer Befristung einen neuen befristeten Arbeitsvertrag unterbreitet bekommen, so dass entschieden werden muss, ob man diesen annimmt (Spatz in der Hand) oder einen unbefristeten Vertrag einklagt (Taube auf dem Dach), ist eine rechtzeitige und gründlich Beratung bei einem im Befristungsrecht erfahrenen Anwalt wichtig. Eine solche Beratung (Erstberatung) kostet bei uns nicht mehr als 190 Euro zzgl. Mwst. Der Beratungstermin sollte gut vorbereitet werden. Bringen Sie alle Arbeitsverträge (befristet und unbefristet) mit dem aktuellen Arbeitgeber zum Beratungstermin beim Anwalt mit.

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Rechtsanwalt Michael W. Felser
Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte
Köln, Salierring 17 und Brühl, Uhlstraße 19-23

Mehr Informationen:

(1) WDR Daheim und Unterwegs: Interview mit Rechtsanwalt Felser  vom 23.07.2014 im WDR Fernsehen zum Thema Befristungen (Generation Zeitvertrag)

(2) ARD Mittagsmagazin vom 31.07.2014 I Immer mehr Zeitverträge statt Festanstellung I Interview Rechtsanwalt Michael W. Felser

Weitere Interviews zum Thema Befristung:

(1) WDR 2 Radio vom 26.01.2012 Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst – EuGH billigt Befristung Rechtsanwalt Michael W. Felser live im Studio mit Gudrun Höpker Podcast mit Auszügen online (leider wegen Befristung durch Rundfunkrecht nach einem Jahr nicht mehr online verfügbar)

(2) Süddeutsche Zeitung vom 26.01.2012 EU-Recht: Mehrfach befristete Arbeitsverträge sind zulässig Ein Beitrag von Verena Wolff mit Interviewzitaten von Rechtsanwalt Michael W. Felser[4]

(3) Bild.de vom 27.06.2011 Befristete Arbeitsverträge: Das sind die Rechte der Generation Probezeit Ein Beitrag von Antje Raupach mit Interviewzitaten von Rechtsanwalt Michael W. Felser[5]

(4) Mitteldeutsche Zeitung vom 16.11.2009 ARBEITSVERTRAG / Befristungen bedürfen der Schriftform / Gesetz legt die zulässigen Gründe fest. VON VERENA WOLF mit Interviewzitaten von Rechtsanwalt Michael W. Felser [6]

(5) News.de Beitrag vom 12.06.2009 Arbeitsrecht: Vertretungskarriere mit befristeten Verträgen Mit Interviewzitaten von Rechtsanwalt Michael W. Felser [7]

(6) Süddeutsche Zeitung vom 24.05.2009 Befristeter Arbeitsvertrag – Stückwerk mit Tücken (Verena Wolff, dpa) Rechtsanwalt Michael W. Felser im Interview [8]

(7) Manager Magazin vom 18.05.2009 Befristete Arbeitsverträge – halb drin, halb draussen Rechtsanwalt Michael W. Felser im Interview [9]

(8) N24 vom 18.05.2009 Viele Tücken: Befristete Arbeitsverträge prüfen (Verena Wolff, dpa) Rechtsanwalt Michael W. Felser im Interview [10]

(9) RBB Radioeins “Das schöne Leben” vom 17.12.2008 12:10 Uhr Befristete Arbeitsverträge Experte in der Sendung zum Thema “Befristete Arbeitsverträge” Rechtsanwalt Axel Willmann

(10) Monster.de vom 07.07.2008 Befristete Arbeitsverträge. Lieber ein befristeter Arbeitsvertrag als gar kein Arbeitsvertrag – das denken heute noch immer viele Jobeinsteiger. Doch der befristete Vertrag hat so einige Tücken – die einem Arbeitnehmer oft Nachteile, manchmal aber auch Vorteile bringen. Mit Interviewzitaten von Michael Felser. (leider nicht mehr online verfügbar)

(11) Welt am Sonntag (WAMS) vom 20.08.2006 Befristung ist reine Formsache Mit Interviewzitaten von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht von Hopffgarten [11]

Rechtsanwalt Michael W. Felser
Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte
Köln, Salierring 17 und Brühl, Uhlstraße 19-23

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