Wer erinnert sich nicht an das Baustellenschild seiner Kindheit?

„Eltern haften für ihre Kinder“

Was damals noch für Baustellen und Bolzplätze galt soll heute nach dem Willen der Musik- und Filmindustrie auch für die modernen Spielplätze im Internet gelten. Doch der Bundesgerichtshof hat dem erneut einen Riegel vorgeschoben.

In seinem aktuellen Urteil vom 08. Januar 2014 hat der BGH entschieden, dass Eltern, die Inhaber eines Internetanschlusses sind, nicht als Störer für die illegalen Filesharing Aktivitäten ihres volljährigen Kinders haften.

Der Sachverhalt scheint bekannt. Der Inhaber eines Internetanschlusses wurde von der Musikindustrie abgemahnt, weil in einer Internettauschbörse, hier: BearShare, 3.749 Musikaufnahmen zum Herunterladen verfügbar gemacht wurden. Ohne Anerkennung einer Rechtspflicht gab der Vater eines volljährigen Kindes eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Die Abmahnkosten in Höhe von € 3.454,60 lehnte er zu tragen ab, da die Urheberrechtsverletzungen von seinem volljährigen im Haushalt lebenden Sohn begangen wurden. Dieser nutzte den Internetanschluss des Inhabers.

Die Klägerinnen, allesamt deutsche Tonträgerhersteller, wollten den Vater als Störer in Haftung nehmen, der durch Kontrolle und Überwachung dafür Sorge zu tragen habe, dass von seinem Anschluss keine Urheberrechtsverletzungen erfolgen können.

Das dies eine Lebensfremde Ansicht ist, hatte der Bundesgerichtshof bereits im Jahr 2012 der Musikindustrie zu verstehen gegeben. Damals war die Entscheidung ergangen, dass Eltern, wenn sie ihrem 13 jährigen Sohn erklärt haben, was legal und was illegal ist im Internet, nicht durch ständige Kontrolle überwachen müssen, was denn Sohnemann so alles im Internet anstellt. Erst wenn ein konkreter Anhaltspunkt für ein illegales Tun vorliegt, müssen Eltern tätig werden, sonst werden sie haftbar. Das Urteil vom 15.11.2012 Az: I ZR 74/12 hatte daher die Kostenerstattung der Abmahngebühren durch die Eltern abgelehnt. Der BGH hatte ausgeführt, dass erfahrungsgemäß Kinder und Jugendliche zwar die ihnen aus pädagogischen Grundsätzen auferlegten Verbote gelegentlich übertreten würden, daraus ließe sich aber keine Verpflichtung der Eltern  ableiten, ohne konkreten Anlass regelmäßig zu kontrollieren, ob ihr Kind die ihm auferlegten Verbote bei der Computernutzung auch beachte. Eine solche Verpflichtung widerspräche dem Bestreben der Eltern ein Kind zu selbständigen und verantwortungsbewussten Handeln zu erziehen.

Abgesehen davon wäre es auch für viele Eltern schlicht unrealisitisch die Internetaktivitäten ihrer Kinder kontrollieren zu wollen. Zum einen weil vielen die Fachkenntnis fehlt und die Kinder schlicht mehr wissen. Zum anderen weil die Zeit fehlt, regelmäßig die Aktivitäten zu überwachen. Als Mutter eines 14 jährigen Sohnes kann ich allerdings Eltern nur empfehlen sich Bewegungsprofile der Kinder im Internet anzusehen. Es ist sehr interessant zu verfolgen, wofür der eigene Nachwuchs sich interessiert. Das hat allerdings nichts mit Kontrolle von Fehlverhalten zu tun als vielmehr mit reiner Neugier….

Der Bundesgerichtshof hat nun in seinem aktuellen Urteil ähnlich argumentiert, wie im Urteil des vergangenen Jahres. Wenn einem volljährigen Kind der Internetzugang zur Nutzung zur Verfügung gestellt wird, müssen Eltern nicht einmal über die Rechtswidrigkeit der Nutzung solcher Tauschbörsen aufklären, da sie davon ausgehen können, dass ein volljähriges Kind dies sehr wohl selber weiß. Der BGH führt aus, dass mit Blick auf das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Familienangehörigen und die Eigenverantwortung von Volljährigen der Anschlussinhaber einem volljährigen Familienangehörigen seinen Internetanschluss überlassen darf ohne ihn belehren oder überwachen zu müssen. Auch hier gilt wieder: Ohne konkreten Anhaltspunkt einer Rechtsverletzung gibt es keine Kontrollpflicht und keine Notwendigkeit konkrete Maßnahmen zu ergreifen. Erst wenn der Anschlussinhaber konkreten Anlass hat – zum Beispiel aufgrund einer Abmahnung – dass der Internetanschluss für Rechtsverletzungen mißbraucht wird, hat er konkrete Maßnahmen zur Verhinderung solcher Rechtsverletzungen  zu ergreifen.

Damit haftet der betroffene Vater in diesem Urteil nicht für die Urheberrechtsverletzung und muss daher auch nicht bezahlen. Ob die Klägerinnen diese Kosten jetzt bei dem volljährigen Sohn einzutreiben versuchen, wird sich zeigen.

Was lernen wir daraus?

Als Eltern: Vertraut auf eure Verbote und eure Kinder. Als Nachwuchs: BearShare is not save!

Jessica Seifert                                                                                                                 Rechtsanwältin

 

 

 

 

 

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