VG Berlin vom 23.10.2012 VG 7 K 425.12 zur Beamtenbesoldung

Das Verwaltungsgericht Berlin (VG Berlin vom 23. Oktober 2012 – Aktenzeichen VG 7 K 343.12 und 7 K 425.12) hat mehrere Klagen von Beamten des Landes Berlin ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage vorgelegt, ob die bis 31.07.2011 in Berlin geltenden besoldungsrechtlichen Bestimmungen und die Regelungen für die Überleitung der Beamten in das ab 1. August 2011 geltende Besoldungsrecht mit den europäischen Vorschriften zum Schutz gegen Diskriminierung wegen des Alters vereinbar sind und welche Rechtsfolgen sich im Falle eines Verstoßes ergeben. Die bis dahin geltenden Vorschriften knüpfen die Höhe der Besoldung an das Alter, während das neue Besoldungsrecht die Beamtenbesoldung nach der Dauer der Erfahrung erhöht.

Die klagenden Beamten sind der Ansicht, die in der bisherigen Regelung liegende Diskriminierung wegen des Alters (genauer: der Jugend) könne bis zur Überführung der Beamtenbesoldung in ein diskriminierungsfreies System nur durch die Gewährung von Besoldung aus der höchsten Stufe ausgeglichen werden.

Wir hatten bereits berichtet, dass das VG Frankfurt und das VG Halle entsprechenden Klagen von Beamten stattgegeben haben (Bericht auf dem Blog von Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte) und den Beitrag mit entsprechenden Tipps und Berechnungsmöglichkeiten versehen. Die Urteile betreffen praktisch alle Beamten und Richter, die noch nicht die letzte Besoldungsstufe erreicht haben.

Anders als das VG Frankfurt und das VG Halle, für die die Diskriminierung angesichts entsprechender Entscheidungen zum den Lebensaltersstufen des TVÖD/BAT klar war, entscheid das VG Berlin sich für die Vorlage beim EuGH.

Dem Gerichtshof der Europäischen Union wurden durch das VG Berlin gemäß Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union folgende Fragen mit der Bitte um Klärung vorgelegt:

1. Ist europäisches Primär und/oder Sekundärrecht, hier insbesondere die Richtlinie 2000/78/EG, im Sinne eines umfassenden Verbots ungerechtfertigter Diskriminierung wegen des Alters so auszulegen, dass es auch nationale Normen über die Besoldung der Landesbeamten erfasst?

2. Falls die Frage 1 bejaht wird: Ergibt die Auslegung dieses europäischen Primär und/oder Sekundärrechts, dass eine nationale Vorschrift, nach der die Höhe des Grundgehalts eines Beamten bei Begründung des Beamtenverhältnisses maßgeblich von seinem Lebensalter abhängt und anschließend vor allem in Abhängigkeit von der Dauer des Beamtenverhältnisses ansteigt, eine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen des Alters darstellt?

3. Falls auch die Frage 2 bejaht wird: Steht die Auslegung dieses europäischen Primär und/oder Sekundärrechts der Rechtfertigung einer solchen nationalen Vorschrift mit dem gesetzgeberischen Ziel entgegen, Berufserfahrung zu honorieren?

4. Falls die vorstehenden Fragen bejaht werden: Ergibt die Auslegung des europäischen Primär und/oder Sekundärrechts, dass ein Überleitungsgesetz, mit dem die Bestandsbeamten allein nach dem Betrag ihres gemäß dem alten (diskriminierenden) Besoldungsrecht zum Überleitungsstichtag erworbenen Grundgehalts einer Stufe des neuen Systems zugeordnet werden, und nach welchem sich der weitere Aufstieg in höhere Stufen sodann unabhängig von der absoluten Erfahrungszeit des Beamten nur nach den seit Inkrafttreten des Überleitungsgesetzes hinzugewonnenen Erfahrungszeiten bemisst, eine – bis zum jeweiligen Erreichen der höchsten Besoldungsstufe fortdauernde – Perpetuierung der bestehenden Altersdiskriminierung darstellt?

5. Falls auch die Frage 4 bejaht wird: Steht die Auslegung des europäischen Primär und/oder Sekundärrechts einer Rechtfertigung dieser unbegrenzt fortdauernden Ungleichbehandlung mit dem gesetzgeberischen Ziel entgegen, nach welchem mit dem Überleitungsgesetz nicht (nur) der zum Überleitungsstichtag bestehende Besitzstand, sondern (auch) die Erwartung des nach dem alten Besoldungsrecht prognostisch zugewendeten Lebenseinkommens in der jeweiligen Besoldungsgruppe geschützt werden soll? Lässt sich die fortdauernde Diskriminierung der Bestandsbeamten dadurch rechtfertigen, dass die Regelungsalternative (individuelle Einstufung auch der Bestandsbeamten nach Erfahrungszeiten) mit einem erhöhten Verwaltungsaufwand verbunden wäre?

6. Falls in Frage 5 eine Rechtfertigung verneint wird: Lässt die Auslegung des europäischen Primär und/oder Sekundärrechts, solange keine Implementierung eines diskriminierungsfreien Besoldungsrechts auch für die Bestandsbeamten erfolgt ist, eine andere Rechtsfolge zu, als die Bestandsbeamten rückwirkend und fortlaufend gemäß der höchsten Besoldungsstufe ihrer Besoldungsgruppe zu besolden?

Ergibt sich die Rechtsfolge des Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot dabei aus dem europäischen Primär und/oder Sekundärrecht, hier insbesondere aus der Richtlinie 2000/78/EG, selbst oder folgt der Anspruch nur aus dem Gesichtspunkt mangelhafter Umsetzung europarechtlicher Vorgaben nach dem unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch?

Die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Berlin finden Sie auf den Seiten der Senatsverwaltung.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 43/2012 vom 25.10.2012 VG Berlin VG 7 K 343.12 und 7 K 425.12

Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte
Brühl und Köln

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