Immer wieder liest man,  es sei zulässig und findet es in den Personalfragebogen selbst von DAX-Unternehmen: Die Frage nach einer Schwangerschaft im Einstellungsgespräch und im Personalfragebogen. Hartnäckig hält sich die Behauptung, die Frage sei jedenfalls dann zulässig, wenn sie dem Schutz der Bewerberin diene („Fürsorge“) oder die Bewerberin die Stelle bei Schwangerschaft gar nicht antreten können. Diese Ansichten sind eindeutig seit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahre 2003 überholt. Die entsprechenden Zitate und Einstellungen zu dieser Frage stammen aus der Zeit vor 2003 und beruhen auf einem Urteil des BAG aus dem Jahre 1993. Das Bundesarbeitsgericht war damals noch der Meinung, dass sich aus der Schwangerschaft eine Nichtgeeignetheit von Frauen für bestimmte Tätigkeiten im Sinne der EU-Richtlinie ergeben könnte. Das BAG damals:Es kann von einer

„Nichtgeeignetheit (Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie) und/oder einem bestimmten Geschlecht als unverzichtbare Voraussetzung für die Art der vom Arbeitnehmer auszuübenden Tätigkeit (§ 611 a Abs. 1 Satz 2 BGB) nur ausgegangen werden, wenn die angestrebte Tätigkeit überhaupt nicht aufgenommen werden kann oder darf, z. B. bei einem Mannequin oder einer Tänzerin (vgl. auch den von der Bundesregierung der EG-Kommission übermittelten Ausnahmekatalog, BArbBl. 11/1987, 40 ff.). Zu denken wäre auch an Fälle, in denen Beschäftigungsverbote nach dem Mutterschutzgesetz einer Beschäftigung der Bewerberin entgegenstehen oder in denen von vornherein eine Tätigkeit z. B. in einem befristeten Arbeitsvertrag wegen sogleich eintretender Mutterschutzfristen, Erziehungsurlaub etc. nicht möglich ist.“

so noch BAG, Urteil vom 15.10.1992 – Aktenzeichen 2 AZR 227/92.

Diese Rechtsprechung hat das Bundesarbeitsgericht jedoch – dem EuGH folgend – ausdrücklich aufgegeben:

„Zwar hat der Senat – wie die Revision zu Recht geltend macht – bisher angenommen, die Frage nach der Schwangerschaft sei zulässig, wenn für die Arbeitnehmerin von vornherein ein gesetzliches Beschäftigungsverbot (§ 4 MuSchG) eingegriffen hätte (1. Juli 1993 – 2 AZR 25/93 – AP BGB § 123 Nr. 36 = EzA BGB § 123 Nr. 39).

Daran hält der Senat jedoch nicht fest.

(…)

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ist die Benachteiligung einer schwangeren Bewerberin bei der Einstellung in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis wegen Verstoßes gegen die Richtlinie 76/207/EWG unzulässig, wenn die Bewerberin ihre Arbeit nach Ablauf von gesetzlichen Schutzfristen wieder aufnehmen kann. Das gilt auch dann, wenn sie zu Beginn des Arbeitsverhältnisses wegen eines gesetzlichen Beschäftigungsverbotes nicht beschäftigt werden kann. Die Benachteiligung würde in diesen Fällen auf dem Geschlecht beruhen.

(…)

In Übereinstimmung mit dieser gefestigten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes geht der Senat davon aus, daß die Frage nach einer Schwangerschaft bei (geplanten) unbefristeten Arbeitsverhältnissen regelmäßig gegen die Richtlinie 76/207/EWG verstößt (vgl. APS/Linck § 611 a BGB Rn. 54; KR-Pfeiffer 6. Aufl. § 611 a BGB Rn. 33; Kamanabrou Anm. zu EuGH 4. Oktober 2001 – Rs. C-438/99 – EzA BGB § 611 a Nr. 17). Maßgeblich ist, daß die Bewerberin bei einem unbefristeten Arbeitsverhältnis nach Ablauf des Mutterschutzes in der Lage ist, der vertraglich vorgesehenen Tätigkeit nachzugehen. Das vorübergehende Beschäftigungshindernis tritt bei wertender Einbeziehung des Schutzzwecks der Richtlinie zurück. Ein bestimmtes Geschlecht ist nicht „unverzichtbare Voraussetzung“ (§ 611 a Abs. 1 Satz 2 BGB) für die auszuübende Tätigkeit. Denn nach Ablauf der Schutzfristen kann die Frau die vereinbarte Arbeit leisten. Das nach dem unbefristeten Arbeitsvertrag vorausgesetzte langfristige Gleichgewicht ist durch das jedenfalls befristete Beschäftigungsverbot nicht entscheidend gestört. Die erkennbare Zielrichtung der Frage nach der Schwangerschaft besteht dagegen darin, die Bewerberin bei einer Bejahung der Frage schon wegen der Schwangerschaft, folglich wegen des Geschlechts, nicht einzustellen. Eben dies will § 611 a Abs. 1 Satz 1 BGB verhindern.

so jetzt das BAG, Urteil vom 06.02.2003 – Aktenzeichen 2 AZR 621/01

Auch schwangere Mannequins oder Tänzerinnen können nach der Schwangerschaft und Geburt wieder auftreten und tanzen, wie das Beispiel Heidi Klum wirklich jedem deutlich machen müsste. Es liegt also durch die Schwangerschaft auf kein Fall der Nichteignung bei den gerne genannten Tänzerinnen und Mannequins vor. Großer Beliebtheit erfreuen sich auch deswegen befristete Arbeitsverträge. Die Frage nach der Schwangerschaft ist allenfalls bei sehr kurzen befristeten Verträgen zulässig, bei denen die Schwangerschaft beim Vorliegen praktisch zur Unmöglichkeit der Durchführung des Vertrags führt. Bei langfristigen Befristungen gilt dies aber nicht. Ausserdem stellt sich bei befristeten Arbeitsverträgen immer die Problematik, ob darin nicht eine Umgehung des Kündigungsschutzes von Schwangeren (§ 9 MuschG) zu sehen ist. Auch hier wird aber wohl erst der EuGH ein deutlichesWort sprechen müssen.

Anderer Blickwinkel, liebe Arbeitgeber: Was empfehlen Sie Ihren Ehefrauen und Töchtern vor Bewerbungsgesprächen?
Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte

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