Änderungen

Wechseln zu: Navigation, Suche

Abfindung

6.335 Byte hinzugefügt, 17:06, 3. Jul. 2015
== '''Abfindung''' ==
Das deutsche Arbeitsrecht kennt keinen grundsätzlichen Anspruch auf Abfindung bei Kündigung. Die meisten Abfindungen werden nach Erhebung einer Kündigungsschutzklage durch den Arbeitnehmer in einem arbeitsgerichtlichen Vergleich vereinbart. Seltener bieten Unternehmen freiwillig eine Abfindung bei einer Kündigung an, wenn der Arbeitnehmer auf eine Klage gegen die Kündigung verzichtet.
Ein Rechtsanspruch auf eine Abfindung kann sich aber aus einem mit dem Betriebsrat vereinbarten Sozialplan ergeben.
 
Verbreitet ist der Rechtsirrtum, gegen eine Kündigung könne Klage auf Abfindung erhoben werden. Das Kündigungsschutzgesetz "ist nach seiner Konzeption ein Bestandsschutz- und kein Abfindungsgesetz (BAG 24. November 2011 - 2 AZR 429/10 - Rn. 41, BAGE 140, 47; 24. März 2011 - 2 AZR 674/09 - Rn. 20)." so BAG, Urteil vom 29. August 2013 – 2 AZR 419/12 –, juris. Deshalb ermöglicht es die Erhebung einer Klage, mit der die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt wird, sog. Kündigungsschutzklage.
== '''Abfindung - Rechtsgrundlagen''' ==
'''Wie bereits gesagt, gibt es keinen direkten Rechtsanspruch auf eine Abfindung nach Kündigung. Trotzdem wird meistens eine Abfindung gezahlt. Im Kündigungsschutzgesetz finden sich zwei Situationen, in denen eine Abfindung gezahlt wird, die erste ist eine freiwillige Regelung (§ 1a KSchG), die andere Regelung erlaubt dem Arbeitsgericht, ein Arbeitsverhältnis, das keinen Sinn mehr macht, gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen (§§ 9,10 KSchG).'''
'''§ 1a KSchG Abfindungsanspruch bei betriebsbedingter Kündigung'''
(1) Kündigt der Arbeitgeber wegen dringender betrieblicher Erfordernisse nach § 1 Abs. 2 Satz 1 und erhebt der Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Frist des § 4 Satz 1 keine Klage auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, hat der Arbeitnehmer mit dem Ablauf der Kündigungsfrist Anspruch auf eine Abfindung. Der Anspruch setzt den Hinweis des Arbeitgebers in der Kündigungserklärung voraus, dass die Kündigung auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützt ist und der Arbeitnehmer bei Verstreichenlassen der Klagefrist die Abfindung beanspruchen kann.
(2) Die Höhe der Abfindung beträgt 0,5 Monatsverdienste für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses. § 10 Abs. 3 gilt entsprechend. Bei der Ermittlung der Dauer des Arbeitsverhältnisses ist ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten auf ein volles Jahr aufzurunden.
'''§ 9 KSchG Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch Urteil des Gerichts, Abfindung des Arbeitnehmers'''
(1) Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz stellen.
(2) Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte.
'''§ 10 KSchG Höhe der Abfindung'''
(1) Als Abfindung ist ein Betrag bis zu zwölf Monatsverdiensten festzusetzen.
(2) Hat der Arbeitnehmer das fünfzigste Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens fünfzehn Jahre bestanden, so ist ein Betrag bis zu fünfzehn Monatsverdiensten, hat der Arbeitnehmer das fünfundfünfzigste Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens zwanzig Jahre bestanden, so ist ein Betrag bis zu achtzehn Monatsverdiensten festzusetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer in dem Zeitpunkt, den das Gericht nach § 9 Abs. 2 für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses festsetzt, das in der Vorschrift des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch über die Regelaltersrente bezeichnete Lebensalter erreicht hat.
(3) Als Monatsverdienst gilt, was dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit in dem Monat, in dem das Arbeitsverhältnis endet (§ 9 Abs. 2), an Geld und Sachbezügen zusteht.'' '''Ausserdem kann ein Anspruch auf eine Abfindung entstehen, wenn der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat vereinbarte Regelungen nicht einhält (§ 113 BetrVG):''' '''§ 113 BetrVG Nachteilsausgleich''' (1) Weicht der Unternehmer von einem Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung ohne zwingenden Grund ab, so können Arbeitnehmer, die infolge dieser Abweichung entlassen werden, beim Arbeitsgericht Klage erheben mit dem Antrag, den Arbeitgeber zur Zahlung von Abfindungen zu verurteilen; § 10 des Kündigungsschutzgesetzes gilt entsprechend. (2) Erleiden Arbeitnehmer infolge einer Abweichung nach Absatz 1 andere wirtschaftliche Nachteile, so hat der Unternehmer diese Nachteile bis zu einem Zeitraum von zwölf Monaten auszugleichen. (3) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend, wenn der Unternehmer eine geplante Betriebsänderung nach § 111 durchführt, ohne über sie einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben, und infolge der Maßnahme Arbeitnehmer entlassen werden oder andere wirtschaftliche Nachteile erleiden.'' == '''Abfindungsgesetz''' == Das Kündigungsschutzgesetz wird oft von damit befassten Kreisen als "Abfindungsgesetz" bezeichnet, weil die meisten Kündigungsschutzverfahren mit einer Abfindung enden (und nicht mit dem Erhalt des Arbeitsplatzes). Ein Abfindungsgesetz gibt es nicht. Der Autor allerdings einen nicht ganz ernst gemeinten Entwurf eines Abfindungsgesetz entworfen [http://www.felser.de/abfindungcom/abfindungsgesetz/]
== '''Abfindungsklage''' ==
== '''Abfindungshöhe''' ==
 
Die Höhe der Abfindung variiert stark [http://www.felser.de/blog/hoehe-der-abfindung-statistik/]. Es gibt Unternehmen, die in freiwilligen Vereinbarungen zum Ausscheiden (Voluntary Plan) bis zu 2,5 Gehälter pro Jahr der Betriebszugehörigkeit anbieten. Allerdings ist der Faktor nur ein Teil der Summe, entscheidend ist natürlich für die Höhe der Abfindung auch, welche Gehaltsbestandteile als Berechnungsgrundlage genommen werden. Die beste Berechnungsgrundlage ist das Jahresgehalt dividiert durch 12.
 
Folgende Faktoren beeinflussen die Höhe der Abfindung:
 
1. wirtschaftliche Lage des Unternehmens
 
2. Unternehmenskultur
 
3. frühere Abfindungsregelungen in Sozialplan oder freiwilligen Vereinbarungen
 
4. Erfolgsaussichten einer Klage (Wirksamkeit der oder einer Kündigung)
 
5. Verhandlungsgeschick des Anwalts des Arbeitnehmers
 
Arbeitnehmer sollten daher keinesfalls zum Anwalt "auf der Ecke" oder aus dem Verein gehen, sondern sich den Anwalt sehr genau aussuchen. Bei Abfindungen geht es schnell um ein paar tausender mehr. Wenn man den richtigen Anwalt hat, der sich mit dem Thema auskennt.
== '''Rechtsirrtümer zum Thema Abfindung''' ==
Irrtum, die Höhe der Abfindung richtet sich nach verschiedenen Faktoren, im wesentlichen nach der Rechtslage (was wäre wenn die Trennung vom Arbeitsgericht geprüft würde), also auch nach den Fachkenntnissen (Spezialisierung!) ihres Anwaltes. Entscheidend ist aber auch das Verhandlungsgeschick (Erfahrung aus vielen Verhandlungen) und dem Ruf ihres Anwalts.
== '''Abfindung und ArbeitsagenturPfändung''' == == '''Abfindung und Unterhalt''' == == '''Abfindung und Prozesskostenhilfe''' == == '''Abfindung und Arbeitslosengeld I''' == == '''Abfindung und Arbeitslosengeld II''' ==
== '''Abfindung und Einkommenssteuer''' ==
Früher war alles besser, jedenfalls bei der Besteuerung der Abfindung. Es gab Freibeträge, nur der über die Freibetragsgrenze hinausgehende Abfindungsbetrag wurde besteuert. Das Einkommenssteuergesetz wurde nach 1999 mehrfach geändert, so dass seitdem die Abfindung versteuert werden muss. Das ist besonders für ältere Arbeitnehmer problematisch, die die häufig hohe Abfindung brauchen, um damit in die Rente zu kommen. Da hilft auch die sog. Fünftelungsregelung nicht, die vorgaukelt, dass die Abfindung auf fünf Jahre aufgeteilt (gesplittet) wird, so dass in jedem Jahr nur 1/5 besteuert wird. Bei vielen Arbeitnehmern bringt die Fünftelungsregelung keine spürbare Entlastung.
Hier finden Sie übrigens noch - ohne Hinweis darauf, dass die Rechtslage veraltet ist - noch die bis 31.12.2005 geltenden Freibeträge [http://www.berufszentrum.de/artikel_0604.html]
 
Im Einkommensteuerrecht heisst die Abfindung übrigens Entlassungsentschädigung.
== '''Abfindung und Kirchensteuer''' ==
== '''Checkliste Abfindung''' ==
 
Im Internet findet man viele Checklisten zum Aufhebungsvertrag, aber keine vernünfige zum Thema Abfindung (Stand 6/2015). Das wird sich natürlich nach der Veröffentlichung dieser Checkliste Abfindung ändern ;-)
 
1. Ist die Abfindung angemessen?
2. Macht ein Teilverzicht auf die Abfindung unter Verlängerung der Kündigungsfrist in Kombination mit einer Turboregelung Sinn?
3. Ist die Vererblichkeit im Aufhebungsvertrag oder dem Vergleich geregelt?
4. Wurde die Anrechenbarkeit auf das Arbeitslosengeld geprüft (Ruhen nach § 158 SGB III)?
5. Macht es Sinn, die Auszahlung ins nächste Jahr zu verschieben, oder wenigsten einen Teil?
6. Wurde berücksichtigt, dass die Abfindung u.U. zu einer Erhöhung des Unterhalts führen kann?
7. Hat der Steuerberater durchgerechnet, ob die Fünftelungsregelung Sinn macht?
8. Wurde die Kirche angeschrieben um die Kirchensteuer zu reduzieren?
== '''Abfindungsrechner - berechnen Sie Ihre Abfindung''' ==
== '''Weblinks''' ==
 
Juracity - Recht für Alle! betreibt unter '''Abfindung.com''' eine Webseite rund um das Thema Abfindung [http://www.abfindung.com]
== '''Autor''' ==
Rechtsanwalt Felser [http://www.felser.de/die-kanzlei/ihr-anwalt-ihre-anwaeltin/rechtsanwalt-michael-felser/]hat sich seit 1995 als Anwalt auf Arbeitsrecht, insbesondere Kündigungsschutzrecht, spezialisiert. Vorher hat er eine Rechtsabteilung einer großen Gewerkschaft mit sieben Arbeitsrechtlern geleitet. Er ist Autor verschiedener Fachbeiträge zum Kündigungsrecht und eines Ratgeber zum Thema "Kündigung - was tun?" (Bund-Verlag), den er gemeinsam mit einer Arbeitsrichterin geschrieben hat. Zum Thema Abfindung hat er in der Fachzeitschrift "Arbeitsrecht im Betrieb" einen Beitrag "Golden Handshake, neues und altbekanntes zum Thema Abfindung" veröffentlicht. Im Internet betreib er die Webseite "Abfindung.com" [http://www.abfindung.com. Im Vorfeld von Entlassungen unterstützt er Betriebsräte bei Betriebsänderungen und begleitet sie bei Verhandlungen zu Interessenausgleich und Sozialplan.
1.433
Bearbeitungen