Betriebsratsanhörung: Unterschied zwischen den Versionen

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(Anhörung des Betriebsrats bei Kündigung (§ 102 BetrVG))
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== '''Anhörung des Betriebsrats bei Kündigung (§ 102 BetrVG)''' ==
 
== '''Anhörung des Betriebsrats bei Kündigung (§ 102 BetrVG)''' ==
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In allen Betrieben, in denen ein Betriebsrat existiert, ist dieser bei personellen Einzelmaßnahmen zu beteiligen.
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In § 102 Absatz 1 BetrVG heißt es:
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„Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.“
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Die Anhörung hat vor  jeder Kündigung, d.h. so rechtzeitig zu erfolgen, dass der Betriebsrat im Rahmen seiner üblichen (wöchentlichen) Sitzungen Stellung nehmen kann; auf jeden Fall muss er die volle Frist zur Stellungnahme ausschöpfen können. Anders als in § 100 BetrVG bei personellen Einzelmaßnahmen wie Einstellung, Versetzung und Eingruppierung sieht § 102 BetrVG keine „Eilfälle“ vor, die eine Verkürzung der Anhörungsfrist rechtfertigten.
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Das Anhörungsverfahren ist außerdem vor jeder Kündigung, d.h. auch bei Kündigungen in der Probezeit, in der Wartezeit (also vor Eintritt des Kündigungsschutzes) und bei Änderungskündigungen durchzuführen.
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Kündigungen, die ohne Beteiligung des Betriebsrates ausgesprochen werden, sind nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG unwirksam.
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Der Betriebsrat kann
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• einer Kündigung ausdrücklich zustimmen
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• zur Kündigung keine Stellungnahme abgeben
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• der Kündigung widersprechen
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Ferner kann er Bedenken gegen die Kündigung erheben, die aber keine rechtlichen Auswirkungen haben. Mittelbar können Bedenken sich aber in einem Arbeitsgerichtsprozess bei Zweifeln des Arbeitsrichters zugunsten des Arbeitnehmers auswirken.
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6 % aller Kündigungen, also 72.000 Kündigungen erfolgen ohne Anhörung des Betriebsrats. In den Fällen, in denen der Betriebsrat angehört wird, stimmt dieser in 66 % aller Fälle zu, nur in 8 % der Fälle erklärt der Betriebsrat einen Widerspruch, in 6 % immerhin Bedenken. In einem Fünftel der Fälle schweigt der Betriebsrat.
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In immerhin 4 % aller Fälle gelingt es dem aktiven Betriebsrat, den Ausspruch einer Kündigung zu verhindern.
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80 % aller Arbeitsrichter glauben nach einer Studie, dass Betriebsräte mit der Formulierung ordnungsgemäßer Widersprüche überfordert sind.
  
 
== '''10 Todsünden von Betriebsräten bei der Betriebsratsanhörung''' ==
 
== '''10 Todsünden von Betriebsräten bei der Betriebsratsanhörung''' ==

Version vom 9. April 2012, 19:49 Uhr


Anhörung des Betriebsrats bei Kündigung (§ 102 BetrVG)

In allen Betrieben, in denen ein Betriebsrat existiert, ist dieser bei personellen Einzelmaßnahmen zu beteiligen.

In § 102 Absatz 1 BetrVG heißt es:

„Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.“

Die Anhörung hat vor jeder Kündigung, d.h. so rechtzeitig zu erfolgen, dass der Betriebsrat im Rahmen seiner üblichen (wöchentlichen) Sitzungen Stellung nehmen kann; auf jeden Fall muss er die volle Frist zur Stellungnahme ausschöpfen können. Anders als in § 100 BetrVG bei personellen Einzelmaßnahmen wie Einstellung, Versetzung und Eingruppierung sieht § 102 BetrVG keine „Eilfälle“ vor, die eine Verkürzung der Anhörungsfrist rechtfertigten.

Das Anhörungsverfahren ist außerdem vor jeder Kündigung, d.h. auch bei Kündigungen in der Probezeit, in der Wartezeit (also vor Eintritt des Kündigungsschutzes) und bei Änderungskündigungen durchzuführen.

Kündigungen, die ohne Beteiligung des Betriebsrates ausgesprochen werden, sind nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG unwirksam.

Der Betriebsrat kann

• einer Kündigung ausdrücklich zustimmen • zur Kündigung keine Stellungnahme abgeben • der Kündigung widersprechen

Ferner kann er Bedenken gegen die Kündigung erheben, die aber keine rechtlichen Auswirkungen haben. Mittelbar können Bedenken sich aber in einem Arbeitsgerichtsprozess bei Zweifeln des Arbeitsrichters zugunsten des Arbeitnehmers auswirken.

6 % aller Kündigungen, also 72.000 Kündigungen erfolgen ohne Anhörung des Betriebsrats. In den Fällen, in denen der Betriebsrat angehört wird, stimmt dieser in 66 % aller Fälle zu, nur in 8 % der Fälle erklärt der Betriebsrat einen Widerspruch, in 6 % immerhin Bedenken. In einem Fünftel der Fälle schweigt der Betriebsrat.

In immerhin 4 % aller Fälle gelingt es dem aktiven Betriebsrat, den Ausspruch einer Kündigung zu verhindern.

80 % aller Arbeitsrichter glauben nach einer Studie, dass Betriebsräte mit der Formulierung ordnungsgemäßer Widersprüche überfordert sind.

10 Todsünden von Betriebsräten bei der Betriebsratsanhörung

Wichtige Urteile / Beschlüsse zur Anhörung des Betriebsrats

Fachbeiträge

Weblinks

Autor

Michael W. Felser, der als Jurastudent mehrere Jahre Betriebsratsmitglied und -vorsitzender eines 5-köpfigen Betriebsrats war, ist der auf Betriebsverfassungsrecht spezialisierte Rechtsanwalt in der Kanzlei Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte Köln/Brühl [1]. Rechtsanwalt Felser berät und vertritt zahlreiche Betriebsratsgremien (Betriebsrat, Gesamtbetriebsrat und Konzernbetriebsrat)und größtenteils seit Jahren sachkundig und engagiert, aussergerichtlich in Verhandlungen und bei Betriebsvereinbarungen und wenn es sein muß in der Einigungsstelle und vor dem Arbeitsgericht. Referenzen finden Sie unter Empfehlungen auf unserer Kanzleiwebseite. Seine langjährigen Erfahrungen aus der Betriebsratsarbeit und der Tätigkeit als Anwalt gibt er ale Referent in Inhouse-Schulungen und auf Seminaren und Schulungen verschiedener Veranstalter an Betriebsratsmitglieder weiter.