Änderungen

Scheinselbständigkeit

5.378 Byte hinzugefügt, 17:28, 18. Jun. 2013
/* Kriterienkatalog und Beweislast */
== '''Kriterienkatalog und Beweislast''' ==
'''Vor 1999''' lag die Beweislast für eine Sozialversicherungspflicht bei den Sozialversicherungsträgern. In der turnusmäßigen Betriebsprüfung, bei Sonderprüfungen, Ermittlungen von Zoll und Staatsanwaltschaft mussten diese beweisen, dass die selbständige Tätigkeit in Wirklichkeit sozialversicherungspflichtig ist. Auch Auftragnehmer, die vor dem Arbeitsgericht das Vorliegen der Arbeitnehmereigenschaft feststellen lassen wollten, trugen die volle Darlegungs- und Beweislast. Allerdings traf im Sozialversicherungsrecht auch die anderen Beteiligten, also Auftraggeber und Auftragnehmer, eine Mitwirkungspflicht. Trotzdem gelang es Sozialversicherungsträgern nicht oft, einen Missbrauch der selbständigen Tätigkeit nachzuweisen. Nur wenn ein Selbständiger selbst nicht mehr mit der Selbständigkeit zufrieden war und mitwirkte, waren den Ermittlungen Erfolge beschert.
 
''§ 7 SGB IV Beschäftigung
 
(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.''
 
'''1999''' wurde in § 7 Abs. 4 SGB IV ein '''Kritierienkatalog''' mit '''vier Kriterien''' ins Sozialgesetzbuch IV eingefügt, mit dem die Beweislast gravierend verändert wurde.
 
''§ 7 SGB IV Beschäftigung
 
(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.
 
(...)
 
(4) Bei Personen, die erwerbsmäßig tätig sind und
 
1. im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit mit Ausnahme von Familienangehörigen keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen,
2. regelmäßig und im wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind,
3. für Beschäftigte typische Arbeitsleistungen erbringen, insbesondere Weisungen des Auftraggebers unterliegen und in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers eingegliedert sind, oder
4. nicht aufgrund unternehmerischer Tätigkeit am Markt auftreten,
 
wird vermutet, daß sie gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, wenn mindestens zwei der genannten Merkmale vorliegen. Satz 1 gilt nicht für Handelsvertreter, die im wesentlichen frei ihre Tätigkeit gestalten und über ihre Arbeitszeit bestimmen können. Familienangehörige im Sinne des Satzes 1 Nr. 1 sind
 
1. der Ehegatte sowie
2. Verwandte bis zum zweiten Grade,
3. Verschwägerte bis zum zweiten Grade,
4. Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 2 des Ersten Buches) des Versicherten oder seines Ehegatten.
 
'''Ab 1.4.1999 bis 31.12.2000''' wurde § 7 Abs. 4 SGB IV nach Kritik geändert; es wurde ein weiteres Kriterium eingefügt, so dass nunmehr '''fünf Kriterien''' maßgeblich waren. Bei Vorliegen von drei (von fünf) Kriterien wurde "Scheinselbständigkeit" vermutet. Ausserdem wurden die Familienangehörigen wegen grundrechtlichen Bedenken (Schutz von Familie und Ehe, Art. 6 GG) gestrichen, so dass auch Familienangehörige als Arbeitnehmer beschäftigt werden können und bei der Frage der Scheinselbständigkeit berücksichtigt werden müssen:
 
''§ 7 Beschäftigung
 
(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
 
(...)
 
(4) Bei einer erwerbsmäßig tätigen Person, die ihre Mitwirkungspflichten nach § 206 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch oder nach § 196 Abs. 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch nicht erfüllt, wird vermutet, dass sie beschäftigt ist, wenn mindestens drei der folgenden fünf Merkmale vorliegen:
 
1. Die Person beschäftigt im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer, dessen Arbeitsentgelt aus diesem Beschäftigungsverhältnis regelmäßig im Monat 630 Deutsche Mark übersteigt;
2. sie ist auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig;
3. ihr Auftraggeber oder ein vergleichbarer Auftraggeber lässt entsprechende Tätigkeiten regelmäßig durch von ihm beschäftigte Arbeitnehmer verrichten;
4. ihre Tätigkeit lässt typische Merkmale unternehmerischen Handelns nicht erkennen;
5. ihre Tätigkeit entspricht dem äußeren Erscheinungsbild nach der Tätigkeit, die sie für denselben Auftraggeber zuvor auf Grund eines Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt hatte.
 
Satz 1 gilt nicht für Handelsvertreter, die im Wesentlichen frei ihre Tätigkeit gestalten und über ihre Arbeitszeit bestimmen können. Die Vermutung kann widerlegt werden.
 
Auftraggeber gelten als Arbeitgeber.''
 
Bis heute hält sich allerdings hartnäckig das Gerücht, dass Familienangehörige nicht zu berücksichtigen seien.
 
Ab 1.1.2003 wurde der Kriterienkatalog ersatzlos gestrichen. Die ursprüngliche Beweislast (wie vor 1999) wurde damit wiederhergestellt. lediglich eine Ausnahme wurde in § 7 Abs. 4 SGB IV noch geregelt:
 
''§ 7 Beschäftigung
 
(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
 
(...)
 
(4) Für Personen, die für eine selbständige Tätigkeit einen Zuschuss nach § 421l des Dritten Buches beantragen, wird widerlegbar vermutet, dass sie in dieser Tätigkeit als Selbständige tätig sind. Für die Dauer des Bezugs dieses Zuschusses gelten diese Personen als selbständig Tätige.''
== '''Scheinselbständigkeit, Clearingsstelle der DRV und Statusfeststellungsverfahren''' ==
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