Zielvereinbarung: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Rechtsanwälte Felser - Rechtslexikon
Wechseln zu: Navigation, Suche
(Fehlen einer Zielvereinbarung oder Zielvorgabe)
Zeile 45: Zeile 45:
 
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12.12.2007, 10 AZR 97/07
 
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12.12.2007, 10 AZR 97/07
  
 +
Hat der Arbeitnehmer nach dem Arbeitsvertrag einen Anspruch auf einen variablen Gehaltsbestandteil, der von der Erreichung zu vereinbarender Ziele abhängig ist, und kommt eine Zielvereinbarung nicht zustande, ist der Arbeitgeber aber nach Ablauf der Zielperiode gemäß § 280 Abs. 1 und Abs. 3, 283 Satz 1, 252 BGB verpflichtet, dem Arbeitnehmer wegen der entgangenen Vergütung Schadenersatz zu leisten, wenn er das Nichtzustandekommen der Zielvereinbarung zu vertreten hat. Dabei obliegt es regelmäßig dem Arbeitgeber, die Initiative zum Abschluss einer Zielvereinbarung zu ergreifen und ein konkretes Angebot vorzulegen. Unterbleibt dies, verletzt der Arbeitgeber die aus der Vereinbarung der variablen zielabhängigen Vergütung resultierende Verhandlungspflicht (BAG 12.05.2010 - 10 AZR 390/09 - Rn. 11; BAG 10.12.2008 - 10 AZR 889/07 - Rn. 12). Allerdings ist der Arbeitgeber nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht zur Leistung von Schadenersatz verpflichtet, wenn er das Nichtzustandekommen einer Zielvereinbarung nicht zu vertreten hat. Weist der Arbeitgeber nach, dass er seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtung, für jede Zielperiode gemeinsam mit dem Arbeitnehmer Ziele festzulegen, nachgekommen ist und dem Arbeitnehmer Ziele vorgeschlagen hat, die dieser nach einer auf den Zeitpunkt des Angebots bezogenen Prognose hätte erreichen können, fehlt es an einer Verletzung der Verhandlungspflicht des Arbeitgebers und damit an einer Voraussetzung für den Schadenersatzanspruch des Arbeitnehmers.
 +
 +
Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 30.06.2011 Aktenzeichen 3 Sa 85/11
  
 
== '''Änderung einer Zielvereinbarung''' ==
 
== '''Änderung einer Zielvereinbarung''' ==

Version vom 9. April 2012, 22:11 Uhr


Zielvereinbarung - Definition

Ein Arbeitgeber vereinbart mit seinem Arbeitnehmer, dass dieser sich bei seiner Arbeit bemühen soll, ein bestimmtes Arbeitsergebnis zu erreichen. Nach Ablauf des hierfür vereinbarten Zeitraums soll festgestellt werden, ob das Ziel erreicht ist oder nicht. Für den Fall der Zielerreichung ist die Zahlung eines besonderen Entgelts vorgesehen.

Aus: Ralph Heiden, Entgeltrelevante Zielvereinbarungen aus arbeitsrechtlicher Sicht, 2006

Ist vereinbart, dass die Zahlung des Bonus durch die Erreichung von Zielen innerhalb einer Zielperiode aufschiebend bedingt ist (§ 158 Abs. 1 BGB), und sind nach der vertraglichen Regelung die Ziele von den Arbeitsvertragsparteien gemeinsam festzulegen, unterliegt diese Vereinbarung als Entgeltregelung grundsätzlich keiner allgemeinen Billigkeits- oder Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB (vgl. Annuß NZA 2007, 290; Schaub/Linck § 77 Rn. 4) . Es finden die Grundsätze über die freie Entgeltvereinbarung uneingeschränkt Anwendung (Bauer/Diller/Göpfert BB 2002, 882, 884; Bauer FA 2002, 295, 297) . Allerdings muss die Zielvereinbarung dem Transparenzgebot (§ 307Abs. 3 Satz 2 iVm. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) entsprechen (Däubler ZIP 2004, 2209, 2212).

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12.12.2007, 10 AZR 97/07


Zielvorgabe

Eine Zielvorgabe, mit der ein Arbeitgeber einseitig die Ziele in Ausübung seines Direktionsrechts bestimmt (MünchKommBGB/ Müller-Glöge 4. Aufl. § 611 Rn. 769) , unterliegt dagegen als Massnahme des Weisungsrechts der Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12.12.2007, 10 AZR 97/07

Zielvereinbarung und Ausscheiden vor Stichtag

Das Bundesarbeitsgericht geht davon aus, dass der Anspruch auf eine variable Erfolgsvergütung nicht vom Bestehen eines ungekündigten Anstellungsverhältnisses am Auszahlungstag abhängig gemacht werden kann. Das Vorenthalten einer bereits verdienten Arbeitsvergütung sei stets ein unangemessenes Mittel, die selbstbestimmte Arbeitsplatzaufgabe zu verzögern oder zu verhindern und verstoße gegen Art. 12 GG (Berufsfreiheit).

BAG vom 05.07.2011 Aktenzeichen 1 AZR 94/10

Bei Zielvereinbarungen wird man daher zeitanteilig (ratierlich) oder nach dem Zielerreichungsgrad den Bonus auch bei vorzeitigen Ausscheiden des Arbeitnehmers berechnen und auszahlen müssen. Stichtagsregelungen sind unwirksam.

Beweislast für die Erfüllung der Ziele der Zielvorgabe

Streiten sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer darüber, ob die vereinbarten Ziele erreicht wurden, muß der Arbeitnehmer die Erreichung der Ziele im Zweifel beweisen:

"Wenn der Grad der Zielerreichung nicht unstreitig ist, muss der Arbeitnehmer sämtliche für den von ihm behaupteten Grad der Zielerreichung maßgeblichen Umstände darlegen und beweisen (Annuß NZA 2007, 290, 294; Behrens/Rinsdorf, NZA 2003, 364, 366; Mauer, NZA 2002, 540, 549). Dies folgt bereits aus dem allgemeinen beweisrechtlichen Grundsatz, dass jede Partei für die ihr günstigen Umstände darlegungs- und beweisbelastet ist. Allerdings ist die Darlegungslast unter dem Gesichtspunkt der Sachnähe abzustufen. Dies führt bei bezifferbaren "harten" Zielen dazu, dass zunächst der Arbeitgeber die in seiner Sphäre befindlichen Zahlen vorzutragen hat. Dies hat die Beklagte getan. Hält der Arbeitnehmer die ihm mitgeteilten Zahlen für unzutreffend (oder teilt der Arbeitgeber schon keine Zahlen mit), so kann der Arbeitnehmer der ihm obliegenden Darlegungs- und Beweislast im Wege einer Auskunftsklage, ggf. verbunden mit einer üblichen Stufenklage, nachkommen (Annuß NZA 2007, 290, 294)."

LAG Hamm vom 30.08.2011 Aktenzeichen 9 Sa 259/11


Fehlen einer Zielvereinbarung oder Zielvorgabe

Allein das Fehlen einer Zielvorgabe oder Zielvereinbarung führt nicht stets dazu, dass der Arbeitnehmer den Bonus nicht beanspruchen kann (vgl. BSG 23. März 2006 - B 11a AL 29/05 R - NZA-RR 2007, 101; BGH 9. Mai 1994 - II ZR 128/93 - ZIP 1994, 1017; LAG Köln 1. September 2003 - 2 Sa 471/03 -; Mauer NZA 2002, 540, 547; Schmiedl BB 2004, 329, 330; aA für den Fall, dass der Arbeitnehmer nicht zum Abschluss der konkreten Zielvereinbarung aufgefordert hat: Bauer/Diller/Göpfert BB 2002, 882, 883; Berwanger BB 2003, 1499, 1503; Deich S. 266; für den Fall, dass eine Einigung auf ein Ziel nicht möglich ist: Bauer FA 2002, 295, 296). Ansonsten hätte es der Arbeitgeber in der Hand, durch die Verweigerung einer Zielvereinbarung den Anspruch des Arbeitnehmers auf den Bonus zu beseitigen. Eine derartige Möglichkeit widerspräche dem Grundsatz, dass vorbehaltlos vereinbarte Vergütungsansprüche des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber nicht einseitig geändert oder widerrufen werden können (BSG 23. März 2006 - B 11a AL 29/05 R - aaO) .

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12.12.2007, 10 AZR 97/07

Hat der Arbeitnehmer nach dem Arbeitsvertrag einen Anspruch auf einen variablen Gehaltsbestandteil, der von der Erreichung zu vereinbarender Ziele abhängig ist, und kommt eine Zielvereinbarung nicht zustande, ist der Arbeitgeber aber nach Ablauf der Zielperiode gemäß § 280 Abs. 1 und Abs. 3, 283 Satz 1, 252 BGB verpflichtet, dem Arbeitnehmer wegen der entgangenen Vergütung Schadenersatz zu leisten, wenn er das Nichtzustandekommen der Zielvereinbarung zu vertreten hat. Dabei obliegt es regelmäßig dem Arbeitgeber, die Initiative zum Abschluss einer Zielvereinbarung zu ergreifen und ein konkretes Angebot vorzulegen. Unterbleibt dies, verletzt der Arbeitgeber die aus der Vereinbarung der variablen zielabhängigen Vergütung resultierende Verhandlungspflicht (BAG 12.05.2010 - 10 AZR 390/09 - Rn. 11; BAG 10.12.2008 - 10 AZR 889/07 - Rn. 12). Allerdings ist der Arbeitgeber nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht zur Leistung von Schadenersatz verpflichtet, wenn er das Nichtzustandekommen einer Zielvereinbarung nicht zu vertreten hat. Weist der Arbeitgeber nach, dass er seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtung, für jede Zielperiode gemeinsam mit dem Arbeitnehmer Ziele festzulegen, nachgekommen ist und dem Arbeitnehmer Ziele vorgeschlagen hat, die dieser nach einer auf den Zeitpunkt des Angebots bezogenen Prognose hätte erreichen können, fehlt es an einer Verletzung der Verhandlungspflicht des Arbeitgebers und damit an einer Voraussetzung für den Schadenersatzanspruch des Arbeitnehmers.

Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 30.06.2011 Aktenzeichen 3 Sa 85/11

Änderung einer Zielvereinbarung

Grundsätzlich ist eine Zielvereinbarung verbindlich und kann einseitig durch den Arbeitgeber nicht mehr abgeändert werden.

"Leistungsbestimmungen einer Partei im Sinne des § 315 BGB sind zwar im Hinblick auf die mit ihnen verbundene Gestaltungswirkung im Grundsatz unwiderruflich in dem Sinne, dass zur Bestimmung der Leistung berechtigte Partei ihr dabei einmal ausgeübtes Ermessen kein zweites Mal ausüben darf, es sich also nicht aus irgendwelchen Gründen im Nachhinein „anders überlegen“ kann (BGH NJW-RR 2005, 762 = juris Rn 34; NJW 2002, 1421 = juris Rn 40; NJW 1966, 539 = juris Rn 18; BAG VersR 1981, 941 = juris Rn 25 m.w.N., st. Rspr.)."

OLG Düsseldorf vom 27.10.2011 Aktenzeichen I-6 U 42/11, 6 U 42/11

Allerdings ließ das OLG Düsseldorf eine nachträgliche Anpassung der bereits festgesetzten Tantieme zu, weil das Unternehmen das Jahresabschluß neu festgestellt hatte.


Rechtsprechung zur Zielvereinbarung

1. Hat der Arbeitnehmer auf Grund einer Rahmenvereinbarung im Arbeitsvertrag Anspruch auf einen Bonus in bestimmter Höhe, wenn er die von den Arbeitsvertragsparteien für jedes Kalenderjahr gemeinsam festzulegenden Ziele erreicht, steht ihm wegen entgangener Bonuszahlung Schadensersatz zu, wenn aus vom Arbeitgeber zu vertretenden Gründen für ein Kalenderjahr keine Zielvereinbarung getroffen wurde.

2. Der für den Fall der Zielerreichung zugesagte Bonus bildet die Grundlage für die Schadensermittlung.

3. Trifft auch den Arbeitnehmer ein Verschulden am Nichtzustandekommen der Zielvereinbarung, ist dieses Mitverschulden angemessen zu berücksichtigen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12.12.2007, 10 AZR 97/07


Tantieme von Geschäftsführern

In einer Entscheidung Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 09.05.1994 - II ZR 128/93) ging es um eine einem Geschäftsführer im Anstellungsvertrag zugesagte Tantieme, für deren Höhe die Gesellschaft erst noch eine Bemessungsgrundlage zu “erarbeiten” hatte. Der Bundesgerichtshof entschied, dass in einem solchen Fall die Höhe der Tantieme gemäß § 315 BGB nach billigem Ermessen zu bestimmen ist, solange es an einer Ausgestaltung der Bemessungsgrundlage fehlt.


Mitbestimmung des Betriebsrats oder Personalrats

Ohne Entgeltrelevanz kann eine Zielvereinbarung ein mitbestimmungspflichtiger „allgemeiner Beurteilungsgrundsatz“ nach § 94 Absatz 2 BetrVG sein. Wird das Erreichen der Zielvereinbarung durch Erhebung und Verarbeitung durch Datenverarbeitungssysteme kontrolliert, ist die Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Leistungs- und Verhaltenskontrolle nach § 87 Absatz 1 Nr. 6 BetrVG zu beachten. Die verarbeiteten Daten sind personenbezogene Daten im Sinne des BDSG.

Bei entgeltrelevanten Zielvereinbarungen finden § 87 Absatz 1 Nr. 10 und 11 BetrVG Anwendung. In vielen Betrieben und Unternehmen werden die Regeln für Zielvereinbarungen durch eine Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat geregelt.

Jedenfalls ist eine Einigungsstelle ist für den Abschluss einer Betriebsvereinbarung mit dem Regelungsgegenstand "Zahlung von Prämien aufgrund von Zielvereinbarungen" nicht offensichtlich unzuständig und muß daher im Verfahren nach § 98 ArbGG eingesetzt werden. Der Regelungsgegenstand "Zahlung von Prämien aufgrund von Zielvereinbarungen" ist nämlich nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitbestimmungspflichtig. (LAG Hamm vom 20.06.2011 Aktenzeichen 10 TaBV 39/11).

Für die Mitbestimmung des Personalrats sind die entsprechenden Beteiligungstatbestände des Bundespersonalvertretungsgesetzes bzw. der Landespersonalvertretungsgesetze zu beachten.


Buchtipp zum Thema Zielvereinbarung

Dr. Ralph Heiden | Entgeltrelevante Zielvereinbarungen aus Arbeitsrechtlicher Sicht | Nomos Verlag | ISBN: 3-8329-2507-4 | EAN: 978-3-8329-2507-9 | 1. Auflage 2007, 423 Seiten | 79,00 € inkl. MwSt.

Bestellen bei Amazon[1]


Fachbeitrag zum Thema Zielvereinbarung

"Entgeltvariabilisierung durch Zielvereinbarung" von RiArbG Dr. Ralph Heiden, original erschienen in: DB 2009 Heft 32, 1705 - 1709[2]

Interviews

Profits - Magazin der Sparkassen Finanzgruppe, Heft 1/2012 S. 14 ff.: Eindeutige Ziele: Mitarbeitergespräch und Zielvereinbarungen. Ein Beitrag von Susanne Widrat mit Interviewzitaten von Rechtsanwalt Michael W. Felser [3]


Weblinks

(1) Erfolgsbeteiligung.de [4]: Aktuelles rund um das Thema "Erfolgsbeteiligung" und "Zielvereinbarung" von Juracity - Recht für Alle! (2) Zielvereinbarung.net [5]: Webseite des Autors zum Thema "Zielvereinbarung" (3) Zielvereinbarung.org [6]: Webseite der Unternehmensberatung I.O. BUSINESS® Unternehmensberatung und Training.


Autor

Michael W. Felser ist der auf das Thema "Zielvereinbarung" spezialisierte Rechtsanwalt in der Kanzlei Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte Köln/Brühl [7] und Betreiber des Portals "Juracity - Recht für Alle!". Er hat zahlreiche Arbeitnehmer und Führungskräfte sachkundig bei Problemen in Rahmen einer "Zielvereinbarung" beraten und vertreten. Betriebsräte berät er als Sachverständiger bei Betriebsvereinbarungen zum Thema "Zielvereinbarung". Referenzen auf Anfrage.