Bei betriebsbedingter Kündigung und Aufhebungsvertrag kursieren viele Gerüchte über die Höhe der „üblichen“ Abfindung. Dabei wird gerne die Abfindungsformel „ein halbes brutto für netto“ genannt, also ein halbes Bruttogehalt pro Jahr der Betriebszugehörigkeit. AFP berichtet unter Berufung auf eine Umfrage des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), durchschnittlich würden 12.000 Euro gezahlt. Wenn die Anwälte unserer Kanzlei durchschnittlich 12.000 Euro an Abfindung aushandeln würde, hätten wir keine Mandanten mehr.

Richtig ist: Nicht ist so unterschiedlich hoch wie die Abfindung. Der übliche Faktor schwankt zwischen 0,25 und 2,0 Gehältern pro Beschäftigungsjahr. Die zitierten 12.000 Euro sollen, rechtzeitig vor der Kündigungwelle in der Wirtschaftskrise, offenbar für Bescheidenheit bei Arbeitnehmern sorgen. Auch hier gilt: glaube keiner Statistik, die Du selbst nicht gefälscht hast. Wir erinnern uns, dass Noel Forgard von Airbus 8,5 Millionen Euro Abfindung erhalten hat (dafür kann man ja 708,33 normale Arbeitnehmer laut IW abbauen …). Home Depot zahlte Robert Nardelli 210 Millionen Dollar, Stanley O´Neal 160 Mio. Dollar von Merril Lynch – was die Demut europäischer Konzernchefs beweist. Charles Prince erhielt von der Citybank (Rücktritt wegen 17,5 Milliarden Verlust) immerhin zwischen 30 und 95 Millionen Dollar an Abfindung. Gegenüber dem Schaden einer weiteren Amtszeit Erdnüsse. 10 Millionen Dollar wollte der amerikanische Pleiteversicherer AIG an seinen Finanzchef Steven Bensinger, der die Pleite fast verschlafen hätte, zahlen, bis der Generalstaatsanwalt Cuomo eingriff. Wer in Amerika bei Abfindungen über 10 Mio. Dollar zuständig ist (Guantanamo?) bleibt unklar. Klaus Esser (Mannesmann) erhielt noch 60 Mio. Abfindung, danach ging es in Deutschland abwärts: Thomas Fischer (WestLB) 5 Mio., Investmentbanker Stefan Jentzsch (Dresdner Kleinwort) 8 Mio. Euro, Dresdner Bank Vorstand Walter 3,6 Mio. Euro, Infinion Finanzchef Rüdiger Günther 2 Mio. Euro (nach vier Monaten Amtszeit). Jetzt sollen es sogar nur noch 12.000 Euro im Schnitt sein, wenn man AFP bzw. dem IW glauben darf …

Die Berufung auf eine Statistik beeindruckt übrigens auch den Arbeitgeber bei Verhandlungen über die Abfindung nicht.

Neben den Erfolgsaussichten einer möglichen Kündigungsschutzklage beeinflussen die Wahl des richtigen Arbeitgebers (zu spät …) und die Wahl des richtigen Anwalts die Höhe der Abfindung am meisten.

Die Erfolgsaussichten einer möglichen Kündigungsschutzklage: Der wichtigste Faktor, wenn man einen Anwalt hat, der das erkennen und in Verhandlungen umsetzen kann. Eine fehlerlose Kündigung mit einem klaren Kündigungsgrund und einer eindeutigen Sozialauswahl bei fehlenden Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten ist kaum anzugreifen. Arbeitgeber machen aber Fehler, die muss man aber finden. Bereits bei der Erstberatung muss daher eine genaue Analyse der Rechtslage erfolgen. Und auch bei Aufhebungsvertragsverhandlungen hilft es, wenn der Arbeitgeber weiß oder ergoogeln kann, dass er es auf der Gegenseite mit ausgewiesenen Experten im Kündigungsrecht zu tun hat.

Der richtige Arbeitgeber: Es gibt Branchen, in denen aus einem früheren oder aktuellen Sozialplan hohe Abfindungsformeln üblich sind. Bei kleinen Arbeitgebern lassen sich hohe Abfindungen schlechter durchsetzen als bei Großunternehmen mit Sozialplan. In Boombranchen wird tendenziell mehr gezahlt als in Unternehmen die vor oder in der Insolvenz stehen. Bei Nokia in Bochum gab es max. 220.000 Euro Abfindung.

Der richtige Anwalt: Ein häufig bei Kündigung und Aufhebungsvertrag unterschätzter Faktor. Arbeitnehmer gehen schon mal gerne zu Ihrem Scheidungsanwalt oder Anwalt next door, „der haut auf den Putz“ und „kann sich gut verkaufen“. Letzteres scheint zu stimmen, jedenfalls gegenüber dem Mandanten. Im Arbeitsrecht kommt es allerdings weder auf „Bellen“ noch auf „Gefieder aufplustern“ an. Beides hilft im Tierreich, vielleicht auch bei Salesch & Co., aber nicht im richtigen Arbeitsgericht und erst recht nicht bei Verhandlungen mit der Personalabteilung. Hier helfen nur gute Kenntnisse des Kündigungsrechts, große Erfahrung mit Kündigungsrechtsstreitigkeiten und Aufhebungsvereinbarungen, Verhandlungsgeschick und ein kluges taktisches Vorgehen. „Bellen“ hilft nicht, wenn der Arbeitgeber beim „Googeln“ herausfindet, dass der keck auftretende Anwalt laut seiner Homepage Fachanwalt für Verkehrsrecht ist oder 20 Tätigkeitsschwerpunket hat, also alles macht. Seefahrer in fremden Gewässern sind in Arbeitsgerichtsverhandlungen auf den ersten Blick zu erkennen. Arbeitsrichter und Arbeitgeber merken das ebenfalls sofort. Aber der Vergleich muss schliesslich auch nur dem Mandanten verkauft werden. Und der ist von den Händlerqualitäten seines Anwalts ja schon überzeugt …

Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte
Brühl (Köln/Bonn)

Kommentierungsfunktion ist momentan abgeschaltet.