In unserer Kanzlei häufen sich die Fälle, in denen Arbeitnehmer unverschuldet, also nach betriebsbedingter Kündigung oder mit Aufhebungsvertrag entweder ganz ohne oder mit einer Abfindung in Höhe von maximal einem viertel Gehalt je Beschäftigungsjahr abgespeist werden sollen – was wir verhindern werden. Bahn-Chef Mehdorn dagegen soll eine Abfindung in Millionenhöhe bekommen. Da regt sich der Volkszorn, zumal der Bahn-Chef ja gegangen ist, weil er nicht so gehandelt haben soll, wie man das als kleiner Hans beigebracht bekommt und damit die Bahn monatelang in die Schlagzeilen gebracht hat. Nicht jeder Arbeitnehmer, der einen Fehler gemacht hat, und sei es nur im Rahmen seiner Verantwortung als Vorgesetzter, wird für ein vergleichbares Verhalten auch noch mit einer Abfindung belohnt. Verbreiteter als Reaktion sind auf der Ebene der Indianer die Abmahnung oder gar die verhaltensbedingte Kündigung. Ob die Vorwürfe, Mehdorn sei für die Datenskandal bei der Bahn verantwortlich und habe davon gewußt, zutreffen und für vertragliche Sanktionen wie Abmahnung oder Kündigung des Vorstandsvertrags ausreichen, muß hier mangels genauer Kenntnis dahinstehen. Tatsache ist jedenfalls, dass der dringend Verdacht besteht, der ja bei  und Emmely auch gereicht hat und die öffentlichen Wirkungen im Fall der Bahn enorm sind. Bei einem Vorstand, der ganz besonders das Vertrauen der Gesellschafter und des Aufsichtsrat – und im Falle der öffentlichen Bahn auch der Öffentlichkeit – haben muss, kommt eine Verdachtskündigung erst recht im Betracht. Wenn die Vorwürfe allerdings nicht ausreichen und der Verdacht auch nicht, müßte die Bahn Mehdorn das Gehalt bis zum Ablauf seines Vorstandsvertrags weiterzahlen, der bis 2011 laufen soll. Bei den heute noch üblichen Vorstandsverträgen schuldet die Bahn dann wohl auch Bonus und Tantieme bis zum Vertragsablauf. Der Anstellungsvertrag eines Vorstands ist regelmäßig auf mehrere Jahre befristet und kann – anders als der Arbeitsvertrag mit einem Arbeitnehmer – nur aus wichtigem Grund, also fristlos gekündigt werden. Die Fortsetzung des Vertrages müsste dann für die Gesellschaft unzumutbar sein. Weil das sehr hohe Anforderungen an die Kündigung des Vorstands sind, hat ein Kampf eines Vorstands um sein Gehalt und die Tantiemen häufig bessere Aussichten auf Erfolg als die Kündigungsschutzklage eines Arbeitnehmers gegen seine verhaltensbedingte Kündigung, was den Aufsichtsrat wiederum zwingt, sich gütlich zu einigen, also eine Abfindung zu zahlen. Beim Poker um eine Abfindung bei Pflichtverstössen hat ein Vorstand also deutlich bessere Karten als ein normaler Arbeitnehmer in vergleichbarer Lage. Vorstandsverträge sind Luxusbefristungen, die mit den bei Arbeitnehmern üblichen befristeten Arbeitsverträgen nicht zu vergleichen sind, die im übrigen auch während der Laufzeit ordentlich kündbar sind. Im Falle von Mehdorn wird – wohl auch mit Rücksicht auf die langjährige beanstandungsfreie Beschäftigung  – eine ausserordentliche Kündigung des noch bis 2011 laufenden Vorstandsvertrages nicht erwogen, sondern eine einvernehmliche Auflösung gegen Abfindung. Obwohl man sicher darüber diskutieren könnte, ob der Bahn ein Festhalten am Vorstandsvorsitzenden Mehdorn bis 2011 wirklich zuzumuten wäre.

Der Gesetzgeber sollte vor dem Hintergrund der unbefriedigen Besserstellung von Vorständen Möglichkeiten schaffen, auch bei Vorstandsmitgliedern eine ordentliche Kündbarkeit für verhaltens- oder verantwortungsbedingtes Versagen vorzusehen. Bei Arbeitnehmern stellt die Tatsache, dass das vertragswidrige Verhalten das Ansehen des Unternehmen ins der Öffentlichkeit schadet, einen Kündigungsgrund dar. Das muss erst recht für einen Vorstand gelten, der bekanntlich in einer besonderen Verantwortung steht. Im Anstellungsvertrag eines Vorstands sollte der Aufsichtsrat zudem regeln und regeln können, dass bei verhaltens- oder verantwortungsbedingter Suspendierung der Anspruch auf den Bonus entfällt. Niemand versteht, warum ein Vorstand, der zu Recht die Verantwortung für einen dem Unternehmen in der Öffentlichkeit abträglichen Skandal übernehmen muß, auch noch eine dicke Abfindung bekommt. Im Fall Mehdorn wird der Vorgang aber nach aktuellem Recht wohl wie üblich abgewickelt werden: Mehdorn stimmt der Vertragsauflösung per Aufhebungsvertrag zu, macht den Weg für einen Nachfolger frei und bekommt dafür seine Bezüge noch bis zum Ende seines Vertrags, wahlweise als Abfindung (Einmalzahlung). Die Öffentlichkeit vergisst, bis der nächste die Diskussion wieder anfacht. In der Krise bleibt das Thema aber auf derAgenda.
Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte

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