Dass die Versorgung mit Energie unweigerlich teurer wird, müssen die Verbraucher nicht ohnmächtig hinnehmen. Dieses Signal geht von einem bundesweit beachteten Rechtsstreit vor dem Landgericht Bremen aus. Dort hat der Bremer Energieversorger swb in der gerichtlichen Auseinandersetzung um Gaspreiserhöhungen nun eine Niederlage erlitten. Die Bremer Richter erklärten vier Preiserhöhungen seit Oktober 2004 für unwirksam. Begründung: Die sogenannten Preiserhöhungsklauseln in den Verträgen von 58 Klägern seien für die Kunden nicht durchschaubar und nicht präzise genug.

Der Sachverhalt

Der Energieversorger der Hansestadt hatte den Gaspreis in vier Stufen um 1,54 Cent je Kilowattstunde auf 5,55 Cent angehoben. Grundlage der Preiserhöhung waren entsprechende Vertragsklauseln, wonach im Falle einer Steigerung von Lohnkosten oder Heizölpreisen einseitige Preisanhebungen des Versorgers zulässig seien. Das wollten sich einige Tausend Kunden der swb nicht gefallen lassen und legten Widerspruch ein.

Das Urteil

Zu Recht, befand das Landgericht Bremen. Die umstrittenen Preisänderungsklauseln seien zu wenig klar und verständlich. Vielmehr müssten solche Vertragsbestimmungen so formuliert sein, dass der Kunde die Möglichkeit habe, die Berechtigung einer Preiserhöhung anhand der Klausel selbst zu prüfen.

Ausdrücklich wiesen die Richter auf das so genannte Flüssiggas-Urteil des Bundesgerichtshofs (Urteil v. 21.09.2005, Az.: VIII ZR 38/05) hin. Die Karlsruher Richter hatten im September 2005 entschieden, dass für einen langfristig gebundenen Kunden bereits bei Vertragsabschluss erkennbar sein müsse, in welchem Umfang Preisanhebungen auf ihn zukommen können. Ob diese auch tatsächlich berechtigt sei, müsse er Mittels der der entsprechenden Vertragsklauseln selbst überprüfen können. Auf diesem Wege lasse sich verhindern, dass Lieferanten nachträglich ihren Gewinnanteil erhöhen.

Bundesweite Bedeutung?

Nach Angaben von Verbraucherschützern sind von den den Preiserhöhungen der swb rund 100.000 Kunden betroffen – ein Volumen von 50 Millionen Euro. Der unterlegene Energieversorger will gegen das Urteil Berufung einlegen, weil der Richterspruch Folgen nicht nur für die 58 erfolgreichen Kläger hat. Weniger zahlen müssten demnach auch andere Kunden der swb, deren Energielieferungsverträge entsprechende Preisänderungsklauseln enthielten. Für den Fall, dass das Urteil Rechtskraft dennoch erlangt, will der Energieversorger Rückstellungen bilden.

Eine Maßnahme, zu der Energieversorger auch außerhalb der Hansestadt Bremen gezwungen sein könnten. Dem Urteil wird allgemein bundesweite Bedeutung zugemessen. Der überwiegende Teil aller Energieversorger in Deutschland benutze solche Preisanhebungsklauseln, so die Sprecherin der Verbraucherzentrale Bremen. Der Streit um die Angemessenheit der Bremer Gaspreise insgesamt sei mit dem Urteil vom Mittwoch noch nicht entschieden. Die Verbraucherorganisation prüftt, ob auch eine Klage wegen «Unbilligkeit» erhoben werden sollte. Dabei müsse dann die Preiskalkulation des Lieferanten offen gelegt werden.

Die teilweise drastischen Gaspreisanhebungen der Energieversorger in den vergangenen Monaten unter Berufung auf die gestiegenen Ölpreise haben bundesweit zu Zahlungsverweigerungen von Kunden und gerichtlichen Auseinandersetzungen geführt. Dabei verließen die Energeiversorger nicht selten als Verlierer den Gerichtssaal.

So gab das Landgericht Mönchengladbach den Niederrheinwerken auf, einen Kunden weiter mit Gas zu beliefern, obwohl dieser die Gasrechnung gekürzt hatte (Az.: 7 O 116/05). Dieser Ansicht schloss sich auch der Kartellsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf (Az.: VI – 2 U 16/05) an und hielt eine Kündigung des Gaslieferungsvertrages durch den Energieversorger für unzulässig, weil dieser seinerseits nicht gegen die möglicherweise überhöhten Preise des Vorlieferanten vorgegangen seien. Nach dem Lichtblick-Urteil des BGH kann ein Stromversorgungsunternehmen, welches das Netz eines anderen Unternehmens zur Durchleitung nutzt, eine zivilgerichtliche Überprüfung der Höhe des vertraglich vereinbarten Netznutzungsentgelts verlangen.

Die Oberlandesrichter befanden, dass der Versorger zur Offenlegung seiner Kalkulation verpflichtet sei, weil § 315 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) hier direkt anwendbar sei. Danach ist die getroffene einseitige Bestimmung über die Preiserhöung für den anderen Teil – den Verbraucher – nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen. Dazu sei das Landgericht allerdings nur in der Lage, wenn die Kalkulation offengelegt wurde. Das sei hier nicht der Fall gewesen. Demnach sei das Unternehmen als Grundversorger nach dem neuen Energiewirtschaftsgesetz zur Versorgung verpflichtet.

Das Landgericht Hamburg nahm kürzlich erstmals Stellung zu den Anforderungen an die Offenlegung der Kalkulation durch E.ON Hanse (Beschluss v. 05.04.2006, Az.: 301 O 32/05). Den Richtern reichte es nicht aus, nur die Preiserhöhung zu überprüfen, sondern die gesamten Preise. So könnten die Preise bereits vor der Erhöhung unbillig hoch gewesen sein und wären sie dann auch nach der Erhöhung. Dabei beruft sich auch das Landgericht Hamburg auf das sogenannte Lichtblick-Urteil des BGH, wonach Preiserhöhungen nur dann zulässig seien, wenn sie nicht durch rückläufige Kosten in anderen Bereichen ausgeglichen werden.

Thomas Hellwege, Journalist

blog.medienrecht-informationen.de

Kommentierungsfunktion ist momentan abgeschaltet.