Das OVG Lüneburg hat sich in seinem Beschluss vom 13.10.2006 – 5 ME 115/06 – mit einer häufig auftretenden Situation in Beförderungsverfahren befaßt: mehrere Bewerber sind gleich beurteilt und Eignungsunterschiede ergeben sich nur aus etwaigen Notenzusätzen, verschiedenen Eignungsprognosen oder dem Eindruck in Auswahlgesprächen. Die Entscheidung des Senats bezieht deutlich Stellung zu der Frage, in welchem Verhältnis diese Kriterien zueinander stehen.

Zum Sachverhalt:

Der Antragsteller bewarb sich auf eine ausgeschriebene Stelle eines Gewerbeamtsinspektors (Besoldungsgruppe A 9). Außer ihm dem bewarben sich drei weitere Gewerbehauptsekretäre. Einer der Bewerber war in seiner letzten dienstlichen Beurteilung „gut“ und dem Zusatz „besser als“ benotet worden. Der Antragsteller und der im Verfahren beigeladene weitere Bewerber waren zuletzt nur mit „gut“ beurteilt worden.Die Beurteilung des Antragstellers enthielt aber einen Hinweis auf die Eignung für weitere Verwendungen, die nach weiterer Förderung auch im Bereich einer höherwertigen Aufgabe – z.B. auch in einem Dienstposten der „Besoldungsstufe“ A 9 – liegen könnten. Die beiden Vorbeurteilungen des Antragstellers fielen jeweils mit „gut“ aus.

Die letzte Beurteilung des Beigeladenen enthielt keinen vergleichbaren Hinweis, sondern nur den Hinweis, er sei derzeit „richtig eingesetzt“. Er war zudem zuletzt nur als Gewerbeobersekretär vorbeurteilt worden, das aber mit den Benotungen ) „gut“ (2001), „noch sehr gut“ (2003) und „besser als gut“ (2004).

Im Februar 2006 mußte jeder Bewerbern zu Beginn seines Auswahlgesprächs ein fünfminütiges Referat über ein Fachthema und im Anschluss folgte ein Fragenblock zur Fachkompetenz. Das Auftreten der Bewerber wurde zusätzlich bewertet. Angesichts der weitgehend gleichen Benotungen in den aktuellen Beurteilungen wurde das Ergebnis der Gespräche als „Hilfskriterium“ herangezogen. In der hierzu erstellten Reihung wurde der Beigeladene auf den ersten und der Antragsteller den zweiten Platz gesetzt. Angesichts dieses Ergebnisses kam es nicht mehr zur Berücksichtigung weiterer „Hilfskriterien“ wie nämlich „Notenzusatz“ und „Leistungskonstanz“. Der Beigeladene erhielt den Zuschlag.

Nach abschlägiger Bewerbungsentscheidung beantragte der Antragsteller, dem Dienstherrn im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zu untersagen, die streitbefangene Stellen dem Beigeladenen zu übertragen, bevor nicht über seine Klage gegen den Ablehnungsbescheid rechtskräftig entschieden ist. Das VG lehnte den Eilantrag ab, der Beamte legte hiergegen Beschwerde beim OVG Lüneburg ein. Der Antragsgegner hatte zuvor, dass er im Falle einer stattgebenden gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache die angestrebte Beförderung vornehmen und dafür eine entsprechende Stelle freihalten wird.

Das OVG erachtete die Beschwerde des Antragsstellers als im wesentlichen begründet. Trotz der Zusage des Antraggegners, den Antragsteller im Falle einer stattgebenden Entscheidung im Hauptsacheverfahren zu befördern, entfalle sein Rechtsschutzbedürfnis nicht, weil der Antragsteller befürchten müsse, daß dann ein anderer Konkurrent die Besetzung der aufgrund der Zusicherung freigehaltenen Stelle mit dem Antragsteller seinerseits erfolgreich angreifen werde, weil der Antragsgegner trotz der Zusage im Verhältnis zu anderen Bewerbern immer noch an Art. 33 Abs. 2 GG gebunden blieb. Ein deartiges Risiko sei hier auch evident, weil der Antragsteller damit rechnen müsse, daß sich insbesondere der weitere übergangene Bewerber, dessen Beurteilung den Zusatz „besser als“ aufwies, dann bewerben würde und aufgrund dieser zulässigen Binnendifferenzierung vermutlich vor dem Antragsteller vorrangig zu berücksichtigen wäre. Das OVG merkt in diesem Zusammenhang an, daß ein entsprechender Notenzusatz kein bloßes (einfaches) „Hilfskriterium“ darstelle. Offen läßt der Senat aber, ob ein entsprechender Notenzusatz als Binnendifferenzierung nicht ohnehin vorrangig vor dem Ergebnis etwaiger Auswahlgespräche hätte beachtet werden müssen.

Der Senat erachtete, den für den Erlaß einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsanspruch auch als weitestgehend glaubhaft gemacht. Die Auswahlentscheidung zur Übertragung Übertragung eines höherwertigen Dienstpostens unterliege zwar nur eingeschränkt der gerichtlichen Kontrolle und bei im Wesentlichen gleich beurteilten Bewerbern komme dem Dienstherrn ein weiter Ermessensspielraum zu. Der gerichtlichen Kontrolle unterliege aber auch die Prüfung, ob die Verwaltung von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist. Sofern erhebliche Unterschiede in den Eignungsprognosen von gleich beurteilten Bewerbern aber bei der Auswahlenstcheidung schlicht nicht berücksichtgt worden waren, sei die Verwaltung von einem unrichtigen, weil unvollständigen Sachverhalt ausgegangen. Nach § 40 Abs. 4 NLVO – für Bundesbeamte gilt insoweit § 41 II BLV – muß zwingend jede dienstliche Beurteilung auch mit einem Vorschlag für die weitere dienstliche Verwendung abschließen. Diesem Vorschlag liegt eine Eignungsprognose zugrunde, bei der es sich um eine vorausschauende Bewertung der Eignung für die vorgeschlagene Verwendung handelt. das Ergebnis eines derartigen, nach dem Laufbahnrecht unverzichtbaren Beurteilungsbestandteils könne dann aber in einem Auswahlverfahren nicht ignoriert werden. Dabei soll es unerheblich sein, daß sich die Eigungsprognose u.U. nicht genau auf die streitbefangene Stelle bezog, weil sich aus ihr auch eine abstrakte Aussage über einen möglichen Eignungsvorsprung entnehmen läßt.

Der Antragsgegner habe auch mißachtet, daß zulässigen Notenzusätze zum Gesamturteils einer Beurteilung und Eignungsprognosen regelmäßig aus dem über Dauer gewonnen Bild der fachlichen Leistung herleiten lassen. Ein Auswahlgespräch stelle demgegenüber nur eine „Momentaufnahme“ mit in Bezug auf die fachliche Leistung nur geringem Erkenntniswert dar.

Das OVG stellt des weiteren aber klar, daß ein Verwendungsvorschlag anders als z.B. der Zusatz zum Gesamturteil „im oberen Bereich“ keine Kriterium innerhalb der sog. Binnendifferenzierung im Sinne der Rechtsprechung des BVerwG sei. Notenzusätze seien hiernach unmittelbarer Bestandteil des Gesamturteils, die im Vergleich der Bewerber deswegen eine besonders hohe Bedeutung haben.

Im Ergebnis wird man sich daran orientieren dürfen, daß ein Notenzusatz als Teil der Gesamtbeurteilung und direkte Aussage über die fachliche Leistung im Verhältnis zu den anderen Kriterien höhere Bedeutung zukommt. Ein Verwendungsvorschlag trifft anders als der Eindruck aus einem Auswahlgespräch eine über Dauer gewonnen Aussage über die fachliche Leistung. Ob er deswegen vorrangig zu berücksichtigen ist, hat das OVG offen gelassen. Unberücksichtigt bleiben darf er aber nicht.

Fundstelle: Beschluss des OVG Lüneburg vom 13.10.2006 – 5 ME 115/06 –

Christian von Hopffgarten
Rechtsanwalt & Fachanwalt
für Arbeitsrecht
Rechtsanwälte Felser

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