Unsere Vorschläge für die richtigen Antworten wären:

1. Ja, denn es ist die (unter Umständen letzte) Warnung vor der Kündigung. Die ist dann die rote Karte und man muss den Arbeitsplatz verlassen.

2. Nein, entscheidend ist ob der Inhalt der einer Abmahnung ist. Eine Abmahnung muss a) eine Rüge enthalten (also die genaue Beschreibung des Vorwurfs) und b) eine Warnung enthalten, also die Drohung mit arbeitsrechtliche Sanktionen für den Wiederholungsfall. Ob Abmahnung „drauf“ steht, ist nicht entscheidend. Entscheidend ist, ob Abmahnung „drin“ ist. Also kann auch in einem harmlos auftretenden Schreiben eine Abmahnung stecken.

3. Abmahnungen müssen nicht schriftlich sein, es reicht auch eine mündliche „gelbe Karte“. Allerdings führen mündliche Abmahnungen häufig zu Beweisproblemen im Streitfall.

4. Es gibt keine bestimmte Zahl von Abmahnungen, die man sich leisten kann oder die ein Arbeitgeber erteilen muss, bevor gekündigt werden kann. Entscheidend sind die Schwere der Pflichtverletzungen, die Gleichartigkeit des neuen Verstosses und die Frequenz der Wiederholung. Bei kleinen Pflichtverstößen, die sich über Jahre erstrecken, können auch mehrere Abmahnungen erforderlich sein, bevor eine Kündigung möglich ist. Wenn der neue Vorwurf (z.B. Unpünktlichkeit) ein ganz anderer ist als der abgemahnte (z.B. eine verbale Entgleisung), liegt keine Gleichartigkeit vor. In der Abmahnung wegen der Unpünktlichkeit wird ja für den Wiederholungsfall, also erneute Unpünktlichkeiten, schlimmeres angedroht.

5. Abmahnungen sind nicht mitbestimmungspflichtig.

6. Es gibt auch keine Frist, innerhalb der Abmahnungen aus der Personalakte entfernt werden müssten. Die häufig genannte Frist von zwei Jahren stammt aus dem Disziplinarrecht der Beamten und hat mit Abmahnungen im Arbeitsverhältnis nichts zu tun.

7. Nein, es gibt zahlreiche gute Gründe, nicht gegen eine Abmahnung zu klagen.

Grund 1: Ein Gerichtsverfahren dauert meist länger als eine Abmahnung Wirkungen für eine spätere Kündigung entfaltet.
Grund 2: Häufig erkennt der Arbeitgeber erst durch ein Gerichtsverfahren formale Fehler der Abmahnung, die er dann noch rechtzeitig – nämlich vor einer späteren Kündigung – berichtigen kann. Er nimmt die fehlerhafte raus und tut die verbesserte in die Personalakte. Das darf er und ist für eine spätere Kündigung fatal. Hättest Du besser geschwiegen, Arbeitnehmer …
Grund 3: Durch eine zeitnahe Klage führt der Arbeitnehmer im Prinzip zugunsten seines Arbeitgebers ein Beweissicherungsverfahren durch. Zeugen, die der Arbeitgeber benennt, werden selten etwas anderes aussagen, schließlich will man ja seinen Job nicht riskieren. Man vergibt sich auch nichts, wenn man nicht gegen die Abmahnung klagt, weil die Abmahnung auch in einem späteren Kündigungsschutzverfahren noch angegriffen werden kann. Und dann sind vielleicht ein paar der Zeugen des Arbeitgebers aus dem Unternehmen ausgeschieden, vielleicht sogar im Streit …
Grund 4: Eine Klage kostet Geld. Auch wenn man gewinnt, findet im Arbeitsgerichtsverfahren erster Instanz – anders als sonst im Zivilrecht – keine Kostenerstattung durch den Unterlegenen statt, § 12 a ArbGG.
Grund 5: Ein Gerichtsverfahren gegen den Arbeitgeber mündet häufig in einer endgültigen Trennung. Die meisten Arbeitgeber verknusern es nicht, „vor Gericht gezerrt“ zu werden.
Grund 6: Eine Gegendarstellung hat alle Vorteile, aber keinen der genannten Nachteile. Sie ist daher die bessere und kostengünstigere Alternative. Sie allerdings sollte man unbedingt zur Ablage in der Personalakte schreiben.

8. Immer. Dabei sollte man aber nicht „oberschlau“ sein und dem Arbeitgeber keine Tipps geben, wie er die Abmahnung fehlerfrei machen kann, sondern seine eigene Tatsachenschilderung abgeben. Dabei sollte man die eigenen Zeugen nur dann benennen, wenn diese keine Sanktionen befürchten müssen. Notieren Sie in der nur für Sie selbst bestimmten Fassung die Namen der Zeugen, aber geben sie in der Fassung zur Ablage in der Personalakte keine Namen an.

9. Nach § 83 BetrVG in der Privatwirtschaft und § 3 Abs. 5 TVÖD im öffentlichen Dienst haben Sie ein Einsichtsrecht in ihre Personalakte. Sie dürfen sich auch (gegen Kostenerstattung) Kopien anfertigen. Nach § 83 Abs. 2 BetrVG können Sie auch die Aufnahme einer Gegendarstellung in die Personalakte verlangen. Auch wenn der TVÖD dies nicht mehr (ausdrücklich) vorsieht, so ergibt sich diese Pflicht auch im öffentlichen Dienst aus vertraglichen Nebenpflichten des Arbeitgebers.

10. Sischer dat, sagt der Rheinländer und der Rechtsgelehrte stimmt zu. Jeder Gläubiger einer Leistung kann bei Pflichtverstössen abmahnen. Der Arbeitnehmer kann den Arbeitgeber zum Beispiel abmahnen, weil das Gehalt immer unpünktlich kommt oder wenn der Arbeitgeber ihm keine vertragsgerechte Tätigkeit zuweist. Die Rechtsprechung verlangt auch vom Arbeitnehmer, dass er den Arbeitgeber, z.B. bei offenen Gehaltsforderungen, abmahnt bevor er fristlos kündigen darf.

Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte

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