Der Mutter eines in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Oldenburg Inhaftierten wurde am 18.01.2005 unter Hinweis auf ein am Vortage gegen Sie verhängtes vierwöchiges Hausverbot der Zutritt verweitert.
Sie erhob „Beschwerde“ zum Amtsgericht, begehrte sofortige Aufhebung des Hausverbots und Festsetzung eines neuen Besuchstermines und beantragte – optisch hervorgehoben – sofortige Entscheidung.
Das Amtsgericht – Haftrichter – hielt sich für nicht zuständig und verfügte die Abgabe an das OLG Oldenburg. Indes erreichte die Eingabe der Beschwerdeführerin diese nicht, da die Generalstaatsanwaltschaft diese nach fernmündlicher Rücksprache mit dem Vorsitzenden Richter des zuständigen Strafsenats am Oberlandesgericht als Dienstaufsichtsbeschwerde an JVA übersandte, ohne die Beschwerdeführerin zu benachrichtigen.
Die JVA wies die Dienstaufsichtsbeschwerde nach Ablauf der vier Wochen zurück.
Auf den Antrag der Beschwerdeführerin an das Oberlandesgericht, festzustellen, dass das gegen sie verhängte Hausverbot und sein Vollzug rechtswidrig gewesen seien, wies das OLG den Antrag als unzulässig zurück, weil das Hausverbot sich erledigt und die Beschwerdeführerin an der Feststellung der Rechtswidrigkeit kein berechtigtes Interesse (mehr) habe.

Das BVerfG hof den Beschluß des OLG Oldenburg auf, da die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf effektiven Rechtsschutz verletzt sei.
Art. 19 Abs. 4 GG gewährleiste nicht nur das formelle Recht, die Gerichte anzurufen, sondern auch die Effektivität des Rechtsschutzes, welcher zeitgerechte Bescheidung erfordere. Art. 19 Abs. 4 GG gewährleiste dabei zwar nicht schlechthin eine aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen, jedoch sei soweit als möglich zu verhindern, dass durch die sofortige Vollziehung einer hoheitlichen Maßnahme irreversible Tatsachen geschaffen werden, welche sich bei – verzögerter – richterlicher Prüfung (im Nachhinein) als rechtswidrig erweisen.
Da das erste Schreiben der Beschwerdeführerin an das AG adressiert gewesen sei und förmliche Anträge nebst Beweisangeboten, sowie den auch optisch hervorgehoben Antrag sofortige Entscheidung enthalten habe, zudem die Beschwerdeführerin von der Behandlung des Antrags als Dienstaufsichtsbeschwerde nicht in Kenntnis gesetzt worden sei, sei vor Erledigung des ursprünglichen Rechtsschutzbegehrens der geltend gemachte Anspruch der Beschwerdeführerin von keinem Gericht inhaltlich geprüft wurde. Es sei daher mit der Verpflichtung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes und den Anforderungen eines fairen Verfahrens unvereinbar, dem Betroffenen eine Sachentscheidung (nunmehr des zweiten Antrages) wegen Erledigung zu versagen, nachdem die Justiz durch verfahrensfehlerhafte Behandlung des (ersten) Antrags eine Entscheidung vor Erledigung selbst verhindert und infolgedessen ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse der Beschwerdeführerin verneint habe.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 8/2007 vom 26. Januar 2007, 2 BvR 803/05

Frings
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Strafrecht
SKFH – Schlegelmilch Kremer Frings Hellmig
www.skfh.eu

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