Dazu hat kürzlich das Bundesarbeitsgericht Stellung genommen. Was selten genug geschieht und deshalb immer einer Erwähnung wert ist. Vorinstanz war das LAG Baden-Württemberg. Die Schwaben haben dabei wieder deutlich gemacht, warum sie in einem Atemzug mit den Schotten für Sparsamkeit stehen. Anders als der Rest der Republik setzt das LAG Baden-Württemberg den Streitwert nämlich unterhalb des ansonsten üblichen einen Bruttomonatsgehaltes an. Abmahnungsstreitigkeiten sind bei Arbeitsgerichten traditionell eher ungeliebt, ebenso wie Arbeitszeugnisprozesse. Ein Schelm, wer da einen Bezug zum Streitwert sieht. Das Bundesarbeitsgericht zeigt sich aber tolerant: Alle haben recht. Im O-Ton:

aa) Das Arbeitsgericht hat den Streitwert im Urteil auf 200,00 Euro festgesetzt.

bb) Diese Wertfestsetzung war nicht offensichtlich unrichtig.

(1) Es trifft zu, dass die bei weitem überwiegende Mehrzahl der Landesarbeitsgerichte bei Streitigkeiten um die Rücknahme von Abmahnungen und ihre Entfernung aus der Personalakte den Wert auf den Betrag eines Monatseinkommens festsetzt (LAG Köln 11. September 2003 – 3 Ta 228/03 – LAGE BRAGO § 8 Nr. 56; Hessisches LAG 1. März 1988 – 6 Ta 60/88 – LAGE ArbGG 1979 § 12 Streitwert Nr. 72; 24. Mai 2000 – 15 Ta 16/00 – NZA-RR 2000, 438; LAG Hamburg 12. August 1991 – 1 Ta 6/91 – LAGE ArbGG 1979 § 12 Streitwert Nr. 94; LAG Schleswig-Holstein 7. Juni 1995 – 1 Ta 63/95 – LAGE ArbGG 1979 § 12 Streitwert Nr. 103; LAG Nürnberg 11. November 1992 – 6 Ta 153/92 – NZA 1993, 430). Begründet wird dies in der Regel damit, dass man die Abmahnung gewissermaßen als “Vorstufe” zur Kündigung ansieht und sich deshalb an § 42 Abs. 4 GKG (früher § 12 Abs. 7 ArbGG) orientiert.

(2) Die davon abweichende Auffassung, die das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg seit vielen Jahren in ständiger Rechtsprechung vertritt (vgl. zuletzt: LAG Baden-Württemberg 7. September 2006 – 3 Ta 159/06 -; 6. September 2006 – 3 Ta 155/06 -; 11. Juni 2004 – 3 Ta 95/04 -) ist zwar weitgehend ohne Vorbild entstanden und ebenso weitgehend auch ohne Gefolgschaft geblieben. Es kann aber nicht gesagt werden, sie sei in jeder Beziehung unverständlich und unter keinem vernünftigen Gesichtspunkt zu rechtfertigen. Keine Rechtsauffassung ist allein deshalb offensichtlich unrichtig, weil sie offensichtlich nicht herrschend ist. Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg weist einen gut nachvollziehbaren Zusammenhang mit den gesetzlichen Vorgaben auf und es sprechen maßgebliche, sowohl rechtsdogmatische als auch prozesspraktische Überlegungen zumindest für ihre Vertretbarkeit.

Quelle: BAG, Beschluss vom 16.05.2007 – Aktenzeichen 2 AZB 53/06

Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte

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