Nä, dat dürfen die nitt … ist ein echt deutscher Reflex bei der Frage, ob Beamte streiken dürfen. Auch die Gerichte sind davon offensichtlich nicht frei. Beamte dürfen nicht streiken, so die herrschende Meinung. Natürlich verstehen die Gerichte auch keinen Spaß: Dienst nach Vorschrift anstatt Streik geht auch nicht.

Später hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG vom 02.03.1993 Aktenzeichen 1 BvR 1213/85, die Dauer von der Aktenanlage im Jahr 1985 bis zur Entscheidung im Jahr 1993 zeigt, wie heiss das Thema ist …) dann wenigstens den Einsatz von Beamten als Streikbrecher untersagt. Solange es keinentsprechendes Gesetz (mein Vorschlag: BSBG – Beamtenstreikbrechergesetz) gäbe.

Zuletzt hatte sich der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel (HVGH vom 07.09.2004 Aktenzeichen 24 GH 2290/04) mit der Frage zu befassen, dort der Disziplinarsenat, der für Recht und Ordnung im öffentlichen Dienst zuständig ist.  Dieser meint: „Der Hinweis auf die Europäische Sozialcharta sei wegen der speziellen verfassungsrechtlichen Verpflichtung der deutschen Beamten verfehlt. Diese Verpflichtung sei im europäischen Recht einzigartig und erlaube es den Beamten nicht, den Vollzug des Dienstes, den der Dienstherr seinerseits von Verfassungs wegen ununterbrochen zu garantieren habe, irgendwie zu hemmen. Nach den sog. hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums seien kollektive Kampfmaßnahmen von Beamten zur Durchsetzung gemeinsamer Berufsinteressen selbst dann nicht erlaubt, wenn der Dienstherr einen Anlass für solche Maßnahmen gegeben habe, wie z. B. bei Verletzung seiner Fürsorgepflicht.“ Sogar dann. Die „sogenannten“ hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums, die schon während des Jurastudiums für Lacher oder mindestens Kopfschütteln gesorgt haben. Der letzte Satz ist bei solchen Beschlüssen übrigens immer das überzeugendste Argument: „Dieser Beschuß ist unanfechtbar.“

Streiken Beamte doch, muss mit Disziplinarmaßnahmen durch den Dienstherrn, Besoldungsabzug und ggf. auch Beamtenhaftung gerechnet werden.

Ver.di fordert, unter Beachtung der UN-Menschenrechtspakte, Übereinkommen
Nr. 87, 98, 151 der ILO und Artikel 6 der Europäischen Sozialcharta, das Recht auf Streik für Beamtinnen und Beamte anzuerkennen.

Wie „überkommen“, nicht nur „althergebracht“ das System in Deutschland ist, hat Udo Mayer eindrucksvoll beleuchtet. Nicht nur bei den Rechtsreferendaren ist der Beamtenstatus abgeschafft worden, weil er sich schlicht nicht mehr rechtfertigen liess.

In Europa dürfen EU-Beamte übrigens selbstverständlich streiken, wie die Staatsdiener in den meisten europäischen Länder auch. Nur in Deutschland und Dänemark herrscht generelles Streikverbot für Beamtinnen und Beamte. In Dänemark wird  ab 2001 nur noch bei Polizei und Militär verbeamtet. In Österreich dürfen Beamte eigentlich nicht streiken, sie tun es aber. Aber die Deutschen würden auch an einer dauerroten Fussgängerampel im Death Valley verdursten. In den meisten anderen Staaten der EU sind nur Polizei, Militär und Justiz vom Streikrecht ausgenommen.

Ein Blick über die Grenze kann im Beamtenrecht von manchen Denkblockaden und altem Muff – zudem aus unseligen Zeiten – befreien.

Historischer Rückblick dank ZEIT: ÖTV Chef Kluncker und das Streikrecht für Beamte

Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte

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