Die Kasuistik zur disziplinarrechtlichen Maßnahme der Entfernung aus dem Dienst ist kaum überschaubar. Im Bereich der sog. Zugriffsdelikte spielt es in der Regel eine entscheidende Rolle, ob sich der Beamte auf sog. anerkannte Milderungsgründe berufen kann. Beispielhaft seien hier Konfliktsituationen beim Handeln in einer wirtschaftlichen Notlage, psychische Ausnahmesituationen oder Situationen besonderer Versuchung genannt. Gleichwohl gilt es selbst bei Vorliegen solcher Aspekte zu prüfen, ob die Persönlichkeitsstruktur des Beamten Besserung erwarten läßt, ein Vergehen freiwillig offenbart und den Schaden umgehend beseitigt wird. Das BVerwG hat sich in seinem Beschluß vom 3. Juli 2007 – BVerwG 2 B 8.07 – mit dem Fall eines Gerichtsvollziehers, der in Geldnöte geraten war, befaßt.

Er war nach Disziplinarklage zur Entfernung aus dem Dienst verurteilt worden. Nachdem das Urteil in der Berufung bestätigt wurde, blieb auch die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision erfolglos. Dem Beamten wurde zur Last gelegt, in einem Jahr drei dienstlich vereinnahmte Geldbeträge in einer Gesamthöhe von ca. 21.000,00 DM privat zweckentfremdet zu haben. Allerdings hatte der Beamte ungefähr 2/3 des Fehlbetrages bis zur Aufdeckung des Geschehens bereits zurückgeführt.

Der Dienstherr ging im Rahmen der nach § 13 Abs. 1 und 2 LDG BB vorgesehenen Gesamtwürdigung gleichwohl davon aus, daß kein sog. anerkannter Milderungsgrund vorlag. Insbesondere könne der Beamte sich nicht darauf berufen, daß die Veruntreuungen im Zusammenhang mit einer dienstlichen Überbeanspruchung stünden, da er seine Dienstgeschäfte im Tatzeitraum zeitnah erledigt hatte.

Im Rahmen der Berufung stellte das OVG fest, daß der Beamte das Geld veruntreut habe, um eine finanziell schwierige Situation im Zusammenhang mit seinem Hausbau zu überbrücken, in die er nicht unverschuldet geraten sei. Anzeichen einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit wegen der psychischen Konstitution des Beklagten im Tatzeitraum vermochte des OVG nicht auszumachen.

Das BVerwG beanstandete, daß der Beamte als Zulassungsgrund die grundsätzliche Bedeutung der Angelegenheit ansprach, in seiner Beschwerdebegründung aber darauf abstellte, daß die Entscheidung des OVG vor allem vom Urteil des BVerwG vom 20. Oktober 2005 – BVerwG 2 C 12.04 – abwich. In dieser Entscheidung habe das BVerwG die Regeln für die Bemessung einer Disziplinarmaßnahme nach dem dem § 13 LDG BB insoweit textgleichen § 13 BDG festgelegt, die das OVG nach Auffassung des Beamten mangels ausreichender Würdigung seines Persönlichkeitsbildes, der Beweggründe für die Tat, der beruflichen Belastung im Tatzeitraum und des Umstandes, daß kein Schaden zurückbleibe, mißachtet habe.

Der Senat weist in dem Beschluß darauf hin, daß der Beschwerdeführer den Unterschied zwischen dem Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde und der zugelassenen Revision verkenne. Der Zulassungsgrund der Divergenz nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO erfordere, daß in dem vorinstanzlichen Urteil ein bestimmbarer, das Urteil tragender Rechtssatz aufgestellt wird, mit dem das Gericht einem anderen, seitens des BVerwG in Anwendung derselben Vorschrift aufgestellten Rechtssatz widerspricht, weil es den Rechtssatz des BVerwG für falsch hält.

Das Urteil des OVG lasse aber nicht erkennen, daß es es die Maßstäbe, die das BVerwG in der o.a. Entscheidung aufgestellt habe, für falsch hält. Das Urteil enthalte Ausführungen zum Persönlichkeitsbild, zum Motiv, zur gesundheitlichen Konstitution und zum Ausmaß der durch das Fehlverhalten bewirkten Vertrauensbeeinträchtigung. Dem Beklagten ginge es damit an sich nur darum, daß das OVG bei Anlegung eines identischen Maßstabs nach der Sachverhalts- und Beweiswürdigung eine für ihn günstigere rechtliche Folgerung hätte ziehen müßen. Eine Aufklärungsrüge sei zudem als Zulassungsgrund weder bezeichnet noch begründet. Sie diene außerdem nicht dazu im Beschwerdeverfahren Sachverhaltsaufklärung nachzuholen, die u.a. wegen unterlassener Beweisanträge in den Tatsacheninstanzen unterblieben war.

Fundstelle: Beschluß des BVerwG vom 3. Juli 2007 – BVerwG 2 B 8.07 –

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Christian von Hopffgarten
Rechtsanwalt & Fachanwalt
für Arbeitsrecht
Rechtsanwälte Felser

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