Kein Wunder, dass Lidl sich so gegen Betriebsratswahlen sträubt, denn mit Betriebsrat wäre das nicht passiert. Womöglich hätte Lidl sich so negative Publicity erspart, denn welcher Kunde möchte schon gerne im O-Ton aufgezeichnet werden?

Die AiB Plus, eine Beilage der Fachzeitschrift für Betriebsräte „Arbeitsrecht im Betrieb„, hat das Thema schon letztes Jahr aufgenommen. Ein Auszug:

AiB Leser und Betriebsrat Dietmar Semmler fragt:

Lieber Kollege Felser, wir haben einen neuen Parkplatz bekommen, der an prägnanten Punkten (Schranken und Zugang ins Firmengelände) per Kamera überwacht werden soll.

Die Installation dieser Kamera ist doch mitbestimmungspflichtig oder liege ich falsch?

AiB Plus Experte Rechtsanwalt Michael W. Felser antwortet:

Das Thema Videoüberwachung wird ja in den Betrieben immer brisanter. Die Rechtsprechung hat sich bisher vor allem mit der Logistikbranche befasst, die Verluste bei wertvollen Gütern auf dem Transportwege beklagt; der Trend zur Zunahme von Videoüberwachung ist aber nicht zu verkennen.

Die Videoüberwachung im Betrieb ist – anders als die Überwachung durch Menschen wie undercover als „Kollegen“ eingeschleuste Detektive – nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG mitbestimmungspflichtig. Darüber besteht in der Rechtsprechung kein Streit.

Die Mitbestimmung soll sicherstellen, dass die Interessen des Arbeitgebers nicht einseitig durchgesetzt werden. Der Betriebsrat hat dabei in der Rolle des Wahrers der Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer. Die Arbeitsgerichte haben sich bislang nur zur Videoüberwachung am Arbeitsplatz geäußert; Entscheidungen zur Überwachung (nur) des Betriebsparkplatzes oder Betriebseingangs liegen nicht vor. Allerdings macht das grundsätzlich auch keinen Unterschied, denn jede Videoüberwachung greift in das Persönlichkeitsrecht der „Gefilmten“ ein, wie Entscheidungen der Zivilgerichte zur Videoüberwachung von Hauseingängen und –fluren zeigen. Voraussetzung für eine Videoüberwachung ist, dass der Arbeitgeber die Verletzung wichtiger Rechtsgüter als Argumente anführen kann und die Videoüberwachung geeignet und das mildeste Mittel ist, um diese Rechtsgüter zu schützen. So könnte eine Überwachung des Parkplatzes ein milderes Mittel gegenüber der Dauerüberwachung am Arbeitsplatz sein. Im Regelfall wird es aber immer noch mildere und genauso geeignete Mittel geben, um z.B. Diebstähle oder andere Straftaten (Belästigungen, Falschparken etc.) zu verhindern (z.B. durch einen dauerhaften oder zeitweisen Parkplatzwächter).

Das Bundesarbeitsgericht hat klargestellt, dass es keinen Unterschied macht, ob die Überwachung heimlich/verdeckt (BAG vom 27.03.2003 Aktenzeichen 2 AZR 51/02) oder offen/sichtbar (BAG vom 29.06.2004 Aktenzeichen 1 ABR 21/03) stattfindet.

Auch die Einigungsstelle darf eine schrankenlose oder unverhältnismäßige Videoüberwachung nicht beschließen. Der Betriebsrat kann einen solchen Spruch der Einigungsstelle anfechten; in der Praxis hatten solche Anträge nicht selten Erfolg.

Ob eine nicht vom Betriebsrat genehmigte Videoüberwachung zu einem Beweisverwertungsverbot z.B. in einem späteren Kündigungsschutzprozeß führt, ist umstritten; diese Frage hat das Bundesarbeitsgericht ausdrücklich offen gelassen (BAG vom 27.03.2003 Aktenzeichen 2 AZR 51/02).

Eine – ohne vorherige Erlaubnis des Betriebsrats – eingeführte oder im Einzelfall durchgeführte Videoüberwachung stellt aber eine rechtswidrige Beeinträchtigung der Persönlichkeitsrechte der betroffenen Mitarbeiter dar und löst Schmerzensgeldansprüche aus (so ArbG Frankfurt 26.09.2000 Aktenzeichen 18 Ca 4036/00: 1300 DM Schmerzensgeld).

Umgekehrt muss ein zu Recht und unter Beachtung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats einer Straftat überführter Mitarbeiter u.U. die Kosten der Videoüberwachung übernehmen (LAG Rheinland-Pfalz vom 10.05.2007 Aktenzeichen 11 Sa 167/07).

Volltext: videouberwachung_mitbestimmung_aib_plus_2007_08.pdf

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