Ja, auch bei Richtern, wie der Blawg “Recht und Alltag” von Folkert Janke unter Bezugnahme auf eine Pressemitteilung des Landessozialgerichts in Darmstadt berichtet. In einer Pressemitteilung vom heutigen Tag hat das Hessische Landessozialgericht (Aktenzeichen L 1 KR 138/06) mit nicht von der Hand zu weisender Begründung eine nicht nur geringfügige Nebentätigkeit eines Kollegen als “Lehrbeauftragter” (dazu dieser Blog bereits früher) als rentenversicherungspflichtige selbständige Tätigkeit angesehen (§ 2 Nr. 9 SGB VI). Allerdings widerspricht diese Sichtweise wohl der Ansicht des Landessozialgerichts im Ländle. So hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg (Urteil vom 30.06.2004 – L 11 KR 519/04) entschieden:

“Zur Begründung führte es aus, der Kläger beziehe den Hauptteil seiner Einkünfte aus der versicherungspflichtigen Tätigkeit als Arbeitnehmer. Daneben bestehe die selbständige Tätigkeit. Die Spitzenverbände der Sozialversicherung hätten das Wesentlichkeitsmerkmal in Abhängigkeit von den erzielten Brutto-Einkünften definiert. Danach liege die Schwelle der Wesentlichkeit bei fünf Sechstel der Einkünfte. Die Wesentlichkeit beziehe sich nicht nur auf die Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit. Vielmehr müssten die Erlöse aus der selbständigen Tätigkeit im Verhältnis zu den gesamten Einkünften, also auch den Einkünften aus dem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis, gesetzt werden. Der Regelung des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI liege der Gedanke zugrunde, dass der Personenkreis der arbeitnehmerähnlichen Selbständigen sich weniger durch Zugehörigkeit zu bestimmten Berufsgruppen als vielmehr durch typische Tätigkeitsmerkmale auszeichne. Diese neu definierten arbeitnehmerähnlichen Selbständigen seien nach Ansicht des Gesetzgebers nicht weniger schutzbedürftig als die in § 2 Nr. 1 bis 7 SGB VI erfassten Selbständigen. Deshalb habe sie der Gesetzgeber in die Rentenversicherungspflicht einbezogen. Übe der Selbständige neben seiner selbständigen Erwerbstätigkeit in nicht unwesentlichem Umfang jedoch eine versicherungspflichtige Beschäftigung aus, so sei er nicht mehr schutzbedürftig als ein selbständiger, der mehrere Auftraggeber habe. Er sei sozial abgesichert.”

Das LSG BW hat die Entscheidung bestätigt, ist also der Meinung, ebenso wie die erste Instanz, dass die Gesamteinkünfte massgeblich sind bei der Frage, ob die selbständige Nebentätigkeit rentenversicherungspflichtig sei.

Leider hat das Bundessozialgericht diese Frage bisher offengelassen, also nicht entschieden, dass bei der 5/6-Regelung die versicherungspflichtige Hauptberuf zugunsten des nebenberuflich Selbständigen zu beücksichten sei:

“Der Senat kann dabei offen lassen, ob die Beklagte, wie das Berufungsgericht meint, gegen § 2 Satz 1 Nr 9 SGB VI dadurch verstoßen hat, dass sie den Versicherungspflichttatbestand einschränkend ausgelegt und bei seiner Anwendung auf die selbstständige Tätigkeit des Klägers dessen im Hauptberuf ausgeübte abhängige Beschäftigung unberücksichtigt gelassen, dh bei der nach Nr 9 Buchst b der Vorschrift vorzunehmenden Prüfung der Wesentlichkeit der selbstständigen Tätigkeit nur für einen Auftraggeber die daraus erzielten Einnahmen nicht zu Grunde gelegt hat.”

Bundessozialgericht vom 24.11.2005 – B 12 KR 18/04 R

Ich bin mal gespannt, ob das Hessische Landessozialgericht in dieser Frage die Revision zugelassen hat.

Michael W. Felser
Rechtsanwalt
www.scheinselbstaendigkeit.de

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