Zu einem der aktuell interessanten Themen im Beamtenrecht gibt es Neuigkeiten: Die Frage, ob Resturlaub bei Beamten, die diesen wegen Dienstunfähigkeit nicht nehmen konnten, auch über die in den Erholungsurlaubsverordnungen genannten Zeitpunkt des Verfalls hinaus zu gewähren ist, ist seit der Entscheidung des OVG NW (im Eilverfahren vom 21.09.2009 Aktenzeichen 6 B 1236/09) kaum noch umstritten, während die Frage, ob ein Beamter auch Urlaubsabgeltung verlangen kann, wenn er den Urlaub wegen Ausscheiden aus dem Dienst gar nicht mehr nehmen kann, noch immer nicht höchstrichterlich geklärt ist.

Zur Frage, ob die Urteile des EuGH, Urteil vom 20.01.2009 – RS 350/06 und 520/06, die einen entsprechenden Urlaubsabgeltungsanspruch vorsehen, überhaupt auf Beamte übertragbar ist, werden – wenn wundert dies – unterschiedliche Ansichten vertreten:Verdi vertritt mit guten Gründen in einem Gutachten die Ansicht, dass das Beamte auch als „Arbeitnehmer“ im Sinne der EU-Richtlinie anzusehen sind und Urlaubsabgeltung beanspruchen können.

Die Gerichte haben sich naturgemäß noch nicht höchstrichterlich seit der erst im Januar 2009 ergangenen Entscheidung des EuGH mit dieser Frage befassen können und – wie nicht anders zu erwarten – auch unterschiedlich entschieden.

So hat das VG Ansbach – noch in Unkenntnis der Entscheidung des EuGH – einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung für Beamte mangels Rechtsgrundlage abgelehnt (VG Ansbach vom 15.02.2006 Aktenzeichen AN 11 K 05.03817).

Auch das Verwaltungsgericht Koblenz war nach dem Urteil des EuGH der Meinung, ein Beamter könne anders als ein Arbeitnehmer keine finanzielle Abgeltung für Resturlaubstage verlangen, wenn er krankheitsbedingt vor seiner Versetzung in den Ruhestand seinen Urlaub nicht nehmen konnte (VG Koblenz, Urteil vom 21.07.2009 – Aktenzeichen 6 K 1253/08.KO). Das Urteil des EuGH zum Anspruch eines Arbeitnehmers auf Zahlung eines Urlaubsentgeltes sei auf das Beamtenverhältnis nicht übertragbar. Das VG Hannover (vom 15.10.2009 Aktenzeichen 13 A 2003/09) hat sich dem angeschlossen und zwar unter ausdrücklicher Ablehnung der Gleichsetzung von Beamten und Arbeitnehmern, was ich für kaum vertretbar halte. Der EuGH hat bekanntlich schon verschiedentlich verdeutlicht, dass der deutsche Beamtenstatus keine Besonderheiten rechtfertige.

Das VG Gelsenkirchen (Urteil vom 04.08.2009 Aktenzeichen 1 L 667/09) hat einem Polizeibeamten allerdings ebenfalls die Urlaubsabgeltung zugesprochen.

Das Oberverwaltungsgericht in Münster (Urteil vom 21.09.2009 Aktenzeichen:    6 B 1236/09) hat jedenfalls für die Beamten in NRW ein Machtwort gesprochen und gesagt: „Erholungsurlaub ist in den Fällen, in denen ein Beamter krankheitsbedingt an der Inanspruchnahme des Urlaubs gehindert war, auch über den in § 8 Abs. 2 Satz 1 Erholungsurlaubsverordnung (EUV NW 1993) festgelegten Zeitpunkt hinaus zu gewähren (im Anschluss an EuGH, Urteil vom 20. Januar 2009 – C-350/06 und C-520/06 – ÄSchultz-HoffÜ, NJW 2009, 495). Damit ist die Frage, ob auch Urlaubsabgeltung beansprucht werden kann, nach Ansicht z.B. des Innenministeriums in Hannover noch nicht entschieden, die zwar die Übertragbarkeit gestattet, aber den Abgeltungsanspruch nach wie vor – aus meiner Sicht inkonsequent – ablehnt.

Das Arbeitsgericht Wuppertal hat am 19.11.2009 – es liegt bisher nur eine Pressemitteilung vor – dem Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 234 EGV die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob DO-Angestellte auch als Arbeitnehmer im Sinne der Urlaubsrichtlinie anzusehen sind und Urlaubsabgeltung beanspruchen können. Grund der Vorlage: Dann könnten auch langzeiterkrankte Dienstordnungsangestellte, die den Urlaub wegen Krankheit nicht nehmen konnten, Urlaubsabgeltung verlangen. Seit EuGH vom 20.01.2009 RS C-350/06 gilt das jedenfalls für Arbeitnehmer. Die Frage ist auch für Beamte interessant, weil Dienstordnungsangestellte zwar vor dem Arbeitsgericht klagen, aber rechtlich ansonsten nach Beamtenrecht behandelt werden. Es ist daher nicht in wenigen Monaten, aber doch schneller als beim Ausschöpfen des verwaltungsgerichtlichen Rechtsweges, mit einer Klärung durch den EuGH zu rechnen.

Nach meiner bereits früh vertretenen Ansicht ist das Urteil des EuGH vom 20.1.2009 trotz mangelhafter Umsetzung in nationales Recht auch auf Beamte übertragbar. EU-Richtlinien wie die dem EuGH-Urteil zugrundeliegende Urlaubsrichtlinie/Arbeitszeitrichtlinie gelten nämlich auch bei fehlender oder mangelhafter Umsetzung durch den jeweiligen Mitgliedsstaat für dessen Verwaltungen und Einrichtungen unmittelbar (man erinnere dazu die Diskussionen zum Bereitschaftsdienst – bald Bereitschaftszeit). Für Beamte gelten daher die Regelungen der Urlaubsrichtlinie unmittelbar in der Form der Auslegung durch den EuGH. Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88 sieht eine Abgeltungsregelung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor. Beamte sind nach h.M. auch Arbeitnehmer im Sinne der Richtlinie. Es ist daher kein Grund ersichtlich, warum eine Urlaubsabgeltung mit dem Grundsätzen des Beamtentums und dem Alimentationsprinzip unvereinbar sein sollte. Immerhin hat auch das Bundesarbeitsgericht immer damit argumentiert, dass der Urlaub kein „Vermögenswert“ sei, sondern der Erholung diene.

Es ist unwahrscheinlich, dass der EuGH sich vom Alimentationsprinzip abhalten lassen wird, dem Beamten einen Gegenwert für seinen verlorenen Urlaub zuzusprechen.

Wir werden sehen …

Michael W. Felser
Rechtsanwalt

Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte
„Recht ist unsere Kunst, Kunst ist unsere Leidenschaft (c)“
Businesscenter Uhlstrasse 19 – 23
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