Morgen (…Schland ./. Serbien, 13:30 Uhr) steht der erste Test dafür an, ob es auch in Betrieben ein Sommermärchen gibt, also ob der Interessengegensatz zwischen Arbeit und Kapital wenigstens ein einem Tag bei der WM überwunden werden kann. Radio geht angeblich nicht, Live Ticker geht nicht, halbe Urlaubstage gehen auch nicht. Das behaupten in der Öffentlichkeit immer wieder möglicherweise Kricket-spielende Kollegen, für die Fussball ein schweißtreibender Sport für die Massen ist. Manche Stellungnahme erinnert auch ein bisschen an die piefigen „Rasen betreten verboten“ Schilder der 50er Jahre. Oder Volkserziehung nach dem Motto: „Ruhe bewahren“. Allerdings decken sich die vermeintlich strengen Gewißheiten über die Arbeitnehmerrechte am Arbeitsplatz, die dort verbreitet werden, keinesfalls mit der Rechtslage. Behauptet wird z.B., man könne nur ganze Urlaubstage nehmen (z.B. der Beauftragte der Anwaltauskunft des DAV). Zum Glück kann man im Arbeitsrecht nicht über alles streiten. Richtig ist: Es können ohne Probleme halbe Urlaubstage genauso wie ganze Tage genommen werden, nur nicht für den gesetzlichen Mindesturlaub, also vier der meist 6 Wochen. Das bedeutet, dass fast  jeder Arbeitnehmer am Freitag für das Spiel „Deutschland gegen Serbien“ Urlaub nehmen könnte. Jedenfalls kann er es, auch kurzfristig, beantragen und hat einen grundsätzlichen Rechtsanspruch darauf. Verweigert werden kann der Urlaub nur, wenn betriebliche Gründe entgegenstehen. Können sich in Betrieben mit Betriebsrat Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht einigen, muß die Sache dem Betriebsrat vorgelegt werden. Im Zweifel entscheidet die Einigungsstelle. Aus praktischer Sicht stehen Massenanträgen am für Urlaub am Freitag allerdings die Anträge der Kollegen entgegen und die Tatsache, dass der Betrieb laufen muß, wenn der Chef es nicht anders will. Und daß in Betrieben nicht alles nach Gesetz läuft, weiß jeder, der sich täglich damit beschäftigt. Aber dass ist nicht die Aufgabe einer Rechtsauskunft, jedenfalls nicht in der Öffentlichkeit. Und an diesem Punkt sollte man Deutschlands fließige Fussballfans nicht unterschätzen. Nicht die Arbeitnehmer müssen an diesem Punkt „erzogen“ werden, sondern allenfalls einige hemdsärmelige Unternehmer, die nur ihre eigenen vermeintlichen Rechte kennen, aber nicht die ihrer Beschäftigten.  2/3 der Arbeitgeber sind laut Hamburger Abendblatt klüger als die Anwälte: Sie erlauben ihren Arbeitnehmern die WM am Arbeitsplatz. Dem Drittel spaßfreier Arbeitgeber sollte man aber nicht auch noch falsche Informationen servieren und sie in ihrem Irrtum bestärken. Man kann nur hoffen, dass die Anwaltsauskunft ansonsten richtige Rechtsauskünfte gibt.

Und an die strengen Kollegen: Locker bleiben. Die Anwaltschaft verdient ein liberaleres Image. Heutzutage kann man auch konservativ, liberal und links zugleich sein. Und sowohl Fussball als auch Golf spielen.

Arbeitsschonende Live Streams bieten übrigens ARD, ZDF und RTL an. Sky bietet – für seine Kunden – ein Apps für das I-Phone an. Mehr Infos bei Heise.
Allen Arbeitgeber und Arbeitnehmern am Freitag viel Spaß und der deutschen Mannschaft viel Erfolg wünscht

Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte
Autor der Fachbeiträge „Vorsicht Abseitsfalle“WM und Arbeitsrecht | AiB 2006, 204-207
und “Fussball WM und Arbeitnehmerrechte“I AiB 2010 Heft 4.
Sonderseiten zur Weltmeisterschaft
Interviewzitate auf Spiegel Online

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