Wo die VIPs am liebsten urlauben, wollen nicht Wenige wissen. Und so schicken Bunte & Co. ihre Paparazzi an die Strände der Antilleninsel Saint Barthélemy oder in die Einkaufspassagen von St. Moritz. Die Veröffentlichung solcher “Urlaubsfotos” will der Bundesgerichtshof (BGH) in Zukunft allerdings nur noch akzeptieren, wenn die Berichterstattung mehr befriedigt als die bloße Neugier und Sensationslust (Urteil v. 06.03.2007, Az.: u.a. 51/06). Wie schon der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) das allgemeine Interesse an der fotografischen Begleitung eines Strandurlaubs oder einer Fahrradtour vermisst hat. So fehlte es nun auch den Karlsruher Richtern an einem Beitrag zu einer “Debatte von Sachgehalt”, wenn die Yellow Press bloß zeigt, wer wann und wo einkaufen geht oder welche Skipiste von diesem oder jenem Prominenten benutzt wird. Damit verneinte der BGH die Frage, ob die Öffentlichkeit grundsätzlich wissen “muss”, was auch bekannte Persönlichkeiten in ihrem Privatleben tun und verhalf erneut Caroline von Hannover zu einem Erfolg über die deutsche Sensations- und Skandalpresse.

Allein, ein Blick in die aktuellen VIP-News verrät, dass die Worte der Karlsruher Richter scheinbar ungehört verhallt sind. Nicht nur die streitbare Prinzessin und ihr Ehemann Ernst August werden sich wohl auch in Zukunft über exklusive Fotos aus ihrem “geheimen Liebesurlaub” ärgern müssen. Davor hätte sie nur eine eindeutigere höchstrichterliche Neubestimmung des Verhältnisses von Privatsphäre und Pressefreiheit bewahren können.

Der BGH zweifelte nicht daran, dass auch die Unterhaltungspresse zur Wahrnehmung ihrer meinungsbildenden Aufgaben nach publizistischen Kriterien selbst entscheiden dürfe, was sie des öffentlichen Interesses für wert halte. Zudem anerkannten die Richter ganz im Sinne der Grundsätze von den Personen der Zeitgeschichte den Informationswert einer Berichterstattung, der sich gerade aus dem großen Bekanntheitsgrad einer Person ergeben könne.

Doch bewegen sich solche Persönlichkeiten, die das Interesse der Öffentlichkeit wegen ihrer herausgehobenen gesellschaftlichen Stellung auf sich ziehen, ganz privat unter Menschen, will der BGH in Zukunft die Frage beantwortet sehen, ob die Information auch einen über die Befriedigung von Neugier und Sensationslust hinausgehenden zeitgeschichtlichen Wert hat. Mit Blick auf die schlechthin konstituierende Bedeutung der Meinungs- und Pressefreiheit für das Funktionieren einer demokratischen Ordnung halten die Richter allerdings ein weites Verständnis für geboten und suchen den Informationswert auch in der zugehörigen Wortberichterstattung.

Für die entschiedenen Fälle führte das dazu, dass nur diejenigen Fotos, die das Verhalten der Abgebildeten aus Anlass der Erkrankung des damals regierenden Fürsten von Monaco zeigten, zulässig waren. Objektiv keinen Informationswert vermochte man in Karlsruhe der (Bild-)berichterstattung über einen Wintersportaufenthalt in St. Moritz und die Vermietung einer Villa zu entnehmen.

Der Bundesgerichtshof wollte, so scheint es, daran erinnern, dass die grundgesetzlich verbürgten weitreichenden Freiheiten den Medien nicht um ihrer selbst Willen gewährt werden, sondern ihre Funktion als “Ermittler” von Fehlentwicklungen und als Raumgeber für gesellschaftliche Debatten unterstrichen sollen. Diesen Anspruch an die Presse hätten die Richter allerdings ausdrücklicher formulieren müssen, um dem Dauerkonflikt zwischen den am Schutz ihrer Privatsphäre interessierten Prominenten einerseits sowie den Verlagen andererseits ein Ende zu bereiten. Letztere werden im Zweifel für einen wie auch immer gearteten Informationswert votieren, und auch den Instanzgerichten dürfte die Bestimmung, wann denn nun berichtet werden darf, im Einzelnen schwer fallen.

Was ist der Information wert?

Von besonderem Stellenwert für die gewünschte Debatte mit Sachgehalt sind zweifellos Informationen, die der Bevölkerung im Hinblick auf Wahlen dienen. Eine Beschränkung nur auf politikbegleitende Berichterstattung würde allerdings der medienalltäglichen Unterhaltungsöffentlichkeit nicht gerecht werden. Danach sind auch Informationen aus den Bereichen Kultur, Sport und allgemeiner Unterhaltung vom Informationsinteresse der Öffentlichkeit gedeckt. Nur der umfassend informierte Staatsbürger ist in der Lage, sich ein eigenes Urteil zu bilden und in der vom Grundgesetz beabsichtigten Weise am demokratischen Prozess teilzunehmen. Prominente prägen Wertvorstellungen und Lebensentwürfe, dienen mithin dem Einzelnen nicht selten als Orientierungshilfe für sein eigenes Leben. Ein Informationsinteresse ist insoweit auch nicht auszuschließen, wenn sich der Prominente auf die eine oder andere Art und Weise im privaten Alltag bewegt.

Von vornherein unzulässig können nur Bilder sein, die zur Bloßstellung des Abgebildeten führen oder die aus der Intimsphäre stammen. Letztere ist absolut geschützt, es besteht ein grundsätzliches Verbot ungenehmigter Veröffentlichungen über den körperlichen Sexualbereich oder intime Gespräche. Betrifft das Informationsinteresse der Allgemeinheit demgegenüber nicht diese absoluten Tabuzonen, ist es mit den berechtigten Interessen abzuwägen, § 23 Abs. 2 Kunst- und Urhebergesetz.

Entgegenstehendes Urteil des Verfassungsgerichts

Fraglich ist zudem, ob sich die Neudefinition des Privatsphärenschutzes jetzt auch durch den BGH mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verträgt. Danach verlässt die Privatsphäre mit der Person den häuslichen Bereich, wenn diese sich in eine örtliche Abgeschiedenheit zurückgezogen hat, erkennbar alleine sein will und sich im Vertrauen auf Abgeschiedenheit so verhält, wie es in der breiten Öffentlichkeit gewöhnlich nicht zu erwarten ist. Die Wahrnehmung durch eine begrenzte Öffentlichkeit etwa in einem Restaurant ändert daran nichts. Schließlich mache es einen großen Unterschied, ob jemand lediglich von den zufällig anwesenden Personen seiner Umgebung gesehen und beobachtet werden könne oder ob in einer solchen Situation Fotografien von ihm hergestellt würden zu dem Zweck, diese zu verbreiten, betonten die Verfassungsrichter stets.

Sie verweigerten sich allerdings – wie es nach dem EGMR nun auch der BGH getan hat – der Ausweitung der Privatsphäre über die Orte örtlicher Abgeschiedenheit hinaus, wenn Prominente auf von der breiten Öffentlichkeit aufgesuchten Plätzen unterwegs waren, also wenn sie ohnehin von einem unbegrenzten Personenkreis wahrgenommen werden können.

Spannend wird sein, ob auch das Bundesverfassungsgericht – dann wohl auf Anrufung durch einen Verlag – die Privatsphäre in Zukunft mehr vom Informationswert für die Öffentlichkeit her bestimmen wird oder sich unter Umständen nicht nur gegen die Erwägungen des EGMR, sondern auch des benachbarten Bundesgerichtshof in Karlsruhe stellt.

Dass sich die vom BGH angestellte Neudefinition des Verhältnisses zwischen Privatsphäre und Pressefreiheit allerdings bereits in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wiederfindet, soll in Kürze an dieser Stelle aufgezeigt werden.

Thomas Hellwege

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