Betriebliches Eingliederungsmanagement

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Betriebliches Eingliederungsmanagement - BEM

Rechtsgrundlage (Gesetzestext) Betriebliches Eingliederungsmanagement - BEM

§ 84 SGB IX: Betriebliches Eingliederungsmanagement (amtlicher Gesetzestext)[1]

Urteile zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement - BEM

Das betriebliche Eingliederungsmanagement dient nicht nur dazu, andere krankheitsgerechte Arbeitsplätze zu suchen und zu finden, sondern auch dazu, das Arbeitsumfeld so zu gestalten, dass der Prozess der Stabilisierung unterstützt wird und weitere Erkrankungen aus dem psychischen Formenkreis dauerhaft vermieden werden (LAG Köln vom 26.10.2009 Aktenzeichen 2 Sa 292/09.

Eine nicht zutreffende Information des Personalrats über die Krankheitszeiten führt dazu, dass die Kündigung als insgesamt ohne Personalratsanhörung zu werten ist und damit unwirksam ausgesprochen wurde (LAG Köln vom 26.10.2009 Aktenzeichen 2 Sa 292/09).

Mitbestimmung des Betriebsrats oder Personalrats beim BEM

Jedenfalls das "wie" des betrieblichen Eingliederungsmanagements gemäß § 84 Abs 2 SGB 9 unterliegt dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs 1 Nr 1 BetrVG - Ordnung des Betriebs. das "Ob" ist dagegen abschließend gesetzlich geregelt(LAG Berlin-Brandenburg vom 23.09.2010 Aktenzeichen 25 TaBV 1155/10).Die Einigungsstelle nach § 76 BetrVG ist für Verhandlungen über den Abschluss einer Betriebsvereinbarung mit dem Regelungsgegenstand "Einführung und Ausgestaltung des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM - § 84 Abs. 2 SGB IX)" jedenfalls nicht offensichtlich unzuständig (LAG Düsseldorf vom 29.09.2009 Aktenzeichen 17 TaBV 107/09). Hierfür ist der Konzerbetriebsrat nicht zuständig (LAG Hamm vom 18.12.2009 Aktenzeichen 13 TaBV 52/09). Im Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht (vom 18.08.2009 Aktenzeichen 1 ABR 45/08) kam es leider zu keiner inhaltlichen Entscheidung, weil der Betriebsrat "ganz pauschal und umfassend die Feststellung eines Mitbestimmungsrechts bei der "Durchführung des BEM gemäß § 84 Abs 2 SGB IX" begehrt" hatte und das Bundesarbeitsgericht dies für zu unbestimmt hielt. Die Mehrzahl der Landesarbeitsgerichte bejaht wohl ein Mitbestimmungsrecht beim BEM, im Schrifttum ist das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts aus § 87 Abs. 1 Nr. 1, 7 BetrVG noch streitig.

Für die Mitbestimmung des Personalrats sind die entsprechenden Beteiligungstatbestände des Bundespersonalvertretungsgesetzes bzw. der Landespersonalvertretungsgesetze zu beachten.

Öffentliche Arbeitgeber sind jedoch nicht verpflichtet, dem Personalrat Antwortschreiben von Beschäftigten, die der Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements nicht oder nur ohne Beteiligung des Personalrats zugestimmt haben, zur Kenntnis zu geben (BVerwG vom 23.06.2010 Aktenzeichen: 6 P 8.09, Volltext:[2]).

"Der Personalrat wacht darüber, dass der Arbeitgeber die ihm nach § 84 Abs. 2 SGB X obliegenden Verpflichtungen bei der Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements erfüllt. Der Personalrat kann die ihm zugewiesene Überwachungsaufgabe nur erfüllen, wenn er über die erforderlichen Informationen verfügt. In § 68 Abs. 2 BPersVG ist dazu ergänzend bestimmt, dass die Personalvertretung zur Durchführung ihrer Aufgaben rechtzeitig und umfassend zu unterrichten ist. Die dafür erforderlichen Unterlagen sind vorzulegen. Die vom Antragsteller beanspruchte namentliche Nennung der längerfristig Erkrankten ist eine für die Durchführung der Aufgaben der Personalvertretung erforderliche Informationen, die nicht verwehrt werden darf.

Das Verfahren des betrieblichen Eingliederungsmanagements nach § 84 Abs. 2 SGB IX gliedert sich in mehrere Phasen. Der Arbeitgeber setzt das betriebliche Eingliederungsmanagement in Gang, indem die Beschäftigten bestimmt, die für einen Klärungsprozess nach § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX in Frage kommen. Diese werden gem. § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX über die Ziele unterrichtet und auf die Möglichkeiten des Eingliederungsmanagements hingewiesen (Hinweisphase). Erst wenn der Beschäftigte seine Zustimmung zur Durchführung des Eingliederungsmanagements erklärt hat, beginnt in einer zweiten Phase der Klärungsprozess, wie die Arbeitsunfähigkeit überwunden und einer erneuten Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt werden kann. Das Hinweisschreiben nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX ist somit dem Klärungsprozess nach Abs. 2 Satz 1 SGB IX zeitlich vorgelagert (BVerwG, B. v. 23.06.2010 - 6 P 8/09 -, Die Personalvertretung 2010, 454 Rdnr. 39; BayVGH, B. v. 30.04.2009 - 17 P 08.3389 -, juris, Rdnr. 24).

Die Beteiligung der zuständigen Personalvertretung ist erst in der zweiten Phase, nämlich in der Klärungsphase, im Gesetz erwähnt. Nach § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX klärt der Arbeitgeber nämlich mit der zuständigen Interessenvertretung und mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person die Möglichkeiten zur Überwindung der Arbeitsunfähigkeit oder zur Vorbeugung. Ob aus der Erwähnung der zuständigen Interessenvertretung, hier des Personalrats, erst in dieser zweiten Phase der Schluss gezogen werden kann, dass auch in der vorgelagerten Hinweisphase eine Beteiligung des Personalrats nicht oder nur mit Zustimmung des Betroffenen möglich ist, wird unterschiedlich beantwortet (einerseits LAG München, B. v. 24.11.2010 - 11 TaBV 48/10 - , juris; ArbG Bonn, B. v. 16.06.2010 - 5 BV 20/10 -, juris; andererseits BayVGH, B. v. 30.04.2009, - 17 P 08.3389 -, juris; VG Köln, B. v. 02.11.2009 - 34 K 181/09 -, juris; VG Ansbach, B. v. 05.04.2011 - AN 8 P 11.00347 -, juris; weitere Nachweise bei BVerwG, aaO. Rdnr. 48 und bei Baßlsperger, "Beteiligung des Personalrats beim Betrieblichen Eingliederungsmanagements, PersV 2010, 450).

Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden(B. v. 23.06.2010 - 6 P 8/09 - PersV 2010, 454) , dass die Weitergabe des Hinweisschreibens der Dienststelle ohne Zustimmung des Betroffenen nicht gegen § 84 Abs. 2 SGB IX verstoße. Die Weitergabe des Hinweisschreiben mit Namensnennung steht nicht im Widerspruch zum Personalvertretungsrecht oder dem SGB IX. Zu einer umfassenden Auseinandersetzung mit dem wiedergegebenen Meinungsstand, ob damit das Persönlichkeitsrecht der erkrankten Mitarbeiter verletzt sein kann, sah das BVerwG wegen der insoweit rechtskräftigen Entscheidung der Vorinstanz keine Veranlassung. Wenn das Bundesverwaltungsgericht gegen die Annahme des VG Bedenken gehabt hätte, hätte es über die nicht mehr streitige Nennung des Namens hinaus nicht noch die Weitergabe zusätzlicher Daten gerechtfertigt.

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist eine deutliche Stärkung der Rechte der Interessenvertretung (Daniels, Neues zum betrieblichen Eingliederungsmanagement, Der Personalrat 2010, 428). Es ist geklärt, dass die Personalvertretung Anspruch auf Mitteilung von Namen und Anschrift der erkrankten Beschäftigten hat (Baßlsperger, aaO, 452). Gegen die Nennung des Namens der erkrankten Beschäftigten bestehen danach keine Bedenken (a. A. VG Ansbach, B v. 05.04.2011, AN 8 P 11.00347, juris).

Der Personalrat hat ein gesetzlich geschütztes Interesse, nicht nur die Zahl der erkrankten Mitarbeiter, sondern auch deren Namen zu erfahren. Insbesondere kann sich etwa ergeben, dass in bestimmten Abteilungen oder Organisationseinheiten vermehrt langfristige Krankheitsfälle auftreten. Der Personalrat kann dann im Zusammenwirken mit der Dienststelle nach Lösungsmöglichkeiten suchen oder Ursachenforschung betreiben. Die Namen der Betroffenen sind für die Durchführung der Überwachung nach § 84 Abs. 2 Satz 7 erforderlich, weil die Zahl der Betroffenen dem Personalrat lediglich eine Übersicht vermittelt, ob und in welchem Umfang ein betriebliches Eingliederungsmanagement betrieben wird. Erst durch die Benennung der Beschäftigten kann er sich ein Bild darüber verschaffen, ob alle betroffenen Beschäftigten tatsächlich informiert werden (vgl. BVerwG, a.a.O. Rdnr. 43).

Außerdem sind die Namen der Langzeitkranken für das Initiativrecht des Personalrats nach § 84 Abs. 2 Satz 6 SGB IX erforderlich. Danach kann die zuständige Interessenvertretung die Klärung nach § 84 Abs. 2 Satz 1 verlangen. Das kann nur wirksam durchgesetzt werden, wenn die in Betracht kommenden erkrankten Personen namentlich bekannt sind. Eine lediglich listenmäßige anonymisierte Aufstellung reicht dazu nicht.

Unzumutbare Eingriffe in Persönlichkeitsrechte der Betroffenen hat eine auf das erforderliche Maß beschränkte Information des Personalrats nicht zur Folge. Die Dienststelle ist nämlich gehalten, den Inhalt des Anschreibens an die erkrankten Beschäftigten auf wesentliche Gesichtspunkte zu begrenzen, die für die ordnungsgemäße Belehrung nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX unumgänglich sind (BVerwG, a.a.O. Rdnr. 52). Mit dieser Beschränkung des Hinweisschreibens auf das Ausreichende, aber auch Erforderliche wird der Konflikt zwischen dem Interesse des Betroffenen, dass möglichst wenige von seiner Erkrankung wissen sollen, und dem Interesse der Personalvertretung, umfassend über die Durchführung des Eingliederungsmanagements unterrichtet zu werden, aufgelöst."

so das VG Oldenburg vom 03.05.2011 Aktenzeichen 8 A 2967/10, Volltext [3]

Seminar / Schulung zum Thema Betriebliches Eingliederungsmanagement

Rechtsanwälte und Fachanwälte Felser bieten Seminare und Schulungen für Betriebsrat und Personalrat zum Thema "Informationsrechte, Überwachungsrechte und Mitbestimmungsrechte beim Betrieblichen Eingliederungsmanagement" an. Teilnehmer müssen für eine eintägige Schulung mit einem Seminarbeitrag von 250 Euro zzgl. Mwst. rechnen. Es ist eine Kostenübernahmeerklärung des Arbeitgebers / der Dienststelle erforderlich. Auskünfte und aktuelle Seminartermine unter 02232/945040-14.

Buchtipp zum Thema Betriebliches Eingliederungsmanagement

Regine Roman | Betriebliches Eingliederungsmanagement: Betriebs- und Dienstvereinbarungen der Hans-Böckler-Stiftung. Analyse und Handlungsempfehlungen | Bund Verlag | ISBN: 978-3-7663-6071-7 | 1. Auflage 2011, 87 Seiten mit CD-ROM | 12,90 € inkl. MwSt.

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Buchtitel zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement beim Bund-Verlag[5]

Fachbeitrag zum Thema Betriebliches Eingliederungsmanagement

Lohn- und GehaltsPROFI aktuell Ausgabe 02/2012 (28.1.2012): Arbeitsrecht: Kennen Sie Ihre Pflichten nach dem Betrieblichen Eingliederungsmanagement? Ein Beitrag von Chefredakteur Lutz Schumann mit Interviewzitaten von Rechtsanwalt Michael W. Felser [6]

Interviews

(1) Lohn- und GehaltsPROFI aktuell Ausgabe 02/2012 (28.1.2012): Arbeitsrecht: Kennen Sie Ihre Pflichten nach dem Betrieblichen Eingliederungsmanagement? Ein Beitrag von Chefredakteur Lutz Schumann mit Interviewzitaten von Rechtsanwalt Michael W. Felser [7]

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Weblinks

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Autor

Michael W. Felser ist der im Thema "Betriebliches Eingliederungsmanagemen" erfahrene Rechtsanwalt in der Kanzlei Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte Köln/Brühl [8] und Betreiber des Portals "Juracity - Recht für Alle!". Er hat zahlreiche Arbeitnehmer und Führungskräfte sachkundig vor und im "Betrieblichen Eingliederungsmanagement" beraten und vertreten. Betriebsräte berät er als Sachverständiger bei Betriebsvereinbarungen zum Thema "Betriebliches Eingliederungsmanagement". Referenzen auf Anfrage.