Scheinselbständigkeit: Unterschied zwischen den Versionen

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(Arbeitnehmerähnlicher Selbständiger)
(Statusfeststellungsverfahren - Pro und Contra)
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Immer wieder liest man, ein Statusfeststellungsverfahren werde empfohlen. Offenbar liegt diesen unbedingten Empfehlungen die Rechtslage vor 2003 zugrunde. Vor 2003 belohnte die Deutsche Rentenversicherung ein Statusfeststellungsverfahren mit einer großzügigen Amnestie. Seit 2003 ist allerdings Vorsicht bei einer leichtfertigen Einleitung eines Statusfeststellungsverfahrens ohne vorherige qualifizierte Beratung geboten. Die Tendenz bei der DRV, eine abhängige Beschäftigung und damit Sozialversicherungspflicht anzunehmen, ist groß. Wer diese Rechtsfolge nicht wünscht, weil er glaubt, er sei "wirklich" selbständig (ein verbreiteter Irrtum), der sollte sich in jedem Fall vor Antragstellung wegen der sozialversicherungsrechtlichen Folgen beraten lassen.
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Andererseits sollte eine derartige Beratung so früh wie möglich erfolgen.
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Die auch heute noch mögliche "kleine" Amnestie gibt es nämlich nur dann, wenn das Statusfeststellungsverfahren im ersten Monat nach Aufnahme der Tätigkeit beantragt wird.
  
 
== '''Scheinselbständigkeit - Folgen''' ==
 
== '''Scheinselbständigkeit - Folgen''' ==

Version vom 18. Juni 2013, 19:36 Uhr

Scheinselbständigkeit - Begriff

Scheinselbständigkeit ist zunächst einmal ein politischer Begriff. Die Diskussion um die Scheinselbständigkeit, z.B. der Kurierfahrer, führte aber 1999 zum Gesetz zur Förderung der Selbständigkeit vom 20. Dezember 1999 mit dem erstmals ein Kriterienkatalog mit vier Kriterien zur Abgrenzung sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung und echter (sozialversicherungsfreier) Selbständigkeit eingeführt wurde. Dieser war aber von Anfang an umstritten. Insbesondere die Verleger sorgten für medialen Aufruhr, so dass eine Kommision unter Vorsitz des Präsidenten des Bundesarbeitsgerichts a.D. Dieterich eingesetzt wurde. Die Diskussion führte zur Erweiterung des Kriterienkatalogs auf fünf Kriterien.

Neu war vor allem eine Beweislasterleichterung für die Sozialversicherungsträger, die bei Ermittlungen bis 1999 meist vor einer einvernehmlichen Mauer des Schweigens standen, weil beide Beteiligte, Auftraggeber wie Auftragnehmer, kein Interesse an einer Sozialversicherungspflichtigkeit der Tätigkeit hatten. Der Kriterienkatalog führte dazu, dass das Gesetz bei Erfüllen von zwei bzw. später drei Kriterien eine (widerlegliche) Vermutung für eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung regelte, die die Beteiligten gegenüber den Sozialversicherungsträgern entkräften mussten.

Scheinselbständigkeit - Amnestie

Als Gegenleistung sah das Gesetz ursprüngliche eine Amnestie vor für diejenigen, die fristgerecht (innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit) eine Statusfeststellung beantragten. Erst nach rechtskräftigem Abschluss dieses Verfahrens enstand die Beitragspflicht. Die Amnestie führte bei kurzzeitigen Aufträgen zu Missbrauch dieser Möglichkeit nicht nur im Medienbereich, so dass der Gesetzgeber die Amnestie wieder abschaffte. Heute (Stand 2013) besteht nur noch ein eingeschränktes "Bonbon" für die Durchführung des Statusfeststellungsverfahrens. Wer dieses fristgerecht (wie bisher einen Monat nach Tätigkeitsaufnahme) einleitet, muss die Beiträge erst zahlen, wenn am Ende des Verfahrens (ggf. nach Revision beim Bundessozialgericht) die Beitragspflicht feststeht. Voraussetzung ist aber, daß der Beschäftigte dem

1. zustimmt und

2. er für den Zeitraum zwischen Aufnahme der Beschäftigung und der Entscheidung eine Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit und zur Altersvorsorge vorgenommen hat, die der Art nach den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht.

Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag wird dann erst zu dem Zeitpunkt fällig, zu dem die Entscheidung, dass eine Beschäftigung vorliegt, unanfechtbar geworden ist.

Scheinselbständiger, arbeitnehmerähnlicher Selbständiger oder Selbständiger?

Selbständige sind nicht sozialversicherungspflichtig (aber: Künstlersozialversicherung), Scheinselbständige in allen Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtig und arbeitnehmerähnliche Selbständige nur in der Rentenversicherung versicherungspflichtig.

Die Begriffe "Scheinselbständiger" und "arbeitnehmerähnlicher Selbständiger werden leider, häufig auch von Steuerberatern und Rechtsanwälten, im gleichen Sinne verstanden bzw. missinterpretiert. So hört und liest man oft, auch im Internet und Papiermedien, dass man scheinselbständig sei, wenn man mehr als 5/6 mit einem Auftraggeber umsetzt. Wenn man mehrere Auftraggeber habe, sei man echter Selbständiger. Diese Regelung (5/6 Regelung) fand sich zwar im Kriterienkatalog des § 7 SGB IV, der allerdings schon 2003 abgeschafft wurde. Tatsächlich spielt diese Frage nur noch bei der arbeitnehmerähnlichen Selbständigkeit nach § 2 Nr. 9 SGB VI eine Rolle, nicht aber bei der Abgrenzung der Scheinselbständigkeit.

Selbst wenn mehrere Auftraggeber vorhanden sind, kommt es darauf an, wie jedes dieser Auftragsverhältnisse zu beurteilen ist. Auch eine "BfA-Befreiung" gibt es daher nicht. Hat die Clearingstelle (DRV) im Statusfeststellungsverfahren festgestellt, dass eine bestimmte Tätigkeit "selbständig" und damit sozialversicherungsfrei ist, bedeutet das nicht, dass dies auch für weitere Aufträge oder andere Auftraggeber gilt. Die Wirkung besteht nur für den geprüften Auftrag bzw. Auftragstyp und/oder einen bestimmten Auftraggeber. Jede Änderung in den Aufträgen kann dazu führen, dass die bisher sozialversicherungsfreie Tätigkeit sozialversicherungspflichtig wird.

Arbeitnehmerähnlicher Selbständiger

Als arbeitnehmerähnlicher Selbständiger werden Selbständige bezeichnet, die aufgrund wirtschaftlicher Abhängigkeit von einem Auftraggeber der Rentenversicherungspflicht unterworfen werden.Es handelt sich um sogenannte "Ein-Personen-Unternehmer" oder "Solo-Selbständige".

Geregelt ist dies in § 2 Nr. 9 SGB VI:

§ 2 SGB VI Selbständig Tätige

Versicherungspflichtig sind selbständig tätige

(...)

9. Personen, die

a)im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen und b)auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind; bei Gesellschaftern gelten als Auftraggeber die Auftraggeber der Gesellschaft.

Die beiden Kriterien, nämlich

1. auf Dauer UND im wesentlichen nur ein Auftraggeber 2. keine eigenen sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer

sind für Betriebsprüfer Leckerbissen, weil leicht festzustellen.

Rechtsfolge:

Die arbeitnehmerähnlichen Selbständigen sind von Beginn ihrer Selbständigkeit an rentenversicherungspflichtig und müssen (selbst) den gesamten Rentenversicherungsbeitrag (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil, zur Zeit ca. 22 %) abführen. Anders als bei der Scheinselbständigkeit haftet hier der Selbständige selbst für rückständige Beiträge und nicht der Auftraggeber.

Die meisten arbeitnehmerähnlichen Selbständigen wissen nichts von ihrer Rentenversicherungspflichtigkeit und werden daher oftmals böse von einem entsprechenden Bescheid der Deutschen Rentenversicherung überrascht. Insbesondere die Steuerberater von arbeitnehmerähnlichen Selbständigen übersehen dies häufig, was zur Haftung des Steuerberaters bei einer Nachentrichtung von Beiträgen führen kann. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs trifft den Steuerberater, der die beiden Kriterien im Regelfall leicht erkennen könnte, eine Haftung, wenn er seinen Mandanten nicht oder nicht rechtzeitig auf die Rentenversicherungspflicht hinweist oder einen spezialisierten Anwalt empfiehlt.

Jedenfalls während der Existenzgründungsphase lässt sich die Rentenversicherungspflicht leicht vermeiden. Das Sozialversicherungsrecht sieht nämlich in den ersten drei Jahren nach Tätigkeitsaufnahme eine Befreiung von der Rentenversicherung vor. Der arbeitnehmerähnliche Selbständige wird dann als Existenzgründer von der Rentenversicherung befreit. Voraussetzung für die Befreiung ist allerdings ein entsprechender (rechtzeitiger) Antrag. Rückwirkend kann / sollte dieser Antrag nicht mehr gestellt werden.

Wichtig: auch arbeitnehmerähnliche Selbständige haben im Regelfall nach § 2 BUrlG Anspruch auf den gesetzlichen (bezahlten) Mindesturlaub (20 Tage jährlich).

§ 2 BUrlG Geltungsbereich

Arbeitnehmer im Sinne des Gesetzes sind Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Als Arbeitnehmer gelten auch Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind; für den Bereich der Heimarbeit gilt § 12.

Voraussetzung für bezahlten Urlaub ist, dass der Urlaub auch beantragt wird. Kann dies nachgewiesen werden, kann das dafür fällige Urlaubsgeld bis zur Verjährung (drei Jahre) nachgefordert werden. Häufig scheitern solche Nachforderungen aber daran dass die arbeitnehmerähnlichen Selbständigen keinen Urlaubsantrag gestellt haben oder diesen nicht nachweisen können.

rentenversicherungspflichtiger Selbständiger

Der Begriff "rentenversicherungsrechtlicher Selbständiger" wurde nach einer Gesetzesänderung zum "arbeitnehmerähnlicher Selbständiger". Beide Begriffe sind daher gleichbedeutend, der Begriff "rentenversicherungspflichtiger Selbständiger" trifft die Folgen der Einordnung genauer. Wer "arbeitnehmerähnlicher Selbständiger" im Sinne des § 2 Nr. 9 SGB VI ist, wird nämlich rentenversicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung.

Selbständiger

Freiberufler

Scheinselbständigkeit - Rechtsgrundlagen

Kriterienkatalog und Beweislast

Vor 1999 lag die Beweislast für eine Sozialversicherungspflicht bei den Sozialversicherungsträgern. In der turnusmäßigen Betriebsprüfung, bei Sonderprüfungen, Ermittlungen von Zoll und Staatsanwaltschaft mussten diese beweisen, dass die selbständige Tätigkeit in Wirklichkeit sozialversicherungspflichtig ist. Auch Auftragnehmer, die vor dem Arbeitsgericht das Vorliegen der Arbeitnehmereigenschaft feststellen lassen wollten, trugen die volle Darlegungs- und Beweislast. Allerdings traf im Sozialversicherungsrecht auch die anderen Beteiligten, also Auftraggeber und Auftragnehmer, eine Mitwirkungspflicht. Trotzdem gelang es Sozialversicherungsträgern nicht oft, einen Missbrauch der selbständigen Tätigkeit nachzuweisen. Nur wenn ein Selbständiger selbst nicht mehr mit der Selbständigkeit zufrieden war und mitwirkte, waren den Ermittlungen Erfolge beschert.

§ 7 SGB IV Beschäftigung

(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.

Erst 1999 wurde in § 7 Abs. 4 SGB IV ein Kritierienkatalog mit vier Kriterien ins Sozialgesetzbuch IV eingefügt, mit dem die Beweislast gravierend verändert wurde.

§ 7 SGB IV Beschäftigung

(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.

(...)

(4) Bei Personen, die erwerbsmäßig tätig sind und

1. im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit mit Ausnahme von Familienangehörigen keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen, 2. regelmäßig und im wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind, 3. für Beschäftigte typische Arbeitsleistungen erbringen, insbesondere Weisungen des Auftraggebers unterliegen und in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers eingegliedert sind, oder 4. nicht aufgrund unternehmerischer Tätigkeit am Markt auftreten,

wird vermutet, daß sie gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, wenn mindestens zwei der genannten Merkmale vorliegen. Satz 1 gilt nicht für Handelsvertreter, die im wesentlichen frei ihre Tätigkeit gestalten und über ihre Arbeitszeit bestimmen können. Familienangehörige im Sinne des Satzes 1 Nr. 1 sind

1. der Ehegatte sowie 2. Verwandte bis zum zweiten Grade, 3. Verschwägerte bis zum zweiten Grade, 4. Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 2 des Ersten Buches) des Versicherten oder seines Ehegatten.

Ab 1.4.1999 bis 31.12.2000 wurde § 7 Abs. 4 SGB IV nach Kritik geändert; es wurde ein weiteres Kriterium eingefügt, so dass nunmehr fünf Kriterien maßgeblich waren. Bei Vorliegen von drei (von fünf) Kriterien wurde "Scheinselbständigkeit" vermutet. Ausserdem wurden die Familienangehörigen wegen grundrechtlichen Bedenken (Schutz von Familie und Ehe, Art. 6 GG) gestrichen, so dass auch Familienangehörige als Arbeitnehmer beschäftigt werden können und bei der Frage der Scheinselbständigkeit berücksichtigt werden müssen:

§ 7 Beschäftigung

(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

(...)

(4) Bei einer erwerbsmäßig tätigen Person, die ihre Mitwirkungspflichten nach § 206 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch oder nach § 196 Abs. 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch nicht erfüllt, wird vermutet, dass sie beschäftigt ist, wenn mindestens drei der folgenden fünf Merkmale vorliegen:

1. Die Person beschäftigt im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer, dessen Arbeitsentgelt aus diesem Beschäftigungsverhältnis regelmäßig im Monat 630 Deutsche Mark übersteigt; 2. sie ist auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig; 3. ihr Auftraggeber oder ein vergleichbarer Auftraggeber lässt entsprechende Tätigkeiten regelmäßig durch von ihm beschäftigte Arbeitnehmer verrichten; 4. ihre Tätigkeit lässt typische Merkmale unternehmerischen Handelns nicht erkennen; 5. ihre Tätigkeit entspricht dem äußeren Erscheinungsbild nach der Tätigkeit, die sie für denselben Auftraggeber zuvor auf Grund eines Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt hatte.

Satz 1 gilt nicht für Handelsvertreter, die im Wesentlichen frei ihre Tätigkeit gestalten und über ihre Arbeitszeit bestimmen können. Die Vermutung kann widerlegt werden.

Auftraggeber gelten als Arbeitgeber.

Bis heute hält sich allerdings hartnäckig das Gerücht, dass Familienangehörige nicht zu berücksichtigen seien.

Ab 1.1.2003 wurde der Kriterienkatalog ersatzlos gestrichen. Die ursprüngliche Beweislast (wie vor 1999) wurde damit wiederhergestellt. lediglich eine Ausnahme wurde in § 7 Abs. 4 SGB IV noch geregelt:

§ 7 Beschäftigung

(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

(...)

(4) Für Personen, die für eine selbständige Tätigkeit einen Zuschuss nach § 421l des Dritten Buches beantragen, wird widerlegbar vermutet, dass sie in dieser Tätigkeit als Selbständige tätig sind. Für die Dauer des Bezugs dieses Zuschusses gelten diese Personen als selbständig Tätige.

Seit 2003 gilt daher wieder, dass die Sozialversicherungsträger die volle Beweislast für das Vorliegen einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung tragen. Allerdings treffen Auftraggeber und Auftragnehmer eine Mitwirkungspflicht bei der Aufklärung.

Scheinselbständigkeit, Clearingsstelle der DRV und Statusfeststellungsverfahren

Statusfeststellungsverfahren - Pro und Contra

Immer wieder liest man, ein Statusfeststellungsverfahren werde empfohlen. Offenbar liegt diesen unbedingten Empfehlungen die Rechtslage vor 2003 zugrunde. Vor 2003 belohnte die Deutsche Rentenversicherung ein Statusfeststellungsverfahren mit einer großzügigen Amnestie. Seit 2003 ist allerdings Vorsicht bei einer leichtfertigen Einleitung eines Statusfeststellungsverfahrens ohne vorherige qualifizierte Beratung geboten. Die Tendenz bei der DRV, eine abhängige Beschäftigung und damit Sozialversicherungspflicht anzunehmen, ist groß. Wer diese Rechtsfolge nicht wünscht, weil er glaubt, er sei "wirklich" selbständig (ein verbreiteter Irrtum), der sollte sich in jedem Fall vor Antragstellung wegen der sozialversicherungsrechtlichen Folgen beraten lassen.

Andererseits sollte eine derartige Beratung so früh wie möglich erfolgen.

Die auch heute noch mögliche "kleine" Amnestie gibt es nämlich nur dann, wenn das Statusfeststellungsverfahren im ersten Monat nach Aufnahme der Tätigkeit beantragt wird.

Scheinselbständigkeit - Folgen

Sozialversicherungsrechtliche Folgen

Steuerrechtliche Folgen

Arbeitsrechtliche Folgen

Arbeitsrechtliche Rückabwicklung

Fristen

Scheinselbständigkeit - Rechtsprechung (Urteile)

IT-Berater bzw. Consultant


Krankenhausarzt bzw. Honorararzt

Die ärztliche Tätigkeit in einem Krankenhaus kann jedenfalls von einem nicht niedergelassenen Arzt aus rechtlichen Gründen auch nur als abhängige Beschäftigung ausgeübt werden (LSG Baden-Württemberg vom 17.04.2013 Aktenzeichen L 5 R 3755/11).

Ein in einem Krankenhaus oder einer Rehabilitationsklinik auf Stundenbasis in Vollzeit als Honorararzt freiberuflich selbstständig tätiger ärztlicher Psychotherapeuten ist bei regulärer Einbindung in den fremdbestimmten Klinikalltag unter Zugrundelegung des Behandlungskonzeptes der Klinik sowie ihres konkreten Behandlungsplanes bzw. Versorgungsauftrages sozialversicherungspflichtig (SG Kassel vom 20.02.2013 Aktenzeichen S 12 KR 69/12).

Scheinselbständigkeit - spezialisierter Rechtsanwalt, Rentenberater oder Steuerberater?

Steuerberater sollten aus verschiedenen Gründen nicht zu diesem Thema beraten und erst recht nicht Mandanten vertreten. Steuerberater sind keine Rechtsanwälte. Das Thema "Scheinselbständigkeit" beschränkt sich nicht auf steuerrechtliche Fragen, sondern ist primär ein sozialversicherungsrechtliches Thema mit komplexen arbeitsrechtlichen und steuerrechtlichen Fragestellungen. Für Auftraggeber stellen sich auch nicht ganz selten strafrechtliche Fragestellungen und Probleme der Arbeitsvermittlung und Arbeitnehmerüberlassung.

Schon bei der grundlegenden Statusfrage, der Entscheidung des richtigen Vorgehens und erst recht der Rückabwicklung sind alle Rechtsgebiete, Risiken und Folgen zusammen zu betrachten. In der anwaltlichen Praxis finden sich häufig Fälle, bei denen bei frühzeitig richtiger Beratung große Schäden bis hin zur Insolvenz und Privatinsolvenz hätten vermieden werden können. Oftmals übersehen Steuerberater eine Scheinselbständigkeit oder arbeitnehmerähnliche Selbständigkeit ihrer Mandanten, obwohl diese vor dem Hintergrund der Tätigkeit, Rechnungen, Umsatz und Auftraggeber auf der Hand liegt.

Der Bundesgerichtshof empfiehlt daher auch:

"Es spricht viel dafür, daß der Steuerberater, der bei der Prüfung einer Beitragspflicht oder bei der Berechnung der Höhe der abzuführenden Beiträge auf Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art stößt oder dem sich die Rechtslage als unklar darstellt, den sich stellenden sozialversicherungsrechtlichen Fragen nicht selbst nachgehen darf, sondern seinem Mandanten anheimgeben muß, einen mit den notwendigen Erfahrungen ausgestatteten Rechtsanwalt aufzusuchen.”

Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.02.2004 – IX ZR 246/02, JURIS

Rentenberater sind ebensowenig in der Lage, die Steuerrecht, Arbeitsrecht und Sozialversicherungsrecht - häufig sogar das Strafrecht - übergreifende komplexe Problematik strategisch zu überschauen und entsprechend zu beraten.

Das Tätigkeitsfeld des Rentenberaters umfasst laut der Berufsdefinition in § 10 Abs. 1 Ziffer 2 Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) vorrangig alle sozialrechtlichen Sachgebiete, die einen Bezug zu rentenrechtlichen Fragen aufweisen. Die Frage der Scheinselbständigkeit berührt aber selbst im Sozialrecht nicht nur rentenrechtliche Fragen, sondern alle Sozialversicherungszweige.

Beiden Berufsgruppen fehlt zudem die bei Anwälten regelmäßig vorhandene prozessuale Erfahrung, die bei dem Scheitern aussergerichtlicher Bemühungen von erheblichem Vorteil ist.

Alle Rechtsgebiete müssen bei Überlegungen des Beraters berücksichtigt werden. Ein böses Erwachen kann es geben, wenn nur das Steuerrecht oder nur das Sozialversicherungsrecht berücksichtigt wird. Denn bei gleicher Tätigkeit kann es unterschiedliche Bewertungen geben (Auszug aus einem Urteil eines Landessozialgerichts):

"Unerheblich für die Gesamtbewertung ist, ob die Einkünfte von den zuständigen Finanzämtern als Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit oder Einkommen aus nichtselbstständiger Arbeit behandelt wurden oder zu behandeln waren. Denn es besteht zwischen arbeits- und sozialrechtlicher Einordnung von Einkünften einerseits und steuerrechtlicher andererseits ebenso wenig eine Bindung wie umgekehrt (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BSG, Urteil vom 28.08.1961 3 RK 57/57, BSGE 15, 65, und juris; Seewald in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 74. Ergänzungslieferung 2012, Rn. 9 mwN; BFH, Beschluss vom 17.10.2003 V B 80/03, BFH/NV 2004, 379, und juris, mwN)."

Eine gute Beratung setzt daher voraus, dass die Tätigkeit in allen Rechtsgebieten untersucht wird. Sonst droht der umsatzsteuerpflichtige Arbeitnehmer.

Einen Fachanwalt für Scheinselbständigkeit gibt es leider nicht (allerdings einen Fachanwalt für Agrarrecht!). Auf Scheinselbständigkeit und arbeitnehmerähnliche Selbständigkeit spezialisierte Anwälte gibt es bundesweit auch nicht zahlreich. Grund ist, dass das Thema häufig "mitgemacht" wird in Steuerberatungs- und Anwaltskanzleien. Häufig versuchen auch diejenigen, die das Kind in den Brunnen haben fallen lassen, dieses selbst wieder herauszuholen. Das geht selten gut. Das kann wie jüngst in einem Fall einer IT-Beratung dazu führen, dass eine Revision vor dem Bundessozialgericht gegen ein sicher nicht überzeugendes Urteil eines Landessozialgerichts mit einer ohrfeigenähnlichen Begründung zurückgewiesen wird. Nur wenige Kanzleien haben genügend Erfahrung (fragen Sie nach Fallzahlen und Erfahrungen) mit Mandaten, die das ganze Spektrum, also Steuerrecht, Sozialversicherungsrecht, Arbeitsrecht und Strafrecht sowie die Tätigkeit gegenüber Zoll, DRV, Krankenkassen, Betriebsprüfern, Staatsanwaltschaft aufweisen. Gute Hilfe leisten Empfehlungen von Freiberuflern in Portalen, die nur Mitgliedern offenstehen und deren Bewertungen daher glaubwürdig und nicht "gekauft" sind.

Scheinselbständigkeit - Checklisten

Eine Checkliste für "Scheinselbständigkeit" ist ein praktisch uneinlösbares Versprechen, also Marketing. Wir wollen es trotzdem am Ende einmal versuchen.

Die Abgrenzung von einer selbständigen zu einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit ist kompliziert und erfolgt häufig sehr berufsgruppenspezifisch durch die Gerichte. Ob jemand selbständig ist oder nicht, entscheiden Sozialgerichte, Finanzgerichte und Arbeitsgerichte, aber auch Strafgerichte sehr eigenständig. Im Extremfall kann es also vorkommen, dass das Bundessozialgericht einen vermeintlich Selbständigen als sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten ansieht, der Bundesfinanzhof dagegen als Unternehmer und das Arbeitsgericht - na das können Sie sich jetzt aussuchen.

Das Sozialgesetzbuch hat es so formuliert:

Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

Der Einschub "insbesondere in einem Arbeitsverhältnis" zeigt bereits, dass es einen Gleichlauf der Art "Sozialversicherungspflichtig = Arbeitnehmer" nicht gibt.

Zwei wesentliche Merkmale weist eine abhängige Beschäftigung auf:

(1) Weisungsabhängigkeit

(2) Eingliederung in die Arbeitsorganisation (nicht: Betrieb)des Weisungsgebers

Selbständige sind also weisungsfrei und nicht in eine Arbeitsorganisation eines Auftraggebers eingegliedert.

Die Sozialgerichte definieren die Abgrenzung wie folgt:

Die Beschäftigung wird in § 7 SGB IV gesetzlich näher definiert. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Arbeitnehmer ist hiernach, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Erforderlich ist insbesondere eine Eingliederung in den Betrieb und die Unterordnung unter ein Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung umfassendes Weisungsrecht des Arbeitgebers (BSGE 38, 53, 57 = SozR 4600 § 56 Nr. 1; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr. 1; BSG, Urteil vom 24.01.2007 - B 12 KR 31/06 R -, veröffentlicht in Juris). Demgegenüber ist die selbständige Tätigkeit in erster Linie durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (siehe zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung Bundesverfassungsgericht <BVerfG>, Kammerbeschluss vom 20.05.1996 - 1 BvR 21/96 - = SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung.

Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG, Urteile vom 08.08.1990 - 11 RAr 77/89 - und vom 08.12.1994 - 11 RAr 49/94 - jeweils veröffentlicht in Juris). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen (BSG, Urteile vom 01.12.1977 - 12/3/12 RK 39/74 -; vom 04.06.1998 - B 12 KR 5/97 R -; vom 10.08.2000 - B 12 KR 21/98 R - jeweils m.w.N. veröffentlicht in Juris).

Maßgeblich ist also nicht die vertragliche Ausgestaltung (wer einen guten Anwalt hat, wird hier schon alles richtig machen), sondern die tatsächliche Durchführung. Prägnant formuliert: Wer einen Selbständigen beschäftigen will, darf ihn auch nicht wie einen Arbeitnehmer behandeln.

Scheinselbständigkeit - Aktuelles (2011/2012/2013)

Die Deutsche Rentenversicherung

Interviews

(1) Verbraucherportal Biallo vom 05.12.2011: Selbstständig im Nebenberuf - Tipps und Fallstricke. Ein Beitrag von Rolf Winkel mit Interviewzitaten Rechtsanwalt Felser [1]

(2) Lohn und GehaltsPROFI aktuell 2/2011: Sonderausgabe Scheinselbständigkeit: Verstärkte Prüfungen [2]. Beiträge von Chefredakteur Lutz Schumann und Rechtsanwalt Michael W. Felser.

(3) Allgemeine Hotel- und Gastronomie-Zeitung (AHGZ) 2008/40 (Seite 15): Selbständig oder nur zum Schein. Urteil zur Selbstständigkeit verunsichert das Gastgewerbe. Aber Vorsicht: „Die Feststellung ist keineswegs rechtskräftig“, warnt Michael W. Felser, Rechtsanwalt aus Brühl. Ein Beitrag von Norbert Sass mit Interview von Rechtsanwalt Felser. [3]

(4) „BKK Zollern-Alb Business“ Heft 2 2002 (Seite 6/7): Scheinselbständigkeit - programmierter Ruin. Ein Beitrag von Jürgen Ponath mit Interview Rechtsanwalt Felser.[4]

(5) Financial Times Deutschland vom 27.6.2000: "Rentenkasse versperrt Selbstständigen die Flucht. Für Selbstständige in Deutschland wird es schwerer, sich der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu entziehen." Ein Beitrag von Margarethe Heckel mit Zitaten aus einem Interview mit Rechtsanwalt Felser [5]

Weblinks

Das große Portal zum Thema "Scheinselbständigkeit" (seit 1998) [[6]]

Deutsche Rentenversicherung Bund (Berlin) mit Informationen zum Thema Statusfeststellungsverfahren und den Formularen [7]

Autor

Michael W. Felser ist der auf das Thema "Statusfeststellungsverfahren" spezialisierte Rechtsanwalt in der Kanzlei Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte Köln/Brühl [8] und Betreiber des Portals "Scheinselbstaendigkeit.de" [9]. Er hat zahlreiche Selbständige und Unternehmen sachkundig und engagiert durch das Statusfeststellungsverfahren begleitet, bundesweit Verfahren vor Sozialgerichten geführt und einige Kinder wieder aus dem Brunnen geholt. Referenzen auf Anfrage.