Neben Strafanzeigen gegen Mehdorn und anderen Bahnvorstände, die wohl eher Ausdruck der Ohnmacht und Verärgerung von Bahnkunden über die seit Juli andauernden Bahnstreiks sind, haben einige Bahnkunden Schadensersatzklagen gegen die Bahn angekündigt. Ermuntert dazu werden sie u.a. von dem bekannten Reiserechtler Fuehrer, der sogar in Einzelfällen zu Strafanzeigen wegen Freiheitsberaubung rät. Die klagenden Bahnkunden verlangen Schadensersatz wegen Entgeltkürzungen, die ihr Arbeitgeber bei streikbedingtem Zuspätkommen vorgenommen hat. Nach dem Grundsatz „Kein Lohn ohne Arbeit“ trägt der Arbeitnehmer das Wegerisiko, auch bei einem Streik. Und grundsätzlich haftet ein Unternehmen auch für bestimmte Folgeschäden (z.B. verpasster Flug), wenn es seine Leistungen nicht erbringen kann, z.B. weil Mitarbeiter krankheitsbedingt ausfallen. Jedes Unternehmen haftet auch grundsätzlich für seine Mitarbeiter (Erfüllungsgehilfen), das Krankenhaus z.B. für seine Ärzte. Tatsächlich gibt es auch Instanzurteile, die bei streikbedingten Ausfällen Schadensersatz von Kunden stattgeben, vor allem im Reiserecht, dort vor allem bei Pauschalreisen.

Die Verbraucherzentralen geben den Schadensersatzklagen gegen die Bahn gleichwohl keine Chance. Die Bahn ist nämlich kein Unternehmen wie jedes andere, sondern hat sich in der EVO (Eisenbahnverkehrsordnung) und den Beförderungsbedingungen (BB) einen Freibrief geben lassen. Diese Vorschriften gehen dem für alle geltenden Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) vor. Streik ist nach EVO und BB „höhere Gewalt“ und kann daher die Bahn nicht zu Schadensersatz verpflichten. Sagt jedenfalls die Bahn. Die Rechtslage ist – wie fast immer beim Bahnstreik – umstritten. Am Ende, Jahre nach den entsprechenden Vorfällen und wenn´s (jedenfalls von den Nichtbetroffenen) keinen mehr interessiert, entscheiden die höchsten Gerichte.

Jeder Bahnkunde muss aber – selbst wenn man einen Schadensersatzanspruch grundsätzlich für denkbar hält – nachweisen, dass ihn kein Mitverschulden trifft. Wurde der Streik angekündigt und man hat die Bahn trotzdem genommen, nach dem Motto: „wird schon gutgehen“, haftet man letztlich selbst.

Die Rechtslage ist übrigens in Frankreich ähnlich, der Bahnstreik ist nach Meinung der französischen Gerichte „höhere Gewalt“. Dort regt sich aber kein Bahnkunde darüber auf, weil viel öfter gestreikt wird und jeder deswegen auch mal öfter selber streikt. Da wären Schadensersatzklagen in der Tat etwas widersprüchlich.

Und mal ganz ehrlich: Haben Sie schon mal anteilig die Abogebührer ihrer Zeitung gekürzt weil die Zeitung streikbedingt dünner ausgefallen ist?
Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte

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