Hitzefrei
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Hitzefrei für Arbeitnehmer
Wenn Sie sachliche Informationen zum Thema "Arbeitsplatztemperatur", Arbeitsschutz und Arbeitnehmerrechte" zum Thema "Hitzefrei für Arbeitnehmer" suchen, dann sind Sie hier richtig (Stand Juni 2015)
Häufig wird geschrieben, einen Anspruch auf "Hitzfrei" im Job gäbe es anders als an Schulen nicht, was sogar stimmt. Es stimmt aber nur insofern, weil bei "Hitzefrei" an Schulen die Außentemperatur der Maßstab ist und alle frei bekommen. Im Arbeitsschutzrecht ist aber nicht die Außentemperatur maßgeblich, sondern die jeweilige Arbeitsplatztemperatur bzw. Arbeitsraumtemperatur entscheidet, ob man dort weiterarbeiten muss oder nicht. Hitzefrei für alle Arbeitnehmer bei bspw. 30 Grad im Sommer gibt es also schon deswegen nicht, weil ja mancher im klimatisierten Büro arbeitet.
Aus der Aussage; ein "Hitzefrei" gäbe es im Arbeitsrecht nicht, wird dann aber irrigerweise gerne der Schluss gezogen, ein Arbeitnehmer müsse bei jeder Temperatur im Büro weiterarbeiten; auch über 35 Grad hinaus. Das liest man sogar auf Seiten der Arbeitsschützer. Dort steht dann sinngemäß, der Arbeitgeber "könne" Maßnahmen zur Linderung der Hitze ergreifen (z.B. auf den Seiten des Hamburger Arbeitsschutzes). Das ist, um das hier mal ganz deutlich zu sagen, juristischer Blödsinn und eine gefährliche Verharmlosung der gesundheitlichen Gefahren von Hitze am Arbeitsplatz. Hier können Sie sich über Hitzetote in verschiedenen Jahren informieren, zB bei heute.de Hitzewelle macht Arbeiten unmöglich oder hier Sterbefälle wegen Hitze nehmen zu. Dabei ist zu beachten, dass in Unternehmen nicht nur Olympiasieger arbeiten, sondern auch Arbeitnehmer mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen (Herz- Kreislauferkrankungen), ältere Mitarbeiter oder Schwangere. Es würde ausserdem - weiter so konsequent vorbei gedacht - bedeuten, dass man auch bei 80 Grad am Arbeitsplatz weiterarbeiten müsste. Hobbyköche wissen, dass man auch bei Temperaturen unter 60 Grad nur lange genug garen muss, dann wird das Fleisch schön zart.
Natürlich darf jeder die Arbeit verweigern, wenn ihm schlecht wird vor Hitze. Niemand ist gezwungen, für den Arbeitgeber seine Gesundheit aufs Spiel zu setzen. Das sieht auch die Rechtsprechung so. Am besten sucht man in diesen Fällen den Arzt auf und lässt sich krankschreiben.
Falsch ist auch, wenn geschrieben wird, bei der - inzwischen allerdings überholten - Hitzerichtlinie ASR 6,1 handele es sich um eine "unverbindliche" Sollvorschrift. Sollvorschriften sind, wie der Name schon sagt, niemals unverbindlich, die Richtlinie ASR 6.1 erst recht nicht, da sie die Ausnahmen genau definiert. "Du sollst nicht töten" ist schließlich auch kein unverbindliches Gebot.
Unzutreffend ist auch, die Richtlinie betreffe nur die Hitze, die von Geräten erzeugt wird. Der durch die Richtlinie geschützten Gesundheit des Arbeitnehmers, die der Arbeitgeber nach § 618 BGB zu schützen hat, ist es egal, wodurch die Hitze erzeugt wird, ob durch Sommer, Computer, Dönerspieß oder Hochofen. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, gesundheitlich zuträgliche Temperaturen zu gewährleisten oder die Aufheizung des Arbeitnehmers durch angemessene Pausen zu verhinden. Das bestätigen inzwischen mehrere rechtskräftige Urteile.
Die Rechtslage ist inzwischen durch die am 23.6.2010 in Kraft getretene Arbeitsstättenregel ASR A3.5 etwas verständlicher geregelt. Die ASR A 3.5 regelt vergleichbar einer Ampel vier Stufen:
- bis 26 Grad Arbeitsraumtemperatur (grün) - zwischen 26 und 30 Grad (gelb) - über 30 bis 35 Grad (gelb-rot) - über 35 Grad Aussentemperatur (rot)
Dort ist ohne wenn und aber festgelegt, dass Arbeitsräume mit Temperaturen über 35 Grad nicht mehr als Arbeitsraum genutzt werden dürfen oder nur noch mit Schutzkleidung, Duschen und regelmäßigen Abkühlungspausen wie bei Hitzearbeitsplätzen (z.B. in einer Gießerei). Ab 26 Grad am Arbeitsplatz "soll" der Arbeitgeber Maßnahmen ergreifen, ab 30 Grad am Arbeitsplatz "muss" er.
Maßnahmen können sein: Klimageräte, Trinkwasserspender,Arbeitszeitverlegung, Lockerung des Dresscodes, etc. Die ASR sieht einen Vorrang von technisch-organisatorischen Maßnahmen vor personenbezogenen Maßnahmen vor.
Auch eine "Sollvorgabe" (ab 26 Grad) ist nicht unverbindlich, wie nicht zuletzt die Bibel zeigt ("Du sollst nicht töten"). Eine gesetzliche Sollvorschrift führt zu einer Prüfungspflicht und einer notwendigen Ermessensausübung. Arbeitgebern ist zu empfehlen, eine solche Prüfung sowie die angedachten und ergriffenen Maßnahmen aus Haftungsgründen schriftlich zu dokumentieren. Wenn ein Arbeitnehmer wegen Hitze einen Herzinfarkt erleidet, kann das nicht nur zu Schadensersatzansprüchen führen.
Hitzefrei im Job - Arbeitsstättenregel ASR 3.5
Die Arbeitsstättenregel ASR 3.5 - grundllegend 2010 geändert - regelt verbindliche Arbeitgeberpflichten bei Hitze am Arbeitsplatz. Nach einer Ampelregelung ist ab 35 Grad (gemessen am Arbeitsplatz) die Nutzung des Arbeitsplatzes nicht mehr zulässig. Ab 26 Grad soll der Arbeitgeber hitzemildernde Maßnahmen ergreifen, ab 30 Grad muss er den Arbeitnehmer vor der Hitze schützen. Ein Arbeitsplatz mit 35 Grad und mehr (am Arbeitsplatz gemessen) darf nicht mehr benutzt werden.
Entscheidungen aus dem Zeitraum vor 2010 sind für die Rechtslage wegen der Neuregelung nicht mehr maßgeblich.
Volltext der ASR 3.5 [1]
Ein Verstoß gegen die Vorgaben der ASR 3.5 stellt eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit bis zu 5000 Euro Bußgeld geahndet werden kann.
Werden die Vorschriften bewusst missachtet und damit vorsätzlich das Leben oder die Gesundheit seiner Mitarbeiter in Gefahr gebracht, droht auch eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe.
Hitze am Arbeitsplatz - Aufgabe des Betriebsrats
Der Betriebsrat hat darüber zu wachen (Pflichtaufgabe nach § 80 BetrVG), daß die arbeitnehmerschützenden Rechtsvorschriften eingehalten werden, wozu auch § 618 BGB, Arbeitsschutzgesetz und die Arbeitschutzrichtlinien bzw. Arbeitsstättenregeln (ASR 3.5) gehören.
§ 80 Allgemeine Aufgaben
(1) Der Betriebsrat hat folgende allgemeine Aufgaben:
1. darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden; 2. Maßnahmen, die dem Betrieb und der Belegschaft dienen, beim Arbeitgeber zu beantragen; (...) 9. Maßnahmen des Arbeitsschutzes und des betrieblichen Umweltschutzes zu fördern.
Nach § 87 BetrVG hat der Betriebsrat beim Gesundheitsschutz mitzubestimmen und sogar ein Initiativrecht, d.h. er kann von sich aus Regelungen einfordern und ggf. durch eine Einigungsstelle durchsetzen.
§ 87 BetrVG Mitbestimmungsrechte
(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:
(...) 7. Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;
(...)
(2) Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.
Ausserdem gehört die Untersuchung der Hitzebelastung am Arbeitsplatz auch zu einer sorgfältigen Gefährdungsanalyse [2]
§ 5 Arbeitsschutzgesetz - ArbSchG Beurteilung der Arbeitsbedingungen
(1) Der Arbeitgeber hat durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind.
(2) Der Arbeitgeber hat die Beurteilung je nach Art der Tätigkeiten vorzunehmen. Bei gleichartigen Arbeitsbedingungen ist die Beurteilung eines Arbeitsplatzes oder einer Tätigkeit ausreichend.
(3) Eine Gefährdung kann sich insbesondere ergeben durch
1. die Gestaltung und die Einrichtung der Arbeitsstätte und des Arbeitsplatzes,
2. physikalische, chemische und biologische Einwirkungen,
3. die Gestaltung, die Auswahl und den Einsatz von Arbeitsmitteln, insbesondere von Arbeitsstoffen, Maschinen, Geräten und Anlagen sowie den Umgang damit,
4. die Gestaltung von Arbeits- und Fertigungsverfahren, Arbeitsabläufen und Arbeitszeit und deren Zusammenwirken,
5. unzureichende Qualifikation und Unterweisung der Beschäftigten,
6. psychische Belastungen bei der Arbeit.
Hitze ist eine physikalische Einwirkung, die eine Gefährdung der Gesundheit darstellen kann.
Interviews zum Thema Hitzefrei
(1) Bild.de vom 29.06.2011: Die Hitze-Ampel fürs Büro Bei diesen Temperaturen müssen Sie nicht arbeiten. Von Guido Rosemann mit Interviewzitaten von Rechtsanwalt Michael W. Felser [[3]]
(2) SWR 3 vom 21.7.2006: Hitze am Arbeitsplatz. Rechtsanwalt Felser im Interview mit SWR 3 [[4]]
(3) Süddeutsche Zeitung vom 18.07.2003: Gibt es Hitzefrei für Arbeitnehmer? Wird's im Büro zu warm, kann der Betriebsrat einschreiten. Rechtsanwalt Felser im Interview [[5]]
(4) Bild.de: Hitze-Regeln für den Job Kommt die Deo-Pflicht am Arbeitsplatz? Mit Interviewzitaten von Rechtsanwalt Felser [[6]]
sowie zahlreiche weitere Interviews im WDR, BR, SWR anderen Radiosendern und vielen Zeitschriften.
Sonstige Interviews
Rechtsanwalt Felser gibt als Rechtsexperte regelmäßig Interviews im ARD und WDR (TV und Radio) [7] und für Bild und Bild.de [8] sowie die Süddeutsche Zeitung [9].
Weblinks zum Thema Hitzefrei
(1) Hitzefrei-fuer-Arbeitnehmer.de [10] (bald wieder online)
(2) Blogbeiträge von Rechtsanwalt Felser zum Thema "Hitzefrei am Arbeitsplatz" [11]
(3) Infoblatt von "Gute Arbeit" [[12]]
Autor
Michael W. Felser ist einer der auf das Thema "Arbeitsrecht" spezialisierten Rechtsanwälte in der Kanzlei Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte Köln/Brühl [13] und Betreiber des Portals "Juracity - Recht für Alle!". Betriebsräte berät er als Sachverständiger bei Betriebsvereinbarungen zum Thema Gesundheitsschutz und Gesundheitsförderung oder Gefährdungsbeurteilung, also auch zu "Hitze am Arbeitsplatz". Referenzen auf Anfrage.