Scheinselbständigkeit: Unterschied zwischen den Versionen

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(Scheinselbständiger, arbeitnehmerähnlicher Selbständiger oder Selbständiger?)
(Scheinselbständigkeit - spezialisierter Rechtsanwalt, Rentenberater oder Steuerberater?)
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== '''Scheinselbständigkeit - spezialisierter Rechtsanwalt, Rentenberater oder Steuerberater?''' ==
 
== '''Scheinselbständigkeit - spezialisierter Rechtsanwalt, Rentenberater oder Steuerberater?''' ==
  
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Steuerberater sollten aus verschiedenen Gründen nicht zu diesem Thema beraten und erst recht nicht Mandanten vertreten. Steuerberater sind keine Rechtsanwälte. Das Thema "Scheinselbständigkeit" beschränkt sich nicht auf steuerrechtliche Fragen, sondern ist primär ein sozialversicherungsrechtliches Thema mit komplexen arbeitsrechtlichen und steuerrechtlichen Fragestellungen. Für Auftraggeber stellen sich auch nicht ganz selten strafrechtliche Fragestellungen und Probleme der Arbeitsvermittlung und Arbeitnehmerüberlassung.
  
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Schon bei der grundlegenden Statusfrage, der Entscheidung des richtigen Vorgehens und erst recht der Rückabwicklung sind alle Rechtsgebiete, Risiken und Folgen zusammen zu betrachten. In der anwaltlichen Praxis finden sich häufig Fälle, bei denen bei frühzeitig richtiger Beratung große Schäden bis hin zur Insolvenz und Privatinsolvenz hätten vermieden werden können. Oftmals übersehen Steuerberater eine Scheinselbständigkeit oder arbeitnehmerähnliche Selbständigkeit ihrer Mandanten, obwohl diese vor dem Hintergrund der Tätigkeit, Rechnungen, Umsatz und Auftraggeber auf der Hand liegt.
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Der Bundesgerichtshof empfiehlt daher auch:
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"Es spricht viel dafür, daß der Steuerberater, der bei der Prüfung einer Beitragspflicht oder bei der Berechnung der Höhe der abzuführenden Beiträge auf Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art stößt oder dem sich die Rechtslage als unklar darstellt, den sich stellenden sozialversicherungsrechtlichen Fragen nicht selbst nachgehen darf, sondern seinem Mandanten anheimgeben muß, einen mit den notwendigen Erfahrungen ausgestatteten Rechtsanwalt aufzusuchen.”
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Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.02.2004 – IX ZR 246/02, JURIS
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Rentenberater sind ebensowenig in der Lage, die Steuerrecht, Arbeitsrecht und Sozialversicherungsrecht - häufig sogar das Strafrecht - übergreifende komplexe Problematik strategisch zu überschauen und entsprechend zu beraten.
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Das Tätigkeitsfeld des Rentenberaters umfasst laut der Berufsdefinition in § 10 Abs. 1 Ziffer 2 Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) vorrangig alle sozialrechtlichen Sachgebiete, die einen Bezug zu rentenrechtlichen Fragen aufweisen. Die Frage der Scheinselbständigkeit berührt aber selbst im Sozialrecht nicht nur rentenrechtliche Fragen, sondern alle Sozialversicherungszweige.
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Beiden Berufsgruppen fehlt zudem die bei Anwälten regelmäßig vorhandene prozessuale Erfahrung, die bei dem Scheitern aussergerichtlicher Bemühungen von erheblichem Vorteil ist.
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Einen Fachanwalt für Scheinselbständigkeit gibt es leider nicht (allerdings einen Fachanwalt für Agrarrecht!). Auf Scheinselbständigkeit und arbeitnehmerähnliche Selbständigkeit spezialisierte Anwälte gibt es bundesweit auch nicht zahlreich. Grund ist, dass das Thema häufig "mitgemacht" wird in Steuerberatungs- und Anwaltskanzleien. Häufig versuchen auch diejenigen, die das Kind in den Brunnen haben fallen lassen, dieses selbst wieder herauszuholen. Das geht selten gut. Das kann wie jüngst in einem Fall einer IT-Beratung dazu führen, dass eine Revision vor dem Bundessozialgericht gegen ein sicher nicht überzeugendes Urteil eines Landessozialgerichts mit einer ohrfeigenähnlichen Begründung zurückgewiesen wird. Nur wenige Kanzleien haben genügend Erfahrung (fragen Sie nach Fallzahlen und Erfahrungen) mit Mandaten, die das ganze Spektrum, also Steuerrecht, Sozialversicherungsrecht, Arbeitsrecht und Strafrecht sowie die Tätigkeit gegenüber Zoll, DRV, Krankenkassen, Betriebsprüfern, Staatsanwaltschaft aufweisen. Gute Hilfe leisten Empfehlungen von Freiberuflern in Portalen, die nur Mitgliedern offenstehen und deren Bewertungen daher glaubwürdig und nicht "gekauft" sind.
  
 
== '''Scheinselbständigkeit - Checklisten''' ==
 
== '''Scheinselbständigkeit - Checklisten''' ==

Version vom 18. Juni 2013, 18:59 Uhr

Scheinselbständigkeit - Begriff

Scheinselbständigkeit ist zunächst einmal ein politischer Begriff. Die Diskussion um die Scheinselbständigkeit, z.B. der Kurierfahrer, führte aber 1999 zum Gesetz zur Förderung der Selbständigkeit vom 20. Dezember 1999 mit dem erstmals ein Kriterienkatalog mit vier Kriterien zur Abgrenzung sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung und echter (sozialversicherungsfreier) Selbständigkeit eingeführt wurde. Dieser war aber von Anfang an umstritten. Insbesondere die Verleger sorgten für medialen Aufruhr, so dass eine Kommision unter Vorsitz des Präsidenten des Bundesarbeitsgerichts a.D. Dieterich eingesetzt wurde. Die Diskussion führte zur Erweiterung des Kriterienkatalogs auf fünf Kriterien.

Neu war vor allem eine Beweislasterleichterung für die Sozialversicherungsträger, die bei Ermittlungen bis 1999 meist vor einer einvernehmlichen Mauer des Schweigens standen, weil beide Beteiligte, Auftraggeber wie Auftragnehmer, kein Interesse an einer Sozialversicherungspflichtigkeit der Tätigkeit hatten. Der Kriterienkatalog führte dazu, dass das Gesetz bei Erfüllen von zwei bzw. später drei Kriterien eine (widerlegliche) Vermutung für eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung regelte, die die Beteiligten gegenüber den Sozialversicherungsträgern entkräften mussten.

Scheinselbständigkeit - Amnestie

Als Gegenleistung sah das Gesetz ursprüngliche eine Amnestie vor für diejenigen, die fristgerecht (innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit) eine Statusfeststellung beantragten. Erst nach rechtskräftigem Abschluss dieses Verfahrens enstand die Beitragspflicht. Die Amnestie führte bei kurzzeitigen Aufträgen zu Missbrauch dieser Möglichkeit nicht nur im Medienbereich, so dass der Gesetzgeber die Amnestie wieder abschaffte. Heute (Stand 2013) besteht nur noch ein eingeschränktes "Bonbon" für die Durchführung des Statusfeststellungsverfahrens. Wer dieses fristgerecht (wie bisher einen Monat nach Tätigkeitsaufnahme) einleitet, muss die Beiträge erst zahlen, wenn am Ende des Verfahrens (ggf. nach Revision beim Bundessozialgericht) die Beitragspflicht feststeht. Voraussetzung ist aber, dder Beschäftigte dem

1. zustimmt und 2. er für den Zeitraum zwischen Aufnahme der Beschäftigung und der Entscheidung eine Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit und zur Altersvorsorge vorgenommen hat, die der Art nach den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht.

Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag wird dann erst zu dem Zeitpunkt fällig, zu dem die Entscheidung, dass eine Beschäftigung vorliegt, unanfechtbar geworden ist.

Scheinselbständiger, arbeitnehmerähnlicher Selbständiger oder Selbständiger?

Selbständige sind nicht sozialversicherungspflichtig (aber: Künstlersozialversicherung), Scheinselbständige in allen Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtig und arbeitnehmerähnliche Selbständige nur in der Rentenversicherung versicherungspflichtig.

Die Begriffe "Scheinselbständiger" und "arbeitnehmerähnlicher Selbständiger werden leider, häufig auch von Steuerberatern und Rechtsanwälten, im gleichen Sinne verstanden bzw. missinterpretiert. So hört und liest man oft, auch im Internet und Papiermedien, dass man scheinselbständig sei, wenn man mehr als 5/6 mit einem Auftraggeber umsetzt. Wenn man mehrere Auftraggeber habe, sei man echter Selbständiger. Diese Regelung (5/6 Regelung) fand sich zwar im Kriterienkatalog des § 7 SGB IV, der allerdings schon 2003 abgeschafft wurde. Tatsächlich spielt diese Frage nur noch bei der arbeitnehmerähnlichen Selbständigkeit nach § 2 Nr. 9 SGB VI eine Rolle, nicht aber bei der Abgrenzung der Scheinselbständigkeit.

Selbst wenn mehrere Auftraggeber vorhanden sind, kommt es darauf an, wie jedes dieser Auftragsverhältnisse zu beurteilen ist. Auch eine "BfA-Befreiung" gibt es daher nicht. Hat die Clearingstelle (DRV) im Statusfeststellungsverfahren festgestellt, dass eine bestimmte Tätigkeit "selbständig" und damit sozialversicherungsfrei ist, bedeutet das nicht, dass dies auch für weitere Aufträge oder andere Auftraggeber gilt. Die Wirkung besteht nur für den geprüften Auftrag bzw. Auftragstyp und/oder einen bestimmten Auftraggeber. Jede Änderung in den Aufträgen kann dazu führen, dass die bisher sozialversicherungsfreie Tätigkeit sozialversicherungspflichtig wird.

Scheinselbständigkeit - Rechtsgrundlagen

Kriterienkatalog und Beweislast

Scheinselbständigkeit, Clearingsstelle der DRV und Statusfeststellungsverfahren

Scheinselbständigkeit - Folgen

Scheinselbständigkeit - Rechtsprechung (Urteile)

Scheinselbständigkeit - spezialisierter Rechtsanwalt, Rentenberater oder Steuerberater?

Steuerberater sollten aus verschiedenen Gründen nicht zu diesem Thema beraten und erst recht nicht Mandanten vertreten. Steuerberater sind keine Rechtsanwälte. Das Thema "Scheinselbständigkeit" beschränkt sich nicht auf steuerrechtliche Fragen, sondern ist primär ein sozialversicherungsrechtliches Thema mit komplexen arbeitsrechtlichen und steuerrechtlichen Fragestellungen. Für Auftraggeber stellen sich auch nicht ganz selten strafrechtliche Fragestellungen und Probleme der Arbeitsvermittlung und Arbeitnehmerüberlassung.

Schon bei der grundlegenden Statusfrage, der Entscheidung des richtigen Vorgehens und erst recht der Rückabwicklung sind alle Rechtsgebiete, Risiken und Folgen zusammen zu betrachten. In der anwaltlichen Praxis finden sich häufig Fälle, bei denen bei frühzeitig richtiger Beratung große Schäden bis hin zur Insolvenz und Privatinsolvenz hätten vermieden werden können. Oftmals übersehen Steuerberater eine Scheinselbständigkeit oder arbeitnehmerähnliche Selbständigkeit ihrer Mandanten, obwohl diese vor dem Hintergrund der Tätigkeit, Rechnungen, Umsatz und Auftraggeber auf der Hand liegt.

Der Bundesgerichtshof empfiehlt daher auch:

"Es spricht viel dafür, daß der Steuerberater, der bei der Prüfung einer Beitragspflicht oder bei der Berechnung der Höhe der abzuführenden Beiträge auf Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art stößt oder dem sich die Rechtslage als unklar darstellt, den sich stellenden sozialversicherungsrechtlichen Fragen nicht selbst nachgehen darf, sondern seinem Mandanten anheimgeben muß, einen mit den notwendigen Erfahrungen ausgestatteten Rechtsanwalt aufzusuchen.”

Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.02.2004 – IX ZR 246/02, JURIS

Rentenberater sind ebensowenig in der Lage, die Steuerrecht, Arbeitsrecht und Sozialversicherungsrecht - häufig sogar das Strafrecht - übergreifende komplexe Problematik strategisch zu überschauen und entsprechend zu beraten.

Das Tätigkeitsfeld des Rentenberaters umfasst laut der Berufsdefinition in § 10 Abs. 1 Ziffer 2 Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) vorrangig alle sozialrechtlichen Sachgebiete, die einen Bezug zu rentenrechtlichen Fragen aufweisen. Die Frage der Scheinselbständigkeit berührt aber selbst im Sozialrecht nicht nur rentenrechtliche Fragen, sondern alle Sozialversicherungszweige.

Beiden Berufsgruppen fehlt zudem die bei Anwälten regelmäßig vorhandene prozessuale Erfahrung, die bei dem Scheitern aussergerichtlicher Bemühungen von erheblichem Vorteil ist.

Einen Fachanwalt für Scheinselbständigkeit gibt es leider nicht (allerdings einen Fachanwalt für Agrarrecht!). Auf Scheinselbständigkeit und arbeitnehmerähnliche Selbständigkeit spezialisierte Anwälte gibt es bundesweit auch nicht zahlreich. Grund ist, dass das Thema häufig "mitgemacht" wird in Steuerberatungs- und Anwaltskanzleien. Häufig versuchen auch diejenigen, die das Kind in den Brunnen haben fallen lassen, dieses selbst wieder herauszuholen. Das geht selten gut. Das kann wie jüngst in einem Fall einer IT-Beratung dazu führen, dass eine Revision vor dem Bundessozialgericht gegen ein sicher nicht überzeugendes Urteil eines Landessozialgerichts mit einer ohrfeigenähnlichen Begründung zurückgewiesen wird. Nur wenige Kanzleien haben genügend Erfahrung (fragen Sie nach Fallzahlen und Erfahrungen) mit Mandaten, die das ganze Spektrum, also Steuerrecht, Sozialversicherungsrecht, Arbeitsrecht und Strafrecht sowie die Tätigkeit gegenüber Zoll, DRV, Krankenkassen, Betriebsprüfern, Staatsanwaltschaft aufweisen. Gute Hilfe leisten Empfehlungen von Freiberuflern in Portalen, die nur Mitgliedern offenstehen und deren Bewertungen daher glaubwürdig und nicht "gekauft" sind.

Scheinselbständigkeit - Checklisten

Scheinselbständigkeit - Aktuelles (2011/2012)

Interviews

(1) Verbraucherportal Biallo vom 05.12.2011: Selbstständig im Nebenberuf - Tipps und Fallstricke. Ein Beitrag von Rolf Winkel mit Interviewzitaten Rechtsanwalt Felser [1]

(2) Lohn und GehaltsPROFI aktuell 2/2011: Sonderausgabe Scheinselbständigkeit: Verstärkte Prüfungen [2]. Beiträge von Chefredakteur Lutz Schumann und Rechtsanwalt Michael W. Felser.

(3) Allgemeine Hotel- und Gastronomie-Zeitung (AHGZ) 2008/40 (Seite 15): Selbständig oder nur zum Schein. Urteil zur Selbstständigkeit verunsichert das Gastgewerbe. Aber Vorsicht: „Die Feststellung ist keineswegs rechtskräftig“, warnt Michael W. Felser, Rechtsanwalt aus Brühl. Ein Beitrag von Norbert Sass mit Interview von Rechtsanwalt Felser. [3]

(4) „BKK Zollern-Alb Business“ Heft 2 2002 (Seite 6/7): Scheinselbständigkeit - programmierter Ruin. Ein Beitrag von Jürgen Ponath mit Interview Rechtsanwalt Felser.[4]

(5) Financial Times Deutschland vom 27.6.2000: "Rentenkasse versperrt Selbstständigen die Flucht. Für Selbstständige in Deutschland wird es schwerer, sich der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu entziehen." Ein Beitrag von Margarethe Heckel mit Zitaten aus einem Interview mit Rechtsanwalt Felser [5]

Weblinks

Das große Portal zum Thema "Scheinselbständigkeit" (seit 1998) [[6]]

Deutsche Rentenversicherung Bund (Berlin) mit Informationen zum Thema Statusfeststellungsverfahren und den Formularen [7]

Autor

Michael W. Felser ist der auf das Thema "Statusfeststellungsverfahren" spezialisierte Rechtsanwalt in der Kanzlei Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte Köln/Brühl [8] und Betreiber des Portals "Scheinselbstaendigkeit.de" [9]. Er hat zahlreiche Selbständige und Unternehmen sachkundig und engagiert durch das Statusfeststellungsverfahren begleitet, bundesweit Verfahren vor Sozialgerichten geführt und einige Kinder wieder aus dem Brunnen geholt. Referenzen auf Anfrage.