Scheinselbständigkeit

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Version vom 18. Juni 2013, 18:37 Uhr von Mwf (Diskussion | Beiträge) (Scheinselbständiger, arbeitnehmerähnlicher Selbständiger oder Selbständiger?)

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Scheinselbständigkeit - Begriff

Scheinselbständigkeit ist zunächst einmal ein politischer Begriff. Die Diskussion um die Scheinselbständigkeit, z.B. der Kurierfahrer, führte aber 1999 zum Gesetz zur Förderung der Selbständigkeit vom 20. Dezember 1999 mit dem erstmals ein Kriterienkatalog mit vier Kriterien zur Abgrenzung sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung und echter (sozialversicherungsfreier) Selbständigkeit eingeführt wurde. Dieser war aber von Anfang an umstritten. Insbesondere die Verleger sorgten für medialen Aufruhr, so dass eine Kommision unter Vorsitz des Präsidenten des Bundesarbeitsgerichts a.D. Dieterich eingesetzt wurde. Die Diskussion führte zur Erweiterung des Kriterienkatalogs auf fünf Kriterien.

Neu war vor allem eine Beweislasterleichterung für die Sozialversicherungsträger, die bei Ermittlungen bis 1999 meist vor einer einvernehmlichen Mauer des Schweigens standen, weil beide Beteiligte, Auftraggeber wie Auftragnehmer, kein Interesse an einer Sozialversicherungspflichtigkeit der Tätigkeit hatten. Der Kriterienkatalog führte dazu, dass das Gesetz bei Erfüllen von zwei bzw. später drei Kriterien eine (widerlegliche) Vermutung für eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung regelte, die die Beteiligten gegenüber den Sozialversicherungsträgern entkräften mussten.

Scheinselbständigkeit - Amnestie

Als Gegenleistung sah das Gesetz ursprüngliche eine Amnestie vor für diejenigen, die fristgerecht (innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit) eine Statusfeststellung beantragten. Erst nach rechtskräftigem Abschluss dieses Verfahrens enstand die Beitragspflicht. Die Amnestie führte bei kurzzeitigen Aufträgen zu Missbrauch dieser Möglichkeit nicht nur im Medienbereich, so dass der Gesetzgeber die Amnestie wieder abschaffte. Heute (Stand 2013) besteht nur noch ein eingeschränktes "Bonbon" für die Durchführung des Statusfeststellungsverfahrens. Wer dieses fristgerecht (wie bisher einen Monat nach Tätigkeitsaufnahme) einleitet, muss die Beiträge erst zahlen, wenn am Ende des Verfahrens (ggf. nach Revision beim Bundessozialgericht) die Beitragspflicht feststeht. Voraussetzung ist aber, dder Beschäftigte dem

1. zustimmt und 2. er für den Zeitraum zwischen Aufnahme der Beschäftigung und der Entscheidung eine Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit und zur Altersvorsorge vorgenommen hat, die der Art nach den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht.

Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag wird dann erst zu dem Zeitpunkt fällig, zu dem die Entscheidung, dass eine Beschäftigung vorliegt, unanfechtbar geworden ist.

Scheinselbständiger, arbeitnehmerähnlicher Selbständiger oder Selbständiger?

Selbständige sind nicht sozialversicherungspflichtig (aber: Künstlersozialversicherung), Scheinselbständige in allen Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtig und arbeitnehmerähnliche Selbständige nur in der Rentenversicherung versicherungspflichtig.

Die Begriffe "Scheinselbständiger" und "arbeitnehmerähnlicher Selbständiger werden leider, häufig auch von Steuerberatern und Rechtsanwälten, im gleichen Sinne verstanden bzw. missinterpretiert. So hört und liest man oft, auch im Internet und Papiermedien, dass man scheinselbständig sei, wenn man mehr als 5/6 mit einem Auftraggeber umsetzt. Wenn man mehrere Auftraggeber habe, sei man echter Selbständiger. Diese Regelung (5/6 Regelung) fand sich zwar im Kriterienkatalog des § 7 SGB IV, der allerdings schon 2003 abgeschafft wurde. Tatsächlich spielt diese Frage nur noch bei der arbeitnehmerähnlichen Selbständigkeit nach § 2 Nr. 9 SGB VI eine Rolle, nicht aber bei der Abgrenzung der Scheinselbständigkeit.

Selbst wenn mehrere Auftraggeber vorhanden sind, kommt es darauf an, wie jedes dieser Auftragsverhältnisse zu beurteilen ist. Auch eine "BfA-Befreiung" gibt es daher nicht. Hat die Clearingstelle (DRV) im Statusfeststellungsverfahren festgestellt, dass eine bestimmte Tätigkeit "selbständig" und damit sozialversicherungsfrei ist, bedeutet das nicht, dass dies auch für weitere Aufträge oder andere Auftraggeber gilt. Die Wirkung besteht nur für den geprüften Auftrag bzw. Auftragstyp und/oder einen bestimmten Auftraggeber. Jede Änderung in den Aufträgen kann dazu führen, dass die bisher sozialversicherungsfreie Tätigkeit sozialversicherungspflichtig wird.

Scheinselbständigkeit - Rechtsgrundlagen

Kriterienkatalog und Beweislast

Scheinselbständigkeit, Clearingsstelle der DRV und Statusfeststellungsverfahren

Scheinselbständigkeit - Folgen

Scheinselbständigkeit - Rechtsprechung (Urteile)

Scheinselbständigkeit - spezialisierter Rechtsanwalt, Rentenberater oder Steuerberater?

Scheinselbständigkeit - Checklisten

Scheinselbständigkeit - Aktuelles (2011/2012)

Interviews

(1) Verbraucherportal Biallo vom 05.12.2011: Selbstständig im Nebenberuf - Tipps und Fallstricke. Ein Beitrag von Rolf Winkel mit Interviewzitaten Rechtsanwalt Felser [1]

(2) Lohn und GehaltsPROFI aktuell 2/2011: Sonderausgabe Scheinselbständigkeit: Verstärkte Prüfungen [2]. Beiträge von Chefredakteur Lutz Schumann und Rechtsanwalt Michael W. Felser.

(3) Allgemeine Hotel- und Gastronomie-Zeitung (AHGZ) 2008/40 (Seite 15): Selbständig oder nur zum Schein. Urteil zur Selbstständigkeit verunsichert das Gastgewerbe. Aber Vorsicht: „Die Feststellung ist keineswegs rechtskräftig“, warnt Michael W. Felser, Rechtsanwalt aus Brühl. Ein Beitrag von Norbert Sass mit Interview von Rechtsanwalt Felser. [3]

(4) „BKK Zollern-Alb Business“ Heft 2 2002 (Seite 6/7): Scheinselbständigkeit - programmierter Ruin. Ein Beitrag von Jürgen Ponath mit Interview Rechtsanwalt Felser.[4]

(5) Financial Times Deutschland vom 27.6.2000: "Rentenkasse versperrt Selbstständigen die Flucht. Für Selbstständige in Deutschland wird es schwerer, sich der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu entziehen." Ein Beitrag von Margarethe Heckel mit Zitaten aus einem Interview mit Rechtsanwalt Felser [5]

Weblinks

Das große Portal zum Thema "Scheinselbständigkeit" (seit 1998) [[6]]

Deutsche Rentenversicherung Bund (Berlin) mit Informationen zum Thema Statusfeststellungsverfahren und den Formularen [7]

Autor

Michael W. Felser ist der auf das Thema "Statusfeststellungsverfahren" spezialisierte Rechtsanwalt in der Kanzlei Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte Köln/Brühl [8] und Betreiber des Portals "Scheinselbstaendigkeit.de" [9]. Er hat zahlreiche Selbständige und Unternehmen sachkundig und engagiert durch das Statusfeststellungsverfahren begleitet, bundesweit Verfahren vor Sozialgerichten geführt und einige Kinder wieder aus dem Brunnen geholt. Referenzen auf Anfrage.