Hitzefrei: Unterschied zwischen den Versionen

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(Hitzefrei für Arbeitnehmer)
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Häufig wird geschrieben, einen Anspruch auf "Hitzfrei" im Job gäbe es anders als an Schulen nicht, was sogar stimmt. Es stimmt aber nur insofern, weil bei "Hitzefrei" an Schulen die Außentemperatur der Maßstab ist und alle frei bekommen. Im Arbeitsschutzrecht ist aber '''nicht die Außentemperatur''' maßgeblich, sondern '''die jeweilige Arbeitsplatztemperatur''' bzw. Arbeitsraumtemperatur entscheidet, ob man dort weiterarbeiten muss oder nicht. Hitzefrei für alle Arbeitnehmer bei bspw. 30 Grad im Sommer gibt es also schon deswegen nicht, weil ja mancher im klimatisierten Büro arbeitet.  
 
Häufig wird geschrieben, einen Anspruch auf "Hitzfrei" im Job gäbe es anders als an Schulen nicht, was sogar stimmt. Es stimmt aber nur insofern, weil bei "Hitzefrei" an Schulen die Außentemperatur der Maßstab ist und alle frei bekommen. Im Arbeitsschutzrecht ist aber '''nicht die Außentemperatur''' maßgeblich, sondern '''die jeweilige Arbeitsplatztemperatur''' bzw. Arbeitsraumtemperatur entscheidet, ob man dort weiterarbeiten muss oder nicht. Hitzefrei für alle Arbeitnehmer bei bspw. 30 Grad im Sommer gibt es also schon deswegen nicht, weil ja mancher im klimatisierten Büro arbeitet.  
  
Aus der Aussage; ein "Hitzefrei" gäbe es im Arbeitsrecht nicht, wird dann aber irrigerweise gerne der Schluss gezogen, ein Arbeitnehmer müsse bei jeder Temperatur im Büro weiterarbeiten. Das liest man sogar auf Seiten der Arbeitsschützer. Dort steht dann sinngemäß, der Arbeitgeber "könne" Maßnahmen zur Linderung der Hitze ergreifen (z.B. auf den Seiten des Hamburger Arbeitsschutzes). Das ist, um das hier mal ganz deutlich zu sagen, juristischer Blödsinn und eine gefährliche Verharmlosung der gesundheitlichen Gefahren von Hitze am Arbeitsplatz. Es würde nämlich - weiter so konsequent vorbei gedacht - bedeuten, dass man auch bei 80 Grad am Arbeitsplatz weiterarbeiten müsste. Natürlich darf jeder die Arbeit verweigern, wenn ihm schlecht wird vor Hitze. Niemand ist gezwungen, für den Arbeitgeber seine Gesundheit aufs Spiel zu setzen. Das sieht auch die Rechtsprechung so.
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Aus der Aussage; ein "Hitzefrei" gäbe es im Arbeitsrecht nicht, wird dann aber irrigerweise gerne der Schluss gezogen, ein Arbeitnehmer müsse bei jeder Temperatur im Büro weiterarbeiten. Das liest man sogar auf Seiten der Arbeitsschützer. Dort steht dann sinngemäß, der Arbeitgeber "könne" Maßnahmen zur Linderung der Hitze ergreifen (z.B. auf den Seiten des Hamburger Arbeitsschutzes). Das ist, um das hier mal ganz deutlich zu sagen, juristischer Blödsinn und eine gefährliche Verharmlosung der gesundheitlichen Gefahren von Hitze am Arbeitsplatz. Hier können Sie sich über hitzetote in verschiedenen jahren informieren, zB bei heute.de [http://www.heute.de/indien-hitzewelle-macht-arbeit-fast-unmoeglich-und-fordert-hunderte-tote-38661000.html Hitzewelle macht Arbeiten unmöglich] oder hier [http://www.scinexx.de/wissen-aktuell-17168-2014-02-04.html Sterbefälle wegen Hitze nehmen zu]. Dabei ist zu beachtzen, dass in Unternehmen nicht nur Olympiasieger arbeiten, sondern auch Arbeitnehmer mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Schwangere. Es würde ausserdem - weiter so konsequent vorbei gedacht - bedeuten, dass man auch bei 80 Grad am Arbeitsplatz weiterarbeiten müsste. Natürlich darf jeder die Arbeit verweigern, wenn ihm schlecht wird vor Hitze. Niemand ist gezwungen, für den Arbeitgeber seine Gesundheit aufs Spiel zu setzen. Das sieht auch die Rechtsprechung so.
  
 
Falsch ist auch, wenn geschrieben wird, bei der - inzwischen allerdings überholten -  Hitzerichtlinie ASR 6,1 handele es sich um eine "unverbindliche" Sollvorschrift. Sollvorschriften sind, wie der Name schon sagt, niemals unverbindlich, die Richtlinie ASR 6.1 erst recht nicht, da sie die Ausnahmen genau definiert. "Du sollst nicht töten" ist schließlich auch kein unverbindliches Gebot.
 
Falsch ist auch, wenn geschrieben wird, bei der - inzwischen allerdings überholten -  Hitzerichtlinie ASR 6,1 handele es sich um eine "unverbindliche" Sollvorschrift. Sollvorschriften sind, wie der Name schon sagt, niemals unverbindlich, die Richtlinie ASR 6.1 erst recht nicht, da sie die Ausnahmen genau definiert. "Du sollst nicht töten" ist schließlich auch kein unverbindliches Gebot.

Version vom 5. Juni 2015, 16:30 Uhr


Hitzefrei für Arbeitnehmer

Wenn Sie sachliche Informationen zum Thema "Arbeitsplatztemperatur", Arbeitsschutz und Arbeitnehmerrechte" zum Thema "Hitzefrei für Arbeitnehmer" suchen, dann sind Sie hier richtig.

Häufig wird geschrieben, einen Anspruch auf "Hitzfrei" im Job gäbe es anders als an Schulen nicht, was sogar stimmt. Es stimmt aber nur insofern, weil bei "Hitzefrei" an Schulen die Außentemperatur der Maßstab ist und alle frei bekommen. Im Arbeitsschutzrecht ist aber nicht die Außentemperatur maßgeblich, sondern die jeweilige Arbeitsplatztemperatur bzw. Arbeitsraumtemperatur entscheidet, ob man dort weiterarbeiten muss oder nicht. Hitzefrei für alle Arbeitnehmer bei bspw. 30 Grad im Sommer gibt es also schon deswegen nicht, weil ja mancher im klimatisierten Büro arbeitet.

Aus der Aussage; ein "Hitzefrei" gäbe es im Arbeitsrecht nicht, wird dann aber irrigerweise gerne der Schluss gezogen, ein Arbeitnehmer müsse bei jeder Temperatur im Büro weiterarbeiten. Das liest man sogar auf Seiten der Arbeitsschützer. Dort steht dann sinngemäß, der Arbeitgeber "könne" Maßnahmen zur Linderung der Hitze ergreifen (z.B. auf den Seiten des Hamburger Arbeitsschutzes). Das ist, um das hier mal ganz deutlich zu sagen, juristischer Blödsinn und eine gefährliche Verharmlosung der gesundheitlichen Gefahren von Hitze am Arbeitsplatz. Hier können Sie sich über hitzetote in verschiedenen jahren informieren, zB bei heute.de Hitzewelle macht Arbeiten unmöglich oder hier Sterbefälle wegen Hitze nehmen zu. Dabei ist zu beachtzen, dass in Unternehmen nicht nur Olympiasieger arbeiten, sondern auch Arbeitnehmer mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Schwangere. Es würde ausserdem - weiter so konsequent vorbei gedacht - bedeuten, dass man auch bei 80 Grad am Arbeitsplatz weiterarbeiten müsste. Natürlich darf jeder die Arbeit verweigern, wenn ihm schlecht wird vor Hitze. Niemand ist gezwungen, für den Arbeitgeber seine Gesundheit aufs Spiel zu setzen. Das sieht auch die Rechtsprechung so.

Falsch ist auch, wenn geschrieben wird, bei der - inzwischen allerdings überholten - Hitzerichtlinie ASR 6,1 handele es sich um eine "unverbindliche" Sollvorschrift. Sollvorschriften sind, wie der Name schon sagt, niemals unverbindlich, die Richtlinie ASR 6.1 erst recht nicht, da sie die Ausnahmen genau definiert. "Du sollst nicht töten" ist schließlich auch kein unverbindliches Gebot.

Unzutreffend ist auch, die Richtlinie betreffe nur die Hitze, die von Geräten erzeugt wird. Der durch die Richtlinie geschützten Gesundheit des Arbeitnehmers, die der Arbeitgeber nach § 618 BGB zu schützen hat, ist es egal, wodurch die Hitze erzeugt wird, ob durch Sommer, Computer, Dönerspieß oder Hochofen. Das bestätigen inzwischen mehrere rechtskräftige Urteile.

Die Rechtslage ist inzwischen durch die am 23.6.2010 in Kraft getretene Arbeitsstättenregel ASR A3.5 etwas verständlicher geregelt. Die ASR A 3.5 regelt vergleichbar einer Ampel vier Stufen:

- bis 26 Grad Arbeitsraumtemperatur (grün) - zwischen 26 und 30 Grad (gelb) - über 30 bis 35 Grad (gelb-rot) - über 35 Grad Aussentemperatur (rot)

Dort ist ohne wenn und aber festgelegt, dass Arbeitsräume mit Temperaturen über 35 Grad nicht mehr als Arbeitsraum genutzt werden dürfen oder nur noch mit Schutzkleidung, Duschen und regelmäßigen Abkühlungspausen wie bei Hitzearbeitsplätzen (z.B. in einer Gießerei). Ab 26 Grad am Arbeitsplatz "soll" der Arbeitgeber Maßnahmen ergreifen, ab 30 Grad am Arbeitsplatz muss er.

Maßnahmen können sein: Klimageräte, Trinkwasserspender,Arbeitszeitverlegung, Lockerung des Dresscodes, etc. Die ASR sieht einen Vorrang von technisch-organisatorischen Maßnahmen vor personenbezogenen Maßnahmen vor.

Auch eine "Sollvorschrft" ist nicht unverbindlich, wie nicht zuletzt die Bibel zeigt ("Du sollst nicht töten"). Eine gesetzliche Sollvorschrift für zu einer Prüfungspflicht und einer notwendigen Ermessensausübung. Arbeitgebern ist zu empfehlen, eine solche Prüfung sowie die angedachten und ergriffenen Maßnahmen aus Haftungsgründen schriftlich zu dokumentieren.

Hitzefrei im Job - Arbeitsstättenregel ASR 3.5

Die Arbeitsstättenregel ASR 3.5 - grundllegend 2010 geändert - regelt verbindliche Arbeitgeberpflichten bei Hitze am Arbeitsplatz. Nach einer Ampelregelung ist ab 35 Grad (gemessen am Arbeitsplatz) die Nutzung des Arbeitsplatzes nicht mehr zulässig. Ab 26 Grad soll der Arbeitgeber hitzemildernde Maßnahmen ergreifen, ab 30 Grad muss er den Arbeitnehmer vor der Hitze schüttzen.

Entscheidungen aus dem Zeitraum vor 2010 sind für die Rechtslage wegen der Neuregelung nicht mehr maßgeblich.

Volltext der ASR 3.5 [1]

Hitze am Arbeitsplatz - Aufgabe des Betriebsrats

Der Betriebsrat hat darüber zu wachen (Pflichtaufgabe nach § 80 BetrVG), daß die arbeitnehmerschützenden Rechtsvorschriften eingehalten werden, wozu auch § 618 BGB, Arbeitsschutzgesetz und die Arbeitschutzrichtlinien bzw. Arbeitsstättenregeln gehören.

§ 80 Allgemeine Aufgaben

(1) Der Betriebsrat hat folgende allgemeine Aufgaben:

1. darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden; 2. Maßnahmen, die dem Betrieb und der Belegschaft dienen, beim Arbeitgeber zu beantragen;

9. Maßnahmen des Arbeitsschutzes und des betrieblichen Umweltschutzes zu fördern.

Nach § 87 BetrVG hat der Betriebsrat beim Gesundheitsschutz mitzubestimmen und sogar ein Initiativrecht, d.h. er kann von sich aus Regelungen einfordern und ggf. durch eine Einigungsstelle durchsetzen.

§ 87 BetrVG Mitbestimmungsrechte

(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:

(...) 7. Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;

(...)

(2) Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

Interviews zum Thema Hitzefrei

(1) Süddeutsche Zeitung vom 18.07.2003: Gibt es Hitzefrei für Arbeitnehmer? Wird's im Büro zu warm, kann der Betriebsrat einschreiten. Rechtsanwalt Felser im Interview [[2]]

(2) Bild.de vom 29.06.2011: Die Hitze-Ampel fürs Büro Bei diesen Temperaturen müssen Sie nicht arbeiten. Von Guido Rosemann mit Interviewzitaten von Rechtsanwalt Michael W. Felser [[3]]

(3) SWR 3 vom 21.7.2006: Hitze am Arbeitsplatz. Rechtsanwalt Felser im Interview mit SWR 3 [[4]]

(4) Bild.de: Hitze-Regeln für den Job Kommt die Deo-Pflicht am Arbeitsplatz? Mit Interviewzitaten von Rechtsanwalt Felser [[5]]

sowie zahlreiche weitere Interviews im WDR, anderen Radiosendern und vielen Zeitschriften.

Weblinks zum Thema Hitzefrei

(1) Hitzefrei-fuer-Arbeitnehmer.de [6] (bald wieder online)

(2) Blogbeiträge von Rechtsanwalt Felser zum Thema "Hitzefrei am Arbeitsplatz" [7]

(3) Infoblatt von "Gute Arbeit" [[8]]

Autor

Michael W. Felser ist einer der auf das Thema "Arbeitsrecht" spezialisierten Rechtsanwälte in der Kanzlei Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte Köln/Brühl [9] und Betreiber des Portals "Juracity - Recht für Alle!". Betriebsräte berät er als Sachverständiger bei Betriebsvereinbarungen zum Thema Gesundheitsschutz und Gesundheitsförderung oder Gefährdungsbeurteilung, also auch zu "Hitze am Arbeitsplatz". Referenzen auf Anfrage.