Die Statusfeststellung von vermeintlich Selbständigen, eines freien Mitarbeiters, Ein-Mann-Unternehmers oder einer Honorarkraft ist eine heikle Angelegenheit, mit der sich Steuerberater leider nicht gut auskennen. Die Statusfestellung betrifft die Frage, ob eine selbständige Tätigkeit vorliegt oder eine abhängige Beschäftigung, was im Sozialversicherungsrecht, Arbeitsrecht und Steuerrecht leider unterschiedliche Antworten nach sich ziehen kann.

Immer wieder beklagen sich Selbständige und Unternehmer, die einen Bescheid über die Statusfeststellung von der Deutschen Rentenversicherung bekommen haben, dass ihr Steuerberater sie nicht auf die Risiken hingewiesen habe. Auch in zahlreichen Verfahren vor den Sozialgerichten klagen die Betroffenen darüber, dass der Steuerberater sie auf die Problematik der Scheinselbständigkeit nicht hingewiesen habe. Ein klarer Haftungsfall. Wenn ein Steuerberater Hinweise hat, dass der Selbständige nur einen Auftraggeber hat und keine Arbeitnehmer (wer, wenn nicht der Steuerberater weiß dies …), muß er auf die Rentenversicherungspflichtigkeit nach § 2 Nr. 9 SGB VI hinweisen und vor allem auf die Möglichkeit, sich als Existenzgründer für die ersten drei Jahre von der Rentenversicherungspflicht befreien zu lassen. Ein Steuerberater dürfte auch verpflichtet sein, in diesem Fall auf eine eventuelle Scheinselbständigkeit hinzuweisen.

Dem Steuerberater obliegt nach der Rechtsprechung eine umfassende Beratungspflicht hinsichtlich steuerlicher und sozialversicherungsrechtlicher Fragen (BGH, Urteil vom 18.12.1997). Leichte Fahrlässigkeit hinsichtlich der vermeintlichen Sozialversicherungspflicht des Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH reicht für die Haftung des Steuerberaters bereits aus (Landgerichts Köln vom 23.03.1994- Aktenzeichen 16 O 619). Nach dem seit dem  01.07.2008 geltenden Rechtsdienstleistungsgesetzes dürfen Steuerberater in Angelegenheiten, mit denen sie beruflich befasst sind, auch die rechtliche Bearbeitung übernehmen, wenn diese mit den Aufgaben des Steuerberaters in unmittelbaren Zusammenhang stehen und diese Aufgaben ohne die Rechtsberatung nicht sachgemäß erledigt werden können (Art. 1 § 5 Nr. 2 Rechtsberatungsgesetz). Ob sie dies mit Blick auf die komplexen sozialversicherungsrechtlichen und arbeitsrechtlichen Zusammenhänge tun sollten, ist die andere Frage.

Beraten wollen Steuerberater ganz offensichtlich dürfen, wie dieser Beitrag auf Gabler Steuern zeigt, haften wollen dann aber doch nicht.

Der Bundesgerichtshof sieht aber eine Haftung des Steuerberaters auch bei sozialversicherungsrechtlichen Fragen jedenfalls wenn der StB mit der Lohnabrechnung beauftragt ist. So entstehe

„einem Arbeitgeber bereits dann ein Schaden, wenn er Sozialversicherungsbeiträge für einen Arbeitnehmer abführt, der tatsächlich nicht sozialversicherungspflichtig ist; sein Schadensersatzanspruch gegen den mit der Lohnabrechnung beauftragten Steuerberater beginnt mit der ersten Beitragszahlung zu verjähren (BGH, Urt. v. 29. Mai 2008 – IX ZR 222/06, Rn. 19).“

BGH vom 05.03.2009 Aktenzeichen IX ZR 172/05

Der für die Lohnbuchhaltung zuständige Steuerberater haftet, wenn er einen nicht versicherungspflichtigen Geschäftsführer einer GmbH der Einzugsstelle zu Unrecht als versicherungspflichtigen Arbeitnehmer gemeldet und in der Folgezeit für ihn die monatliche Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen veranlasst hat (BGH, Urt. v. 29. Mai 2008 – IX ZR 222/06). Er haftet ebenfalls, wenn er die Versicherungspflicht eines Mitarbeiters nicht erkennt (BGH vom 23.09.2004 – Aktenzeichen IX ZR 148/03).

Auch das OLG Köln sieht eine umfassende Pflicht des Steuerberaters, auf Probleme bei der Sozialversicherungspflichtigkeit hinzuweisen:

„1. Schadensersatzansprüche gegen O waren begründet. O hat seine Pflichten aus dem zum Kläger bestehenden Steuerberatungsmandat verletzt und dem Kläger dadurch einen Schaden in Höhe von 38.836,22 EUR entsprechend den von ihm für seinen Mitarbeiter C nachzuzahlenden Sozialversicherungsbeiträgen verursacht.

a) Das Landgericht ist insoweit zu Recht und in nicht zu beanstandender Weise vom Vorliegen eines umfassenden Beratungsvertrages mit entsprechenden Hinweispflichten auch über die Sozialpflichtigkeit des Mitarbeiters C ausgegangen. In seinem Schreiben vom 19.6.2000 hat der Zeuge O angegeben, dass er den Kläger seit 1980 steuerlich betreut, „auch“ im Bereich der Lohnbuchhaltung (Bl. 61 Anlagenheft). Bei seiner Vernehmung vor der Kammer hat der Zeuge weiter angegeben, dass er mit allen Angelegenheiten im weitesten Sinne betreffend die Steuerabschlüsse, die Steuerlohnerstellung und der Buchführung befasst war. Diese Angaben stimmen überein mit der vom Kläger beispielhaft vorgelegten Rechnung Os vom 27.1.1997 (Bl. 63 Anlagenheft), in der die Tätigkeiten Os im einzelnen und vom Beklagten unbestritten aufgeführt sind. Das Bestehen eines umfassenden Beratungsmandats zwischen dem Kläger und O ist daher schon aufgrund dieser objektiven Feststellungen nicht zweifelhaft, ohne dass es auf die entsprechende Aussage Os noch ankäme. Bei einem umfassenden Beratungsmandat wie hier hatte O den Kläger auch ungefragt über die mögliche Sozialversicherungspflicht des Mitarbeiters C belehren müssen (vgl. OLG Hamburg GI 1995, 258; Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung, 3. Aufl. 1998, Rdn. 311; BGH WM 1994, 602, 603; OLG Bremen GI 2002, 213 ff.; OLG Düsseldorf GI 2001, 298 ff.; OLG Düsseldorf GI 2002, 271 ff.).

Das gilt auch dann, wenn Beratungen grundsätzlich nur auf Anfrage erfolgten. Eine solche tatsächliche Handhabung beseitigt nicht die im Einzelfall bestehende Pflicht des Steuerberaters, den Mandanten auch ungefragt zu belehren, wenn er erkennt oder erkennen muss, dass der Mandant Gefahr läuft, steuer- oder sonstige abgabenrechtliche Nachteile zu erleiden. Das war hier der Fall, da der Steuerberater O aufgrund der für C angegebenen Stundenzahl – ebenso wie die LVA – erkennen musste, dass die Beschäftigung Cs in dem geleisteten Umfang sozialversicherungspflichtig war. Allgemeine Hinweise und Hinweise an eine Sachbearbeiterin des Klägers reichten insoweit aus den vom Landgericht auf S. 8 der angefochtenen Entscheidung (Bl. 92 GA) angeführten Gründen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, nicht aus, zumal es bei diesen Fragen nicht nur um reine Lohnbuchhaltung ging; eine mögliche Sozialversicherungspflicht konnte vielmehr erhebliche Auswirkungen auf die Gestaltung des Arbeitsvertrages haben, was auf Sachbearbeiterebene nicht zu erledigen ist.

 b) Der Senat ist ferner nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und unter Berücksichtigung der dem Kläger zum Nachweis der haftungsausfüllenden Kausalität zukommenden Beweiserleichterung gem. § 287 ZPO (vgl. BGH NJW-RR 2001, 1351, 1353; BGH NJW 2000, 509) davon überzeugt, dass der vom Kläger geltend gemachte Schaden durch die Aufklärungspflichtverletzungen Os verursacht worden ist.

 Der Senat geht davon aus, dass der Kläger bei entsprechenden Hinweisen des Steuerberaters den Zeugen C nicht mehr oder jedenfalls nicht mehr in einem Umfange weiter beschäftigt hätte, der die Sozialversicherungspflichtigkeit begründete, sondern an dessen Stelle oder – bei Reduzierung der Stundenzahl – zusätzlich weitere Studenten so angestellt hätte, dass Sozialversicherungsbeiträge weder für C noch für sie zu zahlen gewesen wären.“

(OLG Köln, Urteil vom 22. April 2004 – 8 U 77/03 –, juris)

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Steuerberater zur Vermeidung einer Haftung verpflichtet, den Mandanten an einen Rechtsanwalt zu verweisen.

„Es spricht viel dafür, daß der Steuerberater, der bei der Prüfung einer Beitragspflicht oder bei der Berechnung der Höhe der abzuführenden Beiträge auf Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art stößt oder dem sich die Rechtslage als unklar darstellt, den sich stellenden sozialversicherungsrechtlichen Fragen nicht selbst nachgehen darf, sondern seinem Mandanten anheimgeben muß, einen mit den notwendigen Erfahrungen ausgestatteten Rechtsanwalt aufzusuchen.“

(Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.02.2004 – IX ZR 246/02).

Das Bundessozialgericht hat im März 2014 entschieden, dass Steuerberater Mandanten in Anfrageverfahren / Statusfeststellungsverfahren nach § 7 SGB IV nicht beraten und vertreten dürfen. Auszüge aus dem Urteil und nähere Hinweise finden Sie in unserem Rechtslexikon.

Fragen Sie als Steuerberater also lieber gleich auf Scheinselbständigkeit und Statusfeststellung spezialisierte Anwälte, bevor sie auf Steuerberaterhaftung spezialisierte Anwälte aufsuchen müssen.

Interviews mit Rechtsanwalt Felser zum Thema Scheinselbständigkeit und Statusfeststellung

(1) Computerwoche vom 4. August 2014 mit Interview Rechtsanwalt Felser zum Thema Scheinselbständigkeit in der IT-Branche

(2) Verbraucherportal Biallo vom 05.12.2011: Selbstständig im Nebenberuf – Tipps und Fallstricke. Ein Beitrag von Rolf Winkel mit Interviewzitaten Rechtsanwalt Felser

(3) Lohn und GehaltsPROFI aktuell 2/2011: Sonderausgabe Scheinselbständigkeit: Verstärkte Prüfungen. Beiträge von Chefredakteur Lutz Schumann und Rechtsanwalt Michael W. Felser.

(4) Allgemeine Hotel- und Gastronomie-Zeitung (AHGZ) 2008/40 (Seite 15): Selbständig oder nur zum Schein. Urteil zur Selbstständigkeit verunsichert das Gastgewerbe. Aber Vorsicht: „Die Feststellung ist keineswegs rechtskräftig“, warnt Michael W. Felser, Rechtsanwalt aus Brühl. Ein Beitrag von Norbert Sass mit Interview von Rechtsanwalt Felser.

(4) „BKK Zollern-Alb Business“ Heft 2 2002 (Seite 6/7):  Scheinselbständigkeit – programmierter Ruin. Ein Beitrag von Jürgen Ponath mit Interview Rechtsanwalt Felser.

(5) Financial Times Deutschland vom 27.6.2000: „Rentenkasse versperrt Selbstständigen die Flucht. Für Selbstständige in Deutschland wird es schwerer, sich der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu entziehen.“ Ein Beitrag von Margarethe Heckel mit Zitaten aus einem Interview mit Rechtsanwalt Felser.

Interviews zum Thema Schwarzarbeit im Rechtslexikon

Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte
„Recht ist unsere Kunst, Kunst ist unsere Leidenschaft (c)“

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