Das VG Hannover beschäftigt sich in seinem Bescheid vom 22.11.2006 – 13 A 2316/03 – mit der Frage, inwieweit sich aus der Festsetzung des Grades der Behinderung (GdB) auch Rückschlüße über die Festsetzung der Minderung der Erwerbsunfähigkeit (MdE) z.B. im Versorgungsrecht der Beamten nach dem BeamtVG ergeben. Das Verhältnis dieser beiden Rechtsbegriffe zueinander wird in der Praxis oft verkannt und gerade in Rentenverfahren reagieren Mandanten vielfach ungläubig, wenn erläutert wird, daß ein GdB von 80 v.H. nicht zwangsläufig auch die Annahme einer Minderung der Erwerbsfähigkeit in rentenrechtlich-relevantem Maß erlaubt.
Dem Bescheid lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger erlitt während seines Dienstes als Polizeibeamter mehrere Dienstunfälle, bei denen auch mehrfach das rechte Knie in Mitleidenschaft gezogen worden war. Im Sommer des Jahres 2000 verletzte ein Diensthund den Kläger erneut am rechten Knie. Der Unfall wurde am 2001 als „traumatische Patellaluxation rechtes Kniegelenk“ als Dienstunfall anerkannt und der Kläger beantragte die Gewährung eines Unfallausgleiches. Im März 2001 erkannte das zuständige Versorgungsamt einen GdB von 30 v.H. an, wobei für das rechte Knie ein Einzel-GdB von 20 angesetzt wurde. Im Dezember 2001 schätzte ein Gutachter unter Berücksichtigung der Vorschäden den Schaden am rechten Knie als Dauerschaden ein und setzte den Grad der MdE bei 20 v. H. an. In einem sozialgerichtlichen Verfahren ergab sich aus zwei gutachtlichen Stellungnahmen aus dem Jahr 2003, daß der Einzel-GdB am rechten Knie 30 v.H. betrage.
Im Januar 2003 lehnte die Beklagte die Gewährung eins Unfallausgleiches ab, wogegen der Kläger erfolglos Widerspruch einlegte und dann Klage erhob. Im März 2004 wurde in dem sozialgerichtlichen Verfahren ein fachchirurgisches Gutachten eingeholt, daß eine „ausgeprägte Knorpelschädigung des rechten Kniegelenks bei Chondromalacia patellae Stadium IV mit anhaltenden Reizerscheinungen und Bewegungseinschränkung mit einer GdB von 40 v.H.“ feststellte. Die Schwerbehindertenanerkennung wurde dem Kläger dann bei dem Merkzeichen „G“ zuerkannt.
Der Kläger beantragte in dem Klageverfahren zunächst, daß Unfallausgleich nebst Zinsen wegen einer MdE von 40% für die Zeit ab dem 01.02.2001 gezahlt wird. Später nahm er die Klage insoweit zurück als er nur noch Zahlung des Ausgleichs ab dem 01.01.2003 begehrte.
Im Klageverfahren eingeholte Gutachten und Stellungnahmen des Medizinischen Dienstes ergaben zu Gunsten des Klägers eine MdE von 40 v.H. seit dem 01.01.2003. Auf dieser Grundlage erhielt der Kläger für die Zeit vom 01.01.2003 bis 31.12.2003 einen Unfallausgleich auf Basis einer MdE von 25 v. und erst für die Zeit ab 01.01.2004 einen Unfallausgleich auf Basis einer MdE von 40 v.H., weil die Beklagte die Auffassung vertrat, daß der Gutachter sich bezüglich einer MdE von 40 v.H. ab dem 01.01.2003 nicht verbindlich festgelegt hatte und dies eher als Vorschlag verstanden werden müsse.
Das VG Hannover wies die Klage, soweit es in ihr nur noch um die Frage eines Unfallausgleichs auf der Grundlage einer MdE von 40 v.H. für das Jahr 2003, nun ab. Nach Aufassung des Gerichts hätte der Unfallausgleich auf der Grundlage von 40 v. H. nur zugesprochen werden können, wenn zur Überzeugung des Gerichts festgestanden hätte, daß der Kläger auch im Jahre 2003 unter einer MdE von 40 v.H. litt. Der Gutachter habe die Annahme eines solchen Wertes aufgrund einer „gewissen Linearität der Befundprogredienz“ aber nur vorgeschlagen und aus der Stellungnahme des Medizinischen Dienstes ergebe sich keine eigene Bewertung.
Das VG weist daraufhin, daß auch die nach Aktenlage bekannten Feststellungen zum GdB des Klägers die Annahme einer MdE von 40 v.H. im Jahre 2003 nicht ausreichend stützten. Grundsätzlich sei der GdB, der sich auf die Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (§§ 2 Abs. 1, 69 Abs. 3 SGB IX) beziehe, nicht direkt mit der MdE, die sich lediglich auf die Frage der körperlichen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben beziehe, zu vergleichen. Da der GdB nach dem Wortlaut der Gesetze aber einen umfassenderen Begriff darstelle, sei es nicht ausgeschlossen, aus seiner Bemessung Rückschlüsse für Maß der MdE zu ziehen.
Hier war der GdB aber sowohl für das Jahr 2002 als auch für das Jahr 2003 übereinstimmend mit lediglich 30 v.H. und erst im Jahr 2004 auf 40 v.H. angesetzt worden. Deswegen könne schwerlich bereits für das Jahr 2003 eine MdE von 40 v.H. angenommen werden.
Den Zinsanträgen entsprach das VG gleichwohl und stützte diese auf eine entsprechende Anwendung der §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. Art. 229 § 1 Abs. 1 Satz 3 EGBGB. Diese Vorschriften finden nach ständiger Rechtsprechung des BVerwG Anwendung, wenn eine streitige Geldleistung der Höhe nach feststeht und fachgesetzlich keine abweichende Regelung vorliegt. Dem Kläger wird hierbei nicht abverlangt, daß sich sein Begehren auf die Zahlung einer bestimmen Summe bezieht, denn § 291 Satz 1 BGB finde auch dann Anwendung, wenn ein verwaltungsgerichtliches Verfahren mit der Verpflichtung zum Erlass eines Leistungsbescheids über eine bestimmte Geldzahlung endet.
Fundstelle: Bescheid des VG Hannover vom 22.11.2006 – 13 A 2316/03 –
Christian von Hopffgarten
Rechtsanwalt & Fachanwalt
für Arbeitsrecht
Rechtsanwälte Felser