Die Sendung “Westpol” im Fernsehprogramm des Westdeutschen Rundfunks nimmt sich regelmässig des unausrottbaren Bürokratiewahns an. In der Fernsehsendung vom 22.04.2007 (Onlinemanuskript) ging es um einen Bauherrn, der Jahre nach der Fertigestellung seines Hauses auf Betreiben seines Nachbarn eine Abrissverfügung erhalten hatte, obwohl sich schon aus den Zeichnungen zur Baugenehmigung deutlich ergab, dass der sog. Bauwich zum Nachbargrundstück nicht eingehalten war. Auch zwei Baubesichtigungen und die Bauabnahme führten zu keinen Beanstandungen. Spannend wird die Frage sein, ob die Stadtverwaltung nicht am Ende selbst auf der Grundlage des Amtshaftungsanspruchs in Regress genommen wird. Der Beitrag ist auch als Video auf den Seiten des WDR verfügbar.

2 Kommentare

  1. RA Johannes Bohl
    24. April 2007 17:52

    Sehr geehrte Leser!
    Bei dem Fall handelt es sich keineswegs um „Bürokratiewahnsinn“, sondern in erster Linie um Rechtsunkenntnis des Bauherrn. Wer ohne rechtskräftige Baugenehmigung baut, tut dies auf eigens Risiko. Eine Rechtspflicht eines Nachbarn zur Durchführung eines Eilverfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO gibt es nicht. Hat der Nachbar im Rechtsstreit nach Jahren Erfolg, droht die Beseitigung des Bauwerks – und zwar Entschädigungslos, wie gerade die jüngere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bestätigt hat. Deshalb ist diese Konsequenz in der Regel in der Baugenehmigung auch als Hinweis an den Bauherrn enthalten.

    Problemauslöser ist hierbei vor allem § 212a BauGB, der die Baugenehmigung mit gesetzlicher sofortiger Vollziehung ausstattet. Deswegen hat der Bauherr keine Möglichkeit, auf eigene Initiative ein gerichtliches Eilverfahren zur (relativ verlässlichen) Vorabprüfung seines Bauvorhabens zu erreichen. Eine völlig verfehlte Rechtsvorschrift, die im übrigen von den Bürgern auch nicht wirklich verstanden wird.

    Eine Schuldzuweisung an die Behörden ist in dem Fall verfehlt. Erst recht ist für die Polemik, es handel sich um „Bürokratiewahnsinn“, kein Platz. Wer solches behauptet, möge einmal internatinale Rechtsvergleichung betreiben und er wird schnell feststellen, wie geordnet und vor allem berechenbar Verfahren in Deutschland sind.

    Auch ist zu empfehlen, bei einem „dreiseitigen“ Fall (Bauherr – Behörde – Nachbar) nicht nur eine Seite in den Blick zu nehmen, sondern alle Seiten. Dann wird er schnell feststellen, das jeder seine berechtigten Interessen hat.

    Mit freundlichen Grüßen
    RA Johannes Bohl, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Würzburg

  2. RA Felser
    26. April 2007 11:23

    Lieber Kollege,

    die Rechtslage sieht sicher gleich ganz anders aus, wenn die Baugenehmigung erteilt, also bestandskräftig wurde und erst nachträglich – Jahre später eine Abrissverfügung erlassen wurde. So lag der Fall hier. Der Bauherr hat im Vertrauen auf eine ihm erteilte Baugenehmigung das Bauvorhaben verwirklicht. Dass der Nachbar ungeachtet dessen seine Rechte durchsetzen kann, ist auch nicht das Problem. Die nachbarschützende Abrissverfügung wird er wohl nicht angreifen können. Auch, dass die Stadt nichts dafür kann, wenn die Baugenehmigung erschlichen wurde oder auf der Basis falscher Unterlagen erteilt wurde. So lag es hier aber nicht. Aus den zur Genehmigung eingereichten Unterlagen ergab sich d e u t l i c h s t (das ist mir sogar auf den ersten Blick aufgefallen ;-), dass der Abstand zum Nachbargrundstück nicht eingehalten wurde, immerhin um einen halben Meter. Die Baubehörde soll dies in der Zeichnung sogar mit einem „Häkchen“ versehen haben. Die Stadt wird sich in diesem Fall im Rahmen der Amtshaftung wohl für den eintretenden Schaden verantworten müssen. Der BGH hat ein schutzwürdiges Vertrauen des Bauherrn in die erteilte Baugenehmigung und eine daraus resultierende Amtshaftung der Baugenehmigungsbehörde mehrfach bejaht.

    Mit freundlichen Grüssen

    Michael W. Felser
    Rechtsanwalt