Immer wieder werden wir, insbesondere in Insolvenzfällen, gefragt, ob man als Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis kündigen kann, wenn das Gehalt bzw. der Lohn unpünktlich oder gar nicht gezahlt wird. Üblicherweise antworten Juristen dann gerne: “Es kommt darauf an”. Allerdings gibt es klare Regeln, die zu beachten sind, wenn man selbst im Wege einer sogenannten Eigenkündigung (zu den Punkten, die bei einer normalen Arbeitnehmerkündigung zu beachten sind, siehe unsere Checkliste) kündigen will.

Gehaltsrückstände und fehlende Lohnzahlungen, aber selbst ständig unpünktliche Zahlungen können durchaus Anlass zu einer ausserordentlichen, d.h. fristlosen Kündigung des Arbeitnehmers sein. Wie bei der Arbeitgeberkündigung auch, verlangt die Rechtsprechung aber zuvor eine Abmahnung des Arbeitgebers. Ohne vorherige Abmahnung wäre also auch eine fristlose Kündigung durch den Arbeitnehmer nicht gerechtfertigt (LAG Köln vom 21.07.2006 – Aktenzeichen: 4 Sa 574/06).

Eine fristlose Kündigung kommt dann in Betracht, wenn die Nichtzahlung des Lohnes eine nicht unerhebliche Höhe erreicht oder der Verzug mit der Lohnzahlung sich über einen erheblichen Zeitraum hinweg erstreckt u n d der Arbeitnehmer diesen Fehler abgemahnt hat. Daraus folgt, daß nicht schon jeder kurzfristige oder geringfügige Zahlungsverzug ausreichen kann, um eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Neben dem Umfang des Lohn- oder Gehaltsrückstandes kann von Bedeutung sein, ob es sich um eine einmalige oder dauernde Unpünktlichkeit bei der Vergütungszahlung handelt. Auch bei geringeren Beträgen kann es dem Arbeitnehmer nicht mehr zumutbar sein, sein Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzuführen, wenn der Arbeitgeber zum wiederholten Male mit den Vergütungsleistungen in Verzug kommt. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Arbeitgeber leistungsunwillig oder nur leistungsunfähig ist (so BAG Urteil vom 17.01.2002 – Aktenzeichen: 2 AZR 494/00).

Das Sächsische Landesarbeitsgericht (Urteil vom 26.09.2003 – Aktenzeichen: 2 Sa 976/02) akzeptierte bei einem Rückstand eines ganzen Gehaltes eine erneute Verzögerung von einer Woche als hinreichenden Grund – auch ohne Abmahnung. Das geht vor allem dann in Ordnung, wenn mit einer pünktlichen Zahlung anhand von konkreten Anzeichen auch in Zukunft nicht zu rechnen ist.

Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte

Autor des Ratgebers “Kündigung – was tun?” – empfohlen u.a. von DGB, Deutschlandfunk, FAZ, HR, WDR, MDR u.a

Auswahl einiger Interviews mit Rechtsanwalt Felser zum Thema „Kündigung“:
* Süddeutsche Zeitung: “Abfindung – Nein danke!” hier >>
* Bild/T-Online: Der SOS-Plan bei einer Kündigung – online hier >>
* Karriere.de: Vorsicht beim Aufhebungsvertrag – online hier >>
* Frankfurter Rundschau: “Nachgefragt: Kündigung in der Elternzeit?” – online hier >>
* Deutschlandfunk: “Der doppelt freiwillige Abfindungsanspruch” – online hier >>
* Süddeutsche Zeitung: “Lieber arbeiten als kassieren” – online hier >>
* Deutschlandradio: “Das Arbeitszeugnis” – online hier >>
* Süddeutsche Zeitung: “Arbeitsrecht: Find mich ab!” – online hier >>
* Süddeutsche Zeitung: “Arbeitsrecht 2004: Der Schutz vor willkürlichen Entlassungen bleibt” – online hier >>
* Capital Heft 2/2006: “Bitterer Abgang – Bei unwideruflichen Freistellungen droht Angestellten der Verlust des Versicherungsschutzes” – online hier >>
* SVZ u.a.: Ebay Beobachtung am Arbeitsplatz – online hier >>

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