Böse Zungen behaupten ja, daß sie erst beim Bund das Saufen gelernt haben. Noch bösere Zungen kolportieren, das generalstabsmäßige Picheln gehöre gar zur Grundausbildung.

Nun, das sieht das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 30.11.2006 – B 9a VS 1/05 R – anders. Die Bundessozialrichter sind der Auffassung, daß bei einem Unfall auf dem Kasernengelände, dessen Hergang nicht weiter aufgeklärt worden ist, weder allein die Alkoholisierung des Verunfallten noch die Kasernierungspflicht an sich aus dem Geschehen einen „wehrdiensteigentümlichen“ Unfall machen, aus dem Entschädigungsansprüche resultieren können.

Der Kläger verbrachte im September 93 als Wehrdienstleistender einen Abend bis 20:00 Uhr im Mannschaftsheim seiner Kaserne, zog bis in die frühen Morgenstunden durch die Gemeinde, um dann in die Kaserne zurückzuziehen. Gegen 4:15 Uhr wurde er dann vor seinem Kompaniegebäude nur mit Unterhose bekleidet, Abschürfungen im Gesicht und einer Wunde an der Ferse entdeckt. Später wurden noch Brüche von Lendenwirbelkörpern, einer Handwurze, eines Fersenbeins, eines Daumengrundgelenks sowie ein Einriss der Harnblase festgestellt. Im Rahmen der Ermittlungen konnte noch geklärt, werden, daß der Kläger offenbar aus seiner Stube im 2. Stock neun Meter tief gestürzt war. Wie es dazu kam, konnten weder der Kläger noch seine Stubenkameraden nachvollziehen und auch durch die Ermittlungen nicht geklärt werden.

Wegen der Beeinträchtigungen beantragte der Kläger erfolglos Beschädigtenrente nach § 85 des Soldatenversorgungsgesetz (SVG) i.V.m. dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Erstinstanzlich obsiegte der Kläger vor SG Landshut, weil dieses nach einer Auskunft einer Berufsgenossenschaft davon ausging, daß die zulässige Brüstungshöhe des Stubenfensters um 10 cm unterschritten war. Bauliche Mängel des Dienstortes hätten daher als wesentlich mitwirkende Bedingung zu dem Unfall geführt.

Ein zweitinstanzliches Gutachten ergab, daß die Brüstungshöhe und die Fenstermaße nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit für den Sturz maßgeblich gewesen seien. Der Umstand, daß der Klägers vor allem mit den Füßen und der unteren Körperhälfte aufgeschlagen war, indiziere auch, daß Sturz mit den Füßen voran erfolgt sei. Dennoch bestätigte auch das LSG das Urteil. Zwar habe sich der Unfall nicht bei Verrichtung oder Ausübung des Wehrdienstes ereignet. Jedoch sei in dem Umstand der Kasernierung in ungewohnter Umgebung an sich die Ursache für den Unfall zu sehen. Da der Kläger, der an sich beweispflichtig für die Dienstbezogenheit des Unfalls sei, keinen Einfluß auf die Ermittlungen der Polizei oder Bundeswehrverwaltung gehabt habe und er als Wehrpflichtiger wegen des Unfallgeschehens auch nur über das SVG abgesichert war, sei es interessengerecht, von der herkömmlichen Beweislastregel zu Gunsten des Klägers abzuweichen.

Das BSG hob dann allerdings die Urteile auf und gab das Verfahren zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das LSG zurück. Es verwies darauf, daß nach den vorinstanzlichen Feststellungen Beweislosigkeit bezüglich einer Wehrdiensteigentümlichkeit des Unfalls gegeben war. Die Kasernierung für sich genommen könne nach der Rechtsprechung des Senats keine wesentlich mitwirkende Ursache gemäß § 81 Abs 1 3. Alt SVG sein. Das komme nur in Betracht, wenn besondere, in der Kasernierung begründete Umstände hinzutreten. Derartige Umstände habe der Kläger nicht dartun können. Auf den Grundsatz des Beweises des ersten Anscheins könne auch im sozialgerichtlichen Verfahren zurückgegriffen werden. Ein Anscheinsbeweis komme jedoch nur dann in Betracht, wenn ein Sachverhalt vorliegt, der üblicherweise gleich, vom menschlichen Willen unabhängig abläuft. Das könne mangels Klärung des Sachverhalts aber nicht beurteilt werden. Allein aus der Kasernierung erfolge jedenfalls kein zwangsläufiger Fenstersturz. Da der Gesetzgeber im Entschädigungsrecht übliche Beweisschwierigkeiten gesehen habe und teilweise Regeln zu Gunsten der Geschädigten entwickelt hat – z. B. muß der der ursächliche Zusammenhang nach § 1 Abs 3 Satz 1 BVG , § 81 Abs 6 Satz 1 SVG nur wahrscheinlich sein-, komme hier nicht noch eine weitere Beweiserleichterung für den Kläger nicht in Betracht.

Fundstelle: Begründung des Urteils des BSG vom 30.11.2006 – B 9a VS 1/05 R –

Christian von Hopffgarten
Rechtsanwalt & Fachanwalt
für Arbeitsrecht
Rechtsanwälte Felser

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