Am Freitag, 06.07.2007 hat der erste Verhandlungstag des in der Türkei inhaftierten 17jährigen Schülers Marco W. – dem sexuelle Handlungen mit einer 13jährigen Urlauberin aus England vorgeworfen werden – stattgefunden.
Die Verhandlung, bei welcher Marco W. durch einen türkischen Anwalt verteidigt wurde, dauerte lediglich von 09:30 bis 11:30 Uhr – unter anderem wohl, weil die Hauptbelastungszeugin, das Mädchen, nicht erschienen war, ebensowenig wie die Eltern. Der deutsche Anwalt, sowie eine Vertreterin des Auswärtigen Amtes durften der Verhandlung nicht beiwohnen.
Marco W. wurde am 12. April festgenommen worden und befindet sich seitdem in Antalya in Untersuchungshaft.
Das Verfahren soll voraussichtlich am 08.08.2007 fortgesetzt werden. Bis dahin wird Marco W. wohl inhaftiert bleiben, da das Gericht eine Haftverschonung abgelehnt habe.
Das Verfahren löst eine Vielzahl widerstreitender Meinungskundgebungen aus.
Richtig dürfte sein, daß Marco W. auch in Deutschland mit einem Ermittlungsverfahren zu rechnen hätte, da sexuelle Handlungen mit einer Person unter 14 Jahren (nach der gesetzlichen Definition ein Kind) – bei Erwachsenen – mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft werden kann, bei Geschlechtsverkehr und einem Alter des Täters über 18 Jahren sogar mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren.
Auch, wenn der Täter selber noch minderjährig ist, muß die Tat verfolgt werden. Es liegt dann zwar kein Verbrechen vor und es wird Jugendstrafrecht zur Anwendung kommen, aber verfolgt wird es auch hier in Deutschland werden. Die Strafe könnte sich jedoch – je nach „Intensität der Tathandlung“ und etwaiger vorheriger Auffälligkeiten gegenüber der Justiz – im Bereich des bewährungsfähigen Rahmens bewegen.
In der Tat ist jedoch bemerkenswert, daß die Hauptbelastungszeugin bislang nicht erschienen ist. Aus Sicht eines Verteidigers daher ein guter Grund, eine erneute Verhandlung zu bestimmen. Denn ohne Beweise geht es nicht, zumal, wenn die Zeugin – wie Marco angegeben haben soll – ihm gegenüber ihr Alter mit 15 angegeben haben soll. Das ändert nichts am Vorliegen des Straftatbestandes, kann aber für die Strafe von erheblicher Bedeutung sein. Und schließlich müßte man – als Strafverteidiger – dem Gericht vorwerfen, gegen Art. 6 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten ([E]MRK) zu verstoßen, würde es nicht zumindest versuchen, Marco W. das ihm nach dieser Rechtsnorm zustehende Recht auf Konfrontation mit der Zeugin, das heißt auch das Recht, Fragen durch seinen Verteidiger an diese zu stellen, zu gewähren.
Indes ist durch die Vertagung zugleich ein gewisser zeitlicher Fortgang bedingt. Und Marco W. bleibt in Haft. Dies mag im Grundsatz noch nachvollziehbar sein, da die türkische Justiz wohl befürchten darf, daß Marco W. den „Urlaub“ alsbald zu beenden gedenken würde.
In Deutschland gilt jedoch der Grundsatz der beschleunigten Bearbeitung von Haftsachen – das sind selten Vertagungen bis zu einem Monat. Und insbesondere in Verfahren gegen Jugendliche wird nach Möglichkeiten gesucht, Haftzeiten zu vermeiden – erst recht, wenn bereits (bis auf zwei Tage) drei Monate verstrichen sind und zum nächsten Termin fast vier Monate Haft andauern, etwa Heimunterbringung mit entsprechenden Anwesenheitskontrollen.
Frings
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Strafrecht
SKFH – Schlegelmilch Kremer Frings Hellmig
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