Nein, haben wir mehrfach bekräftigt, auch wenn der Arbeitsvertrag es verbietet, man darf über sein Gehalt auch mit Kollegen reden – allerdings fehlte bisher ein Beleg für unsere Meinung aus der höheren arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung. Die in fast jedem zweiten Arbeitsvertrag zu findende Klausel, nach der der Arbeitnehmer verpflichtet ist, über die Höhe seines Gehalts Stillschweigen zu bewahren, ist rechtswidrig, bestätigte nun das Landesarbeitsgericht in Mecklenburg-Vorpommern. Ein Arbeitnehmer hatte gegen eine Abmahnung geklagt, die er bekommen hatte, weil er gegen die Verschwiegenheitspflicht wegen des Gehalts verstoßen hatte. Besser und knackiger als das Landesarbeitsgericht MV (vom 21.10.2009 – 2 Sa 183/09) kann man nicht erklären, warum eine derartige Klausel offensichtlich unwirksam ist:

„Die Klausel in § 4 Nr. 4 des Anstellungsvertrages, wonach der Arbeitnehmer verpflichtet ist, die Höhe der Bezüge vertraulich zu behandeln und auch gegenüber anderen Firmenangehörigen Stillschweigen darüber zu bewahren, ist unwirksam. Sie stellt eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers entgegen den Geboten von Treu und Glauben im Sinne von § 307 BGB dar.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (zuletzt: Urteil vom 15.07.2009, 5 AZR 486/08) ist der Arbeitgeber auch bei der Lohngestaltung dem Gleichbehandlungsgrundsatz verpflichtet. Die einzige Möglichkeit für den Arbeitnehmer festzustellen, ob er Ansprüche aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz hinsichtlich seiner Lohnhöhe hat, ist das Gespräch mit Arbeitskollegen. Ein solches Gespräch ist nur erfolgreich, wenn der Arbeitnehmer selbst auch bereit ist, über seine eigene Lohngestaltung Auskunft zu geben. Könnte man ihm derartige Gespräche wirksam verbieten, hätte der Arbeitnehmer kein erfolgversprechendes Mittel, Ansprüche wegen Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Rahmen der Lohngestaltung gerichtlich geltend zu machen.

Darüber hinaus wird das Verbot auch gegen die Koalitionsfreiheit gemäß Art. 9 Abs. 3 GG verstoßen, da sie auch Mitteilungen über die Lohnhöhe gegenüber einer Gewerkschaft verbietet, deren Mitglied der betroffene Arbeitnehmer sein könnte. Sinnvolle Arbeitskämpfe gegen ein Unternehmen wären so nicht möglich, da die Gewerkschaft die Lohnstruktur nicht in Erfahrung bringen kann.“

Wir haben es auf Arbeitsvertrag.de ausführlich begründet, warum eine solche Klausel unzulässig ist. Das von Rechtfertigern derartiger 50er Jahre Klauseln vorgebrachte Argument, der Betriebsfrieden werde durch den Gehaltsvergleich unter Kollegen gefährdet, widerlegt sich selbst: Wenn nachvollziehbare Unterschiede gemacht werden, wird es auch den Betriebsfrieden nicht gefährden, wie zahlreiche Tarifverträge und Vergütungsordnungen zeigen. Das Vorhandensein einer solchen Klausel im Arbeitsvertrag dürfte den Betriebsfrieden im übrigen mehr gefährden: Denn als Arbeitnehmer fragt man sich, was es denn zu verbergen gibt. Und der Neugier dürfte es erst recht Vortrieb geben. Eine nicht nur rechtswidrige, sondern auch dumme Klausel, finde ich.

Arbeitsgericht Arnsberg auch gegen Maulkorb über Gehaltshöhe via Arbeitsvertrag.de

Mehr Infos auf unseren Seiten Betriebsgeheimnis (de) und Verschwiegenheitspflicht (de)

Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte

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