Wie bereits berichtet, häufen sich bei uns in der Kanzlei die Mandate, in denen Arbeitnehmer vor oder mit der Kündigung ein mit „dreiseitiger Vertrag“ überschriebenes Vertragskonstrukt vorlegen. Man könnte nun aufgrund der Bezeichnung vermuten, dass es sich um einen kurzen Vertrag handelt, dessen Inhalt sich auf drei Seiten zusammenfassen lässt. Die meisten dreiseitigen Verträge haben aber deutlich mehr Seiten, nämlich ca. zehn. Der Vertrag heißt so, weil er zwischen drei Beteiligten (Parteien) vereinbart wird, nämlich Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Transfergesellschaft. Wegen der Nachteile für Arbeitnehmer wird der dreiseitige Vertrag allerdings kanzleiintern als „einseitiger Vertrag“ bezeichnet.
Der dreiseitige Vertrag bewirkt ein einvernehmliches und umgehendes Ausscheiden aus dem Unternehmen und den Eintritt in eine sog. Transfergesellschaft und stellt sich damit leztlich als Aufhebungsvertrag dar. Die Transfergesellschaft soll die zügige Ermittlung des Status quo, der Fortbildungsnotwendigkeiten und letztlich die Vermittlung in den normalen Arbeitsmarkt sicherstellen. Da zur Zeit vornehmlich ältere Beschäftigte unter zweifelhafter Nutzung der Möglichkeiten des Interessenausgleichs mit Namensliste gekündigt werden, sponsern diese allerdings durch den umgehenden Eintritt mit ihren langen die Kosten der Transfergesellschaft – gemeinsam mit den Fördermitteln der Arbeitsagentur – selbst. Für den Arbeitgeber bleibt dieses Angebot meistens kostenfrei oder sogar vorteilhaft. Denn der Arbeitgeber spart z.B. bei einem sofortigen Übertritt nach Kündigung die Kosten des Gehalts in der Kündigungsfrist (z.B. sieben Monate mal 100 %) abzgl. des Aufstockungsbetrages, der meistens max. 20 % beträgt. Bei einer Dauer der Transfergesellschaft von 12 Monaten und langer Kündigungsfrist spart das Unternehmen also sieben Bruttomonatsgehälter und muss dafür 12 Monate lang 20 % des Nettogehaltes als Aufstockungsbetrag zahlen. Das rechnet sich gerade bei Arbeitnehmern mit längerer Kündigungsfrist (ältere Arbeitnehmer), auch wenn die Transfergesellschaft natürlich selbst etwas kostet.
Damit setzt das Instrument der Transfergesellschaft aber die falschen Anreize: Ein Unternehmen wird immer versuchen, möglichst viele Arbeitnehmer mit langen Kündigungsfristen in eine Transfergesellschaft zu bekommen, weil es dann „billiger“ wird. Da die Umgehung der gesetzlichen Sozialauswahl nur mit der Hilfe des Betriebsrats funktioniert, erklärt sich die epidemieartige Ausbreitung von Namenslisten in den Unternehmen. Gerade für die älteren Arbeitnehmer macht eine Transfergesellschaft ber aüberhaupt keinen Sinn. Selbst die Profiler und Vermittler der Transfergesellschaften winken – wenn das Mikro der Informationsveranstaltung abgestellt ist – müde ab, wenn sie auf die Vermittlungschancen und – anstrengungen bei über 55-jährigen angesprochen werden.
Als betroffener Arbeitnehmer sollte man daher in jedem Fall – der den Mitarbeitern auferlegte Druck einer kurzfristigen Entscheidung ist ebenfalls angesichts der weitreichenden Folgen der Unterschrift kritikwürdig – die Sach- und Rechtslage nüchtern und gründlich analysieren lassen. Wir untersuchen dazu die konkrete kündigungsschutzrechtliche Lage, berücksichtigen die Bezugsdauer des Arbeitslosengeld I und den frühestmöglichen Renteneintritt und den dabei meist eintretenden Abschlag und stellen die Situation „mit Transfergesellschaft“ und „ohne Transfergesellschaft“ gegenüber. Nur so kann der betroffene Arbeitnehmer eine individuelle Entscheidung treffen.
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Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte