das behaupten nicht nur Gewerkschaftssekretäre gerne, die keine Juristen sind, sondern auch Allgemeinanwälte ohne Spezialisierung. Gemeint ist damit die Einreichung eines Formularschriftsatzes („Kündigungsschutzantrag, Schleppnetzantrag, Weiterbeschäftigungsantrag„), das Bestreiten mit Nichtwissen und der Abschluß eines Vergleiches im Gütetermin. Dieser gelingt allerdings immer seltener, wie mir Arbeitsrichter mehrfach geklagt haben. Wenn die „Güte“ scheitert, wird es für Kläger und Beklagten ernst.
Die erste Instanz im Kündigungsschutzprozess ist nämlich die wichtigste, was regelmäßig unterschätzt wird. Mancher bestreitet dies aus Nichtwissen. Fehler aus der ersten und zweiten Instanz kann man am Bundesarbeitsgericht häufig nicht mehr reparieren. Das betrifft nicht nur die Antragsstellung und den Tatsachenvortrag (die Revisionsinstanz ist keine Tatsacheninstanz), sondern auch rechtlichen Vortrag wie die Berufung auf Unwirksamkeitsgründe der Kündigung. Aber auch schon in der zweiten Instanz kann mancher Fehler nicht mehr korrigiert werden.
Der Kündigungsschutzprozeß ist mit Abstand das rechtlich komplexeste und taktisch anspruchsvollste Verfahren vor dem Arbeitsgericht. Und es ist gerade die verbreitete Einschätzung des Kündigungsschutzverfahrens als Brot-und-Butter-Verfahren, die grobe Schnitzer ermöglicht.
Das Bundesarbeitsgericht hat dies erneut für die Berufung eines Arbeitnehmers auf eine tarifvertragliche Unkündbarkeit bestätigt.
Der tarifvertragliche oder arbeitsvertragliche Ausschluss der ordentlichen Kündigung (so. Unkündbarkeit) zählt zu den Unwirksamkeitsgründen einer vom Arbeitgeber ausgesprochenen ordentlichen Kündigung und muss danach gemäß § 4 KSchG rechtzeitig – d.h. bis zur letzten mündlichen Verhandlung erster Instanz – mit der Kündigungsschutzklage prozessual geltend gemacht werden (so schon BAG, Urteil vom 29.03.2007 – Aktenzeichen 2 AZR 614/06).
„Nach § 6 Satz 1 KSchG in der zum 1. Januar 2004 erfolgten Neufassung durch Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3002) (im Folgenden: § 6 nF KSchG) kann sich ein Arbeitnehmer, der innerhalb der Klagefrist des § 4 KSchG die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung im Klagewege geltend gemacht hat, in diesem Verfahren bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz zur Begründung der Unwirksamkeit auch auf innerhalb der Klagefrist noch nicht geltend gemachte Gründe berufen. § 6 nF KSchG ist eine Folge der Ausdehnung der dreiwöchigen Klagefrist des § 4 Satz 1 nF KSchG auf alle Unwirksamkeitsgründe einer schriftlichen Kündigung (BT-Drucks. 15/1204 S. 13; Stahlhacke/Preis/Vossen-Vossen Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis 9. Aufl. Rn. 1816a; KR-Friedrich 7. Aufl. § 6 KSchG Rn. 7; Löwisch/Spinner KSchG 9. Aufl. § 6 Rn. 1; Raab RdA 2004, 321) . § 6 nF KSchG ermöglicht dem Arbeitnehmer – wie bisher – die Erweiterung der Klage auf Feststellung der Sozialwidrigkeit der Kündigung, vorausgesetzt, dass die wegen Unwirksamkeit der Kündigung aus anderen Gründen erhobene Klage innerhalb der Dreiwochenfrist des § 4 KSchG eingereicht wurde (KR-Friedrich aaO Rn. 7; APS-Ascheid 2. Aufl. § 6 KSchG Rn. 2). Darüber hinaus umfasst die neue Regelung – wegen der Erstreckung der Klagefrist des § 4 nF KSchG auf sämtliche Unwirksamkeitsgründe – auch den umgekehrten Fall, dass der Arbeitnehmer form- und fristgerecht Klage gegen die von ihm als sozialwidrig angesehene Kündigung erhoben hat und nach Ablauf der Klagefrist weitere Unwirksamkeitsgründe nachschieben will, wie zB die unterbliebene oder mit Mängeln behaftete Anhörung des Betriebsrats (KR-Friedrich aaO; Stahlhacke/Preis/Vossen-Vossen aaO; APS-Ascheid aaO; Löwisch/Spinner aaO Rn. 2; ErfK-Kiel 7. Aufl. § 6 KSchG Rn. 4) .“
so das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 08.11.2007 Aktenzeichen: 2 AZR 314/06)
war ist nach § 6 Satz 2 KSchG das Arbeitsgericht verpflichtet, den Arbeitnehmer auf seine Rechte aus § 6 Satz 1 KSchG hinzuweisen. Allersspätestens in der Berufungsschrift hätte aber die Unkündbarkeit geltend gemacht werden müssen, so das Bundesarbeitsgericht. Denn der Kläger sei durch das Arbeitsgericht im Urteil darauf hingewiesen worden, dass er weitere Unwirksamkeitsgründe nicht geltend gemacht habe.
Der Kläger verlor seinen Arbeitsplatz hier nur deswegen, weil er sich nicht rechtzeitig auf eine Unwirksamkeit der Kündigung wegen Verstoßes gegen ein tarifliches Kündigungsverbot berufen hat.
Fazit: Unkündbarkeit schützt vor Fehlern von Anwälten nicht. Nehmen Sie nur spezialisierte Anwälte in ihre engere Auswahl. Fragen Sie den Anwalt nach Fallzahlen. Achten Sie auf eine gründliche Aufnahme des Sachverhaltes vor der Klageerhebung. Wenn der Anwalt nur ihre persönlichen Daten aufnimmt und nicht gründlich mögliche Unwirksamkeitsgründe der Kündigung mit Ihnen gemeinsam untersucht, sollte dies schon zu denken geben.