Ja, auch Justitia tut es – ohne sich zu schämen. Ja, auch die Justiz nutzt munter und sehr zur Frustration der ohnehin stark überlasteten Verwaltungsmitarbeiter den befristeten Arbeitsvertrag, auch in endloser Kette, um Rechtsansprüche der Beschäftigten von Dauer zu vermeiden. Deutschland ist das Land des befristeten Arbeitsvertrags, Berufseinsteiger bekommen immer seltener den früher üblichen unbefristeten Arbeitsvertrag, die Zahl der befristeten Arbeitsverhältnisse steigt seit Jahren, auch seit 2004 stetig.

Der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat am 17.11.2010 auf die Klage einer mutigen Justizangestellten aus NRW, die aufgrund von insgesamt 13 (!) befristeten Arbeitsverträgen von Juli 1996 bis Dezember 2007 als Justizangestellte im Geschäftsstellenbereich des Amtsgerichts Köln beschäftigt war, den EuGH um Vorabentscheidung ersucht, ob er unter Berücksichtigung des europäischen Unionsrechts uneingeschränkt an seiner Rechtsprechung zur wiederholten Befristung von Arbeitsverhältnissen in Fällen eines ständigen Vertretungsbedarfs festhalten kann.

Denn: § 5 Nr. 1 der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 (Rahmenvereinbarung) verpflichtete die Mitgliedstaaten der EU, Maßnahmen zu ergreifen, um Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge zu vermeiden. Trotzdem steigt seitdem die Zahl der Befristungen in Deutschland kontinuierlich.

Die Befristungen der Justizbeschäftigten wurden mit der Vertretung anderer Beschäftigter wegen Elternurlaub oder Sonderurlaub begründet. Bisher ließ die Rechtsprechung dies auch zu, wenn ein dauerhaft bestehender Personalmangel wgegen Vertretungen und Sonderurlaubern mit den Befristungen gedeckt wurde. Vermutlich nutzt auch das Bundesarbeitsgericht, dessen 7. Senat jetzt die Entscheidung dem EuGH überließ, dieses Instrument der flexiblen Personalbewirtschaftung ohne Bindung (Kündigungsschutz).

Und, auch ja, auch wir Kölner können den Ball ins Tor bringen ;-).

Daten:

Ein Drittel der Arbeitnehmer unter 25 Jahren hat einen befristeten Arbeitsvertrag, 47 Prozent der Verträge bei Neueinstellungen sind befristet, in der öffentlichen Verwaltung sind 12,5 Prozent ALLER Beschäftigten auf Zeit beschäftigt (jeder achte Arbeitsplatz).

Meinung:

Das Bundesarbeitsgericht hatte es den Justizangestellten einfacher machen können. Der Denkfehler liegt nämlich darin, dass das BAG die Vertretungsbefristung auch dann erlaubt, wenn der befristet eingesetzte Mitarbeiter den Arbeitsplatz des Vertretenen gar nicht wirklich besetzt. Entscheidend ist nur, dass es irgendwo einen Vertretbaren gibt, mit dem der Bedarf für eine Vertretung – ganz grundsätzlich – gerechtfertigt werden kann. In der Praxis führt das dazu, dass ein Dauerbedarf (es gibt langjährig statistisch gesicherte Erkenntnis über die durchschnittliche Zahl von Elternurlaubszeiten und Sonderurlaubsbedarf) unter Umgehung des Kündigungsschutzgesetzes gedeckt wird. Das ist weder im Sinne des Teilzeitbefristungsgesetzes, noch der Tarifverträge SR2y) und auch nicht des EU-Rechts. Trotzdem hätte man hier wohl auch – mit etwas Entschlossenheit – den Missbrauch national als Bundesgericht unterbinden können. Ist das Gericht etwa wegen, weil es selbst befristet beschäftigte Justizangestellten nutzt?

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 17. November 2010 – 7 AZR 443/09 (A)

Michael W. Felser
Rechtsanwalt

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