Das Landesarbeitsgericht Köln hat mit Beschluß vom 13.04.2010 Aktenzeichen 7 Sa 1224/09 dem Europäischen Gerichtshof mehrere Fragen zur Auslegung des § 5 Nr. 1 der europäischen Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge vorgelegt, bei denen es im hauptsächlich um die Zulässigkeit von Kettenbefristungen (Kettenarbeitsvertrag) im öffentlichen Dienst geht.

Geklagte hatte eine Justizfachangestellte, die nach der Berufsausbildung zur Justizfachangestellten seit dem 3.7.1997 mit zehn befristeten Arbeitsverträgen – aber durchgehend als Servicekraft bei derselben Kammer eines Landgerichtes – beschäftigt wird. Die Befristungen wurden jeweils mit verschiedenen Gründen gerechtfertigt, zuletzt als „Aushilfe“ (öhem …)

Die Fragen des LAG Köln an den EuGH betreffen insbesondere § 14 Absatz 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG (Teilzeit- und Befristungsgesetz), mit dem öffentlichen Arbeitgebern erlaubt wird, Arbeitnehmer befristet zu beschäftigen, wenn diese aus Haushaltmittel vergütet werden, die für eine hbefristete Beschäftigung bestimmt sind und die Arbeitnehmer auch entsprechend beschäftigt werden. Das LAG Köln hinterfragt auch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Teilzeitbefristungsgesetz.

Die Fragen lauten:

Frage 1

a)
Ist es mit Sinn und Zweck von § 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu vereinbaren, bei der rechtlichen Überprüfung, ob im Einzelfall ein befristeter Verlängerungsvertrag durch sachliche Gründe im Sinne von

§ 5 Nr. 1 a) der Rahmenvereinbarung gerechtfertigt ist, ausschließlich auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Abschlusses dieses Verlängerungsvertrages abzustellen, ohne zu berücksichtigen, wie viele befristete Verträge diesem Vertrage bereits vorangegangen waren, oder

b)
gebietet es der Sinn und Zweck von § 5 Nr. 1 a) der Rahmenvereinbarung, der darin besteht, missbräuchliche Kettenarbeitsverträge zu verhindern, um so strengere Anforderungen an den „sachlichen Grund“ zu stellen, je mehr aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge dem jetzt zu überprüfenden bereits vorangegangen waren bzw. je länger der Zeitraum war, während dessen der betroffene Arbeitnehmer bereits zuvor aufgrund aufeinanderfolgender befristeter Verträge beschäftigt wurde?

Frage 2

Steht § 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge der Anwendung einer Norm des nationalen Rechts wie § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 TzBfG entgegen, die aufeinanderfolgende Befristungen von Arbeitsverträgen nur im öffentlichen Dienst durch den „sachlichen Grund“ rechtfertigt, dass der Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln vergütet wird, die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind, während bei Arbeitgebern des privaten Sektors derartige wirtschaftliche Gründe nicht als „sachlicher Grund“ anerkannt werden?

Frage 3

a)
Steht die in Frage 2 beschriebene Befristungsnorm (hier § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 TzBfG) dann in Einklang mit der Rahmenvereinbarung, wenn die haushaltsrechtliche Norm, auf die § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 TzBfG Bezug nimmt, eine hinreichend konkrete Zwecksetzung der Befristung enthält, die vor allem mit der betreffenden Tätigkeit und den Bedingungen ihrer Ausübung zusammenhängt (vgl. EuGH C-212/04 vom 04.07.2006 in Sachen Adeneler, Leitsatz Nr. 2)?

Falls die Frage 3 a) mit Ja beantwortet wird:

b)
Handelt es sich um eine solche hinreichend konkrete Zwecksetzung, wenn das Haushaltsgesetz, wie hier § 7 Abs. 3 HG NRW 2004/05, lediglich anordnet, die Haushaltsmittel seien für eine befristete Tätigkeit als „Aushilfskraft“ bestimmt?

Falls die Frage 3 b) mit Ja beantwortet wird:

c)
Gilt dies auch dann, wenn unter der Tätigkeit einer „Aushilfskraft“ in diesem Sinne nicht nur eine Tätigkeit verstanden wird, die entweder dazu dient, einen vorübergehend erhöhten Arbeitsanfall abzudecken oder eine vorübergehend ausfallende Stammarbeitskraft in deren Tätigkeit zu vertreten, sondern wenn der Begriff „Aushilfskraft“ auch schon dann als erfüllt angesehen wird, wenn der Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln bezahlt wird, die dadurch freigeworden sind, dass eine in derselben Dienststelle tätige Stammarbeitskraft vorübergehend ausfällt, obwohl die „Aushilfskraft“ mit Tätigkeiten beschäftigt wird, die einem ständig anfallenden Dauerbedarf des Arbeitgebers zuzuordnen sind und die keinen inhaltlichen Bezug zu der Tätigkeit der ausfallenden Stammarbeitskraft aufweisen, oder

d)
widerspricht die in Frage 3 c) beschriebene Auslegung des Begriffs der „Aushilfskraft“ dem Sinn und Zweck der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge, den Missbrauch von Kettenarbeitsverträgen zu verhindern, und dem in der Rechtssache Angelidaki (EuGH C-378/07 bis C-380/07 vom 23.04.2009, Leitsatz 2) aufgestellten Grundsatz, dass § 5 Nr. 1 a) der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge der Anwendung einer nationalen Regelung entgegensteht, „der zufolge die Verlängerung aufeinander folgender befristeter Arbeitsverträge im öffentlichen Sektor allein deshalb als aus ‚sachlichen Gründen‘ im Sinne dieses Paragraphen gerechtfertigt angesehen wird, weil die Verträge auf Rechtsvorschriften, die die Vertragsverlängerung zur Deckung eines bestimmten zeitweiligen Bedarfs zulassen, gestützt sind, während in Wirklichkeit der Bedarf ständig und dauernd ist“ ?

Frage 4

Verstößt ein Mitgliedsstaat gegen § 8 Nr. 3 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge, wenn er in dem Gesetz, das der Umsetzung der Richtlinie 1999/70/EG ins nationale Recht dienen soll, einen solchen, wie in Frage 2 beschriebenen haushaltsrechtlichen Befristungsgrund allgemein für den gesamten öffentlichen Dienst einführt, den es in der nationalen Rechtslage vor Erlass der Richtlinie 1999/70/EG in vergleichbarer Form nur für kleinere Teilbereiche des öffentlichen Dienstes (Hochschulwesen) gegeben hat ? Führt ein solcher Verstoß dazu, dass die nationale Norm nicht mehr angewandt werden darf ?

Der Fall der Justizangestellten ist kein Einzelfall. Auch an den Arbeitsgerichten in NRW sind zahlreiche MitarbeiterInnen im Rahmen einer Befristung beschäftigt.

Die Antworten des Europäischen Gerichtshofs können Bedeutung für eine Vielzahl von befristet beschäftigten Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst und darüber hinaus auch generell Auswirkungen für die Zulässigkeit von befristeten Arbeitsverträgen haben.

Man kann nur hoffen, dass diese mißbräuchliche Umgehung des Kündigungsschutzes durch den EuGH nun durch den mutigen Vorlagebeschluß des LAG Köln endlich gestoppt wird. In der Justiz werden beileibe nicht zu viele Servicekräfte beschäftigt.

Landesarbeitsgericht Köln, Beschluss vom 13.04.2010 – 7 Sa 1224/09 -, veröffentlicht in der Rechtsprechungsdatenbank NRWE (www.nrwe.de, dort aufrufbar mit dem Aktenzeichen).

Michael W. Felser
Rechtsanwalt

Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte
Experten auf Befristung.de und befristeter-Arbeitsvertrag.de

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