Bald ist es soweit: Im Zeitraum zwischen dem 1.3.2010 bis zum 31.5.2010 wird in den meisten Unternehmen der Betriebsrat und damit auch viele Betriebsratsmitglieder neu gewählt. Manche Betriebsratsmitglieder sind zum ersten Mal in einen Betriebsrat gewählt worden. Die „Rookies“ (Neudeutsch für Neulinge) müssen erst mal vieles lernen, nicht zuletzt über ihre Rechte, aber auch Pflichten nach dem Betriebsverfassungsgesetz.
Für eine ordnungsgemäße Betriebsratsarbeit ist es unerlässlich, dass jedes Betriebsratsmitglied Grundkenntnisse über das Betriebsverfassungsgesetz als Basis seiner Betriebsratsarbeit haben muss. Nur dann, wenn es diese Kenntnisse besitzt, ist es in der Lage, seinen Verpflichtungen der mit dem Amt verbundenen Aufgaben zu genügen (Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven vom 31.05.2007 Aktenzeichen 10 BV 59/07).
„Aus dieser eigenverantwortlichen, gleichberechtigten Mitwirkung eines jeden Betriebsratsmitglieds an der in § 27 Abs. 3 i.V. mit § 33 BetrVG vorgeschriebenen kollektiven Willensbildung des Betriebsrats oder eines Ausschusses folgt, daß der Betriebsrat ein Betriebsratsmitglied, das die erforderlichen Vorkenntnisse nicht besitzt, nicht auf Dauer darauf verweisen kann, sich an die besser informierten Betriebsratsmitglieder zu halten und sich im Einzelfall nach deren Belieben, so gut es geht, sachkundig machen zu lassen. Es besteht zudem auch keine gesetzliche Verpflichtung der sachkundigen Betriebsratsmitglieder, ihre weniger erfahrenen Kollegen in das für ihre Tätigkeit notwendige Wissen einzuführen. Im übrigen wäre der auf eine derartige Art der Wissensvermittlung innerhalb des Betriebsrats – gleich ob in Form des Selbststudiums oder der Unterrichtung durch erfahrenere Kollegen – entfallende und i.S. des § 37 Abs. 2 BetrVG erforderliche Zeitaufwand unverhältnismäßig größer als derjenige, der durch Besuch einer Bildungsstätte eines fachlich kompetenten Trägers entsteht.“
BAG vom 15.05.1986 Aktenzeichen 6 ABR 74/83
Also muss jedes neugewählte BR-Mitglied schleunigst – am besten 2010 – geschult werden.
Jedes neugewähltes Betriebsratsmitglied hat Anspruch auf mindestens zwei einwöchige Grundschulungen zum Betriebsverfassungsrecht, eine ebensolange Grundschulung zum Arbeitsrecht (BAG vom 16.10.1986 Aktenzeichen 6 ABR 14/84) und Arbeitsschutzrecht (BAG vom 15.05.1986 Aktenzeichen 6 ABR 74/83).
„Bei erstmals gewählten Betriebsratsmitgliedern ist auf eine nähere Darlegung der Schulungsbedürftigkeit zu verzichten, wenn es sich um die Vermittlung von Grundkenntnissen im Betriebsverfassungsrecht, im allgemeinen Arbeitsrecht oder im Bereich der Arbeitssicherheit und Unfallverhütung handelt (BAG 4. Juni 2003 – 7 ABR 42/02 – BAGE 106, 233 = AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 136 = EzA BetrVG 2001 § 40 Nr. 4, zu B I der Gründe; 19. Juli 1995 – 7 ABR 49/94 – aaO, zu B 2 b der Gründe; 15. Mai 1986 – 6 ABR 74/83 – BAGE 52, 78 = AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 54 = EzA BetrVG 1972 § 37 Nr. 85, zu II 2 b der Gründe).“
so das Bundesarbeitsgericht (BAG) vom 19.03.2008 Aktenzeichen 7 ABR 2/07
Der Betriebsrat muss die Teilnahme an diesen Grundschulungen also nicht begründen:
„Einer konkreten Darlegung der Erforderlichkeit des aktuellen Schulungsbedarfs bedarf es allerdings dann nicht, wenn es sich um die Vermittlung von Grundkenntnissen im Betriebsverfassungsrecht oder im allgemeinen Arbeitsrecht für ein erstmals gewähltes Betriebsratsmitglied handelt. Kenntnisse des Betriebsverfassungsgesetzes als der gesetzlichen Grundlage für die Tätigkeit des Betriebsrates sind unabdingbare Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Betriebsratsarbeit (BAG, Beschluss vom 21.11.1978 – AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 35; BAG, Beschluss vom 16.10.1986 – AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 58; BAG, Beschluss vom 07.06.1989 – AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 67; BAG, Beschluss vom 20.12.1995 – AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 113; Fitting, a.a.O., § 37 Rz. 143 f.; Wiese/Weber, a.a.O., § 37 Rz. 164 ff.; DKK/Wedde, a.a.O., § 37 Rz. 95 f.; ErfK/Eisemann, a.a.O., § 37 BetrVG Rz. 17 m.w.N.). Die Vermittlung von Grundkenntnissen des allgemeinen Arbeitsrechts ist stets, ohne einen aktualitätsbezogenen Anlass, als eine erforderliche Kenntnisvermittlung im Sinne des § 37 Abs. 6 BetrVG anzusehen (BAG, Beschluss vom 15.05.1986 – AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 54; BAG, Beschluss vom 16.10.1986 – AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 58; Fitting, a.a.O., § 37 Rz. 144; Wiese/Weber, a.a.O., § 37 Rz. 166; DKK/Wedde, a.a.O., § 37 Rz. 96; ErfK/Eisemann, a.a.O., § 37 BetrVG Rz. 17).“
so das Landesarbeitsgericht Hamm vom 11.03.2005 – Aktenzeichen 10 TaBV 123/04
Auch bei der Dauer der Schulung sind jeweils zwei Wochen nicht das maximale Maß aller Dinge:
„Hinsichtlich der Dauer einer (…) Schulung gibt es generell weder einen Anspruch auf drei oder vier Wochen Grundlagenschulung noch eine Begrenzung auf zwei Wochen (Hess. LAG Beschluss vom 15. Sept. 2005 – 9 TaBV 189/04 – Juris; a. A. LAG Köln Beschluss vom 12. April 1996 – 11 (13) TaBV 83/95 – LAGE § 37 BetrVG 1972 Nr. 48). Die Beurteilung der Erforderlichkeit ist vielmehr immer eine Frage der Umstände des Einzelfalles. Sie hängt davon ab, um welche Branche es geht, auf welchem Niveau die Zusammenarbeit des Betriebsrats mit dem Arbeitgeber stattfindet, vom Inhalt des Themenplanes, dem Angebot auf dem Schulungsmarkt usw. In seinen Entscheidungen vom 18. Sept. 1991 (a.a.O.) und vom 17. Okt. 1990 (– 7 AZR 547/89 – Juris) hat das Bundesarbeitsgericht z. B. eine dritte Schulungswoche für nicht erforderlich angesehen, weil auf ihr kein Grundwissen mehr vermittelt wurde, sondern weitgehend schwierige Fragenbereiche vertieft wurden. Das LAG Nürnberg hat mit Beschluss vom 28. Mai 2002 (– 6 (5) TaBV 29/01 – NZA-RR 2002, 641) dagegen auch vier Wochenschulungen als Grundlagenschulungen im Betriebsverfassungsrecht als erforderlich anerkannt, die jedenfalls dann nicht unverhältnismäßig seien, wenn auf diesen Schulungen auch Grundkenntnisse des Arbeitsrechts vermittelt würden, die den Besuch von eigenen Grundlagenschulungen zum Arbeitsrecht als überflüssig erscheinen lassen. In der Entscheidung vom 7. Juni 1989 (7 ABR 98/87 – Juris) hat das BAG z.B. zu § 87 BetrVG ausgeführt, es zähle zu den notwendigen Grundkenntnissen von Betriebsratsmitgliedern, im Überblick zu wissen, inwieweit für den Betriebsrat zwingende Mitbestimmungsrechte in sozialen Angelegenheiten bestünden, wo die Grenzen der Mitbestimmungsrechte bzw. Initiativrechte lägen, welche Regelungsmöglichkeiten bzw. -methoden das Gesetz im Falle der Nichteinigung zur Verfügung stelle, inwieweit eine gerichtliche Kontrolle möglich sei und welche Schritte von Gesetzes wegen bei Rechtsverstößen gegen Mitbestimmungsrechte vorgesehen seien. Erst die Vertiefung einzelner Mitbestimmungstatbestände seien keine Grundkenntnisse mehr, sondern Aufbaukenntnisse.“
so das Hessische Landesarbeitsgericht vom 13.11.2008 – 9 TaBV 26/08 (rechtskräftig): Vier aufeinander folgende aufbauende Seminare Betriebsverfassungsrecht I – IV à drei volle und zwei halbe Tage- sind erforderlich.
Neben diesen nach § 37 Abs. 6 BetrVG „erforderlichen“ Schulungen haben die Neulinge im Betriebsrat ausserdem einen Rechtsanspruch auf Freistellung von vier Wochen für „geeignete“ Seminare nach § 37 Abs. 7 BetrVG. Alte Hasen haben nur noch drei Wochen je Amtszeit für geeignete Seminare in diesem Sinne.
Da auch eine Amtszeit von vier Jahren schnell rum ist und die Betriebsratsarbeit nicht nur mehr Freude macht, wenn man sich schlau gemacht hat und nicht nur Bahnhof versteht, sollten die neugewählten Betriebsratsmitglieder zügig das Schulungsprogramm von mindestens sechs Wochen Grundschulungen und vier Wochen geeigneten Fortbildungen absolvieren. Ausserdem kann auch ein neugewähltes Betriebsratsmitglied schon zusätzlich Spezialschulungen besuchen. Der Bedarf muss allerdings genau begründet werden.
Wir bieten gemeinsam mit Rechtsanwalt Steen und Rechtsanwältin Schwarz-Feuring spezielle Betriebsratsschulungen für Betriebsratsneulinge und zur Auffrischung für alte Häsinnen und Hasen an. Sprechen Sie uns an.
Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte