Das Anwaltspraktikum zu Beginn des Jurastudiums ist angesichts der zunehmenden Anwaltsorientierung von Studium und Referendariat der Normalfall der praktischen Studienzeit (so die amtliche Bezeichnung des Praktikums). Das Anwaltspraktikum soll den Studenten die Möglichkeit geben, sich eine anschauliche Vorstellung von der rechtsberatenden, rechtsgestaltenden und forensischen Tätigkeit des Anwaltsberufes zu verschaffen. Ihnen soll während des Praktikums Gelegenheit gegeben werden, an Besprechungen mit Mandanten teilzunehmen und die Ausbilder bei der Wahrnehmung von Terminen bei Gerichten und Behörden zu begleiten. Ausserdem soll das Anwaltspraktikum den Studierenden einen Einblick in den Arbeitsablauf einer Anwaltspraxis ermöglichen. Die meisten ausgebildeten Juristen werden – gewollt oder ungewollt – als Anwälte tätig. Es ist daher sinnvoll, sich frühzeitig Gedanken über den späteren Berufsweg zu machen und auch diese Perspektive frühzeitig in die Überlegungen einzubeziehen. Während des Praktikums sollte die Gelegenheit, den Anwaltsberuf kennenzulernen, intensiv genutzt werden. Junge Juristen nutzen die Möglichkeiten, die ihnen Anwaltpraktikum und Anwaltsstation bieten, immer noch nicht genügend. Eine „Tauchstation“ liegt ncht im wohlverstandenen Eigeninteresse des Nachwuchses. Es ist auch keineswegs so, dass Anwälte sich nach der Ausbildung des Nachwuchses drängen. Das hängt überwiegend nicht damit zusammen, dass man sich scheut, den künftigen Wettbewerb auszubilden, sondern damit, dass die heute mehr denn je unter Effizienzdruck stehenden Anwälte den praktischen Nutzen der Tätigkeit von Studenten und Referendaren deutlich geringer einschätzen als die Jurastudenten und Referendare selbst. Dabei darf auf Seiten der Anwaltschaft aber auch nicht vergessen werden, dass es hier so etwas wie einen Generationenvertrag gibt.
Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte