Wann dürfen Leiharbeitnehmer betriebsbedingt gekündigt werden? Entfällt mit Wegfall des Auftrags auch automatisch das Beschäftigungsbedürfnis für den Leiharbeitnehmer? Dagegen sprechen allerdings die Vorgaben des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes, die für verleihfreie Zeiten das Verleihrisiko beim Unternehmen lassen. Für

„Zeiten ohne Verleih enthält § 3 AÜG zwar keine Vorgabe; für diese Zeiten kommt § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG i.V.m. § 615 Satz 1 BGB auch nach Streichung des Synchronisationsverbot weiterhin Bedeutung zu (Schüren in: Schüren/Hamann, Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, 3. Aufl., § 11 Rn. 99). Dies zeigt sich auch darin, dass die in der verleihfreien Zeit vom Verleiher an den Leiharbeitnehmer zu gewährenden Leistungen gem. § 11 Abs. 1 Nr. 2 AÜG nach Art und Höhe bereits in der Niederschrift anzugeben sind und nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 Nachweisgesetz zudem die vereinbarte Arbeitszeit angegeben werden muss. Durch die Angabe wird verhindert, dass das Verbot der Aufhebung oder Beschränkung der §§ 611, 615 S. 1 BGB unterlaufen wird (vgl. Schüren a.a.O., § 11 Rn. 49 m.w.N; Wank a.a.O., § 11 AÜG Rn. 11 m.N.).“

so das Landessozialgericht Baden-Württemberg vom 14.12.2007 Aktenzeichen L 13 AL 4932/06

Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz geht also von verleihfreien Zeiten aus, in denen das Leiharbeitsunternehmen das Risiko der Beschäftigung tragen muß, §§ 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG i.V.m. § 615 Satz 1 BGB. Unabhängig davon kann das Leiharbeitsunternehmen natürlich betriebsbedingt kündigen, wenn das Beschäftigungsbedürfnis für den Leiharbeitnehmer endgültig wegfällt. Kurzfristige Auftragslücken rechtfertigen dagegen eine betriebsbedingte Kündigung des Leiharbeitnehmers nicht:

„Das BAG hat zur betriebsbedingten Kündigung von Leiharbeitnehmern entschieden, dass es sich im Falle eines dauerhaften Auftragsrückgangs auch unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des Beschäftigungsverhältnisses nicht begründen lasse, dass der Verleiher zumindest für weitere drei Monate das Beschäftigungsrisiko zu tragen habe (BAG, Urteil vom 18. Mai 2006 – 2 AZR 412/05 -, m.w.N. veröffentlicht in Juris), kurzfristige Auftragslücken bei einem Leiharbeitsunternehmen seien dagegen nicht geeignet, eine betriebsbedingte Kündigung i.S.v. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG zu rechtfertigen, da sie zum typischen Wirtschaftsrisiko dieser Unternehmen gehören (BAG, Urteil vom 18. Mai 2006 – 2 AZR 412/05 -, m.w.N. veröffentlicht in Juris). Im Umkehrschluss steht damit fest, dass bei einem von vornherein nur vorübergehenden Auftragsrückgang anders als im Falle des dauerhaften Rückgangs eine sofortige betriebsbedingte Kündigung nicht wirksam ausgesprochen werden kann. Offen bleibt die Frage, wie lange der Verleiher in solchen Fällen mit der Kündigung warten muss. Insoweit kann die dreimonatige Frist als „Daumenregel“ für eine kurzfristige Auftragslücke angesehen werden (Brors, Betriebsbedingte Kündigung des Leiharbeitnehmers bei Auftragsrückgang, Juris PraxisReport, 2006; Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 17. November 1983 – 9 Sa 599/83 -; Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 3. Juni 2005 – 11 Sa 1014/04 – und vom 10. Dezember 1998 – 6 Sa 493/98 -). Dies schließt nicht aus, dass dem Verleiher auch eine längere Frist zumutbar sein kann, wenn üblicherweise in seinem Betrieb längere Nichteinsatzzeiten entstehen. Der Verleiher wird die Kündigung nur dann rechtfertigen können, wenn er bezogen auf die konkreten Vermittlungszeiten nachweist, dass eine unüblich lange Überbrückungszeit durch Auftragsrückgänge verursacht worden ist (Brors a.a.O.). Kommt es zu nicht mehr kurzfristigen, unüblich langen Ausfallzeiten, in denen der Arbeitgeber mangels Entleihernachfrage keine Überlassungsmöglichkeiten hat, ist entsprechend dem Sinn und Zweck der §§ 169 ff. SGB III, Arbeitsplätze im Falle vorübergehenden Arbeitsausfalls zu erhalten, und dem durch die Kündigungsmöglichkeit zeitlich begrenzten Arbeitgeberrisiko auch im Rahmen eines Leiharbeitsverhältnisses die Vereinbarung von Kurzarbeit zulässig und wirksam, so dass in solchen Fällen auch bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen Kug in Anspruch genommen werden kann (Schüren a.a.O., Einl. AÜG Rn. 710). Für alle kurzfristigen oder üblichen Ausfallzeiten hat der Verleiher dagegen das Risiko unabdingbar gegenüber dem Leiharbeitnehmer übernommen. (Würde man wie Schüren a.a.O. das Kug hier lediglich wegen Branchenüblichkeit des Arbeitsausfalls i.S.d. § 170 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 SGB III scheitern lassen, ohne schon die Vereinbarung der Kurzarbeit als unwirksam anzusehen, würden die Leiharbeitnehmer wohl ihren Entgeltanspruch verlieren, ohne Kug zu erhalten d.h. es bliebe bei der Risikoverlagerung).“

Landessozialgericht Baden-Württemberg vom 14.12.2007 Aktenzeichen L 13 AL 4932/06 (Revision anhängig beim BSG zum Aktenzeichen B 7 AL 3/08 R).

Viele Leiharbeitsunternehmen machen es sich einfacher als das Gesetz es vorsieht. Viele Leiharbeitnehmer kennen ihre Rechte leider auch nicht.  Hier tut sich ein weites Betätigungsfeld für Gewerkschaften auf. Einzelne Gewerkschaften haben das auch schon erkannt.

Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte

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