Einen Abgrund von Landesverrat? Diese Sicht der Dinge des damaligen Bundeskanzlers Konrad Adenauer auf die SPIEGEL-Affäre, wollten sich die Bundesverfassungsrichter während der mündlichen Verhandlung des Falls “CICERO” Endes letzten Jahres nicht zu Eigen machen.

Doch die in den kommenden Wochen erwartete Antwort der Karlsruher Richter auf die Rechtsfrage, ob sich Journalisten der Beihilfe zum Geheimnisverrat strafbar machen können, hat das Potential, das Verhältnis von Pressefreiheit und Strafverfolgung ähnlich wegweisend zu bestimmen wie anno 1966 das SPIEGEL-Urteil. Dieser Beitrag stellt im Folgenden die während der mündlichen Verhandlung vertretenen Rechtspositionen dar, analysiert diese und wagt eine Entscheidungsprognose.

Der Sachverhalt

Zwei Einsatzgruppen des Bundeskriminalamtes (BKA) hatten am 12. September 2005 sowohl die Redaktionsräume des Monatsmagazins “Cicero” als auch das Archiv des Journalisten Bruno Schirra durchsucht und kistenweise Material beschlagnahmt, darunter auch eine komplette “physische Kopie” eines Redaktions-PC. Anlass war ein Bericht von Bruno Schirra über den Terroristen Abu Mussab Al-Sarkawi im genannten Magazin, in welchem er aus einem Dossier des BKA zitierte, der mit der Geheimhaltungsstufe “VS”, gleichbedeutend mit “nur für den dienstlichen Gebrauch”, versehen war. Diese Veröffentlichung begründete in Augen der Staatsanwaltschaft sowie des Amtsgerichts Potsdam den Anfangsverdacht einer strafbaren Beihilfe zum Geheimnisverrat, §§ 353b, 27 Strafgesetzbuch (StGB). Zu einer Verurteilung kam es wegen Einstellung des Verfahrens mangels hinreichenden Tatverdachts gleichwohl nicht. Allerdings wurde auch die Beschwerde gegen die Maßnahmen selbst vom Landgericht Potsdam wegen einem nicht hinreichend bedeutenden Grundrechtseingriff nicht zur Entscheidung angenommen.

Aufgeworfene Rechtsfragen

Die rechtlichen Problembereiche dieses Geschehens gliederte das Gericht während der mündlichen Verhandlung in drei Hauptkomplexe – angefangen mit der grundsätzlichen Frage, ob eine Beihilfe durch Journalisten, die ein Geheimnis nach Offenbarung veröffentlichen, überhaupt möglich ist. Würde dies verneint, so entfiele bereits der Anfangsverdacht, auf den sich die Ermittlungsbehörden berufen. In prozessualer Hinsicht spielten die Grundsätze des sogenannten SPIEGEL-Urteils eine Rolle, welches sich mit der Zulässigkeit von Maßnahmen gegenüber einem der Beihilfe verdächtigen Journalisten befasste, die sich auf die Ermittlung des Informanten richten. Im letzten Punkt wurde auf die Verhältnismäßigkeit der konkreten Maßnahme im Hinblick auf die Pressefreiheit eingegangen.

Es wäre durchaus möglich, dass letztlich der prozessuale Komplex den Tenor des Urteils bestimmen wird. Zumal die Beschwerdegegner den Eindruck nicht zu beseitigen vermochten, dass zumindest die formelle Verfahrensweise der Ermittlungsbehörden rechtsstaatlichen Anforderungen widersprochen haben könnte. Es wäre allerdings äußerst bedauerlich, wenn das Gericht damit die Möglichkeit, fundamentale Fragen des Falles im Hinblick auf das grundrechtliche Spannungsverhältnis zu beantworten, nicht wahrnehmen würde. Es entspräche auch nicht dem Gewicht, welches die grundrechtliche Prüfung der materiellen Strafbarkeit innerhalb der Diskussion vor Gericht einnahm.

Die prozessuale Diskussion erübrigt sich, wenn die sukzessive Beihilfe zum Geheimnisverrat kein zulässiger Anknüpfungspunkt für einen Anfangsverdacht ist. Daher soll hier die Frage im Mittelpunkt stehen: Können Journalisten durch nachträgliche Veröffentlichung Beihilfe zum Geheimnisverrat begehen?

Kritik an der Beihilfekonstruktion

Die Vertreter des Beschwerdeführers, des CICERO-Chefredakteurs Wolfram Weiner, sehen an der materiellrechtlichen Beihilfekonstruktion im Wesentlichen folgende Angriffspunkte: Zum einen beinhalte diese einen Rückgriff auf die Figur der sukzessiven Beihilfe. Bereits dieser Einstieg wird von der herrschenden Lehre zu Recht als gegen das grundgesetzliche Bestimmtheitsprinzip verstoßende Auslegung des § 27 StGB abgelehnt. Des Weiteren habe der Gesetzgeber 1979 bewusst Journalisten aus der Strafbarkeit wegen Geheimnisverrats ausgenommen, als er § 353c StGB gestrichen und die Strafbarkeit auf zur Geheimhaltung besonders verpflichtete Personen – sogenannte Geheimnisträger – beschränkt hat.

§ 353b StGB selbst biete keinen hinreichenden Abwägungsmechanismus, so dass auf der Ebene einer Tatbestandsauslegung im Einzelfall ermittelt werden kann, ob das staatliche Sicherheitsinteresse tatsächlicher schwerer wiegt als das öffentliche Informationsinteresse. Selbst der Begriff der “Gefährdung öffentlicher Interessen” könne dies aufgrund der weiten Auslegung innerhalb der Rechtsprechung nicht leisten, da hiernach bereits jede Gefahr des Bekanntwerdens der Offenbarung, also nicht des Geheimnisses selbst, das Vertrauen in die Zuverlässigkeit staatlicher Behörden und damit hinreichend gewichtige öffentliche Interessen gefährde. Durch die Anerkennung solcher mittelbaren Gefahren wäre im Grunde jede Veröffentlichung eines mit einer beliebigen Geheimhaltungsstufe belegten Vorgangs eine strafbare Beihilfe. Im Hinblick auf die unangemessene, da oft von rein praktischen bzw. politischen Erwägungen geleitete, behördliche Qualifikation eines Vorgangs als “Dienstgeheimnis” sei damit eine unverhältnismäßige Strafbarkeit von Pressemitarbeitern das Ergebnis. Die Anwendung der Beihilfekonstruktion führe zu einer ungerechtfertigten Einschränkung der Presse- und Informationsfreiheit und behindere die Presse an der Wahrnehmung ihres Informationsauftrags als “vierte Gewalt im Staat”.

Die Gegenposition: Kein „Journalistenprivileg“

Justizstaatssekretär Lutz Diwell vertrat die Ansicht, die derzeitigen Handhabung des Geheimnisverrats entspreche der Wechselwirkung von staatlichen Sicherheitsinteressen und Pressefreiheit. In der Ablehnung der Beihilfekonstruktion sieht er dagegen eine generelle Bevorzugung der Pressefreiheit, die den öffentlichen Interessen an der Geheimhaltung, etwa im Rahmen einer Zusammenarbeit mit ausländischen Sicherheitsdiensten, nicht gerecht werde. Auch die Gesetzesmaterialien stünden der jetzigen Praxis nicht entgegen, da die Abschaffung des § 353c a.F. StGB allein eine Abschaffung der täterschaftlichen Strafbarkeit bezwecken sollte und daher keine Rückschlüsse auf die allgemeine Strafbarkeit der Teilnahme nahe lege. Auch die Figur der sukzessiven Beihilfe sei damals schon Praxis der Rechtsprechung gewesen. Eine hinreichende Berücksichtigung der Pressefreiheit sei durch die Abwägung im Rahmen der Strafverfolgungsmaßnahmen gewährleistet.

Befragung des Gerichts

Von Seiten des Gerichts bemühte man sich im Anschluss, die Beihilfekonstruktion auf ihre Einzelfallgerechtigkeit hin zu überprüfen. Richter Hoffmann-Riem, der nicht nur als Berichterstatter für die Bearbeitung zuständig ist, sondern dem darüber hinaus im Senat und speziell in diesem Verfahren wegen seiner Erfahrung als Medienrechtler eine starke Stellung zugesprochen wird, interessierte, ob der Beschwerdeführer in seinem Anliegen Unterschiede zwischen dem jeweiligen Verhalten des Journalisten im Vorfeld sehe.

Angesprochen ist damit die Unterscheidung zwischen passiver (bloßes Entgegennehmen) und aktiver (Ermutigung) Beihilfe. Diese Abgrenzung selbst ist jedoch problematisch. Es sei aber immerhin angemerkt, dass ein Wirken im Vorfeld der Haupttat von der Kritik an der sukzessiven Beihilfe nicht betroffen wäre. Andererseits ist auch die Unterscheidung nach verschiedenen Geheimhaltungsstufen, wie vom Gerichtspräsidenten Papier angesprochen, in das System der jetzigen Form des § 353b StGB schwer integrierbar.

Professor Alexander Ignor, Prozessbevollmächtigter des CICERO-Chefredakteurs, wies erneut darauf hin, dass insbesondere unter Zugrundelegung der derzeitigen Rechtsprechung zum öffentlichen Interesse (s.o.) kein Abwägungsmechanismus zur Verfügung stehe. Allenfalls könne er sich vorstellen, dass ein solcher durch eine vom Bundesverfassungsgericht vorgegebene verfassungskonforme Auslegung eingeführt werden könne. Der Frage, ob man sich vorstellen könne, dass das staatliche Sicherheitsinteresse im Einzelfall überwiege, begegnete Ignor mit dem Hinweis auf das faktische Fehlen einer materiellrechtlichen Abwägungsmöglichkeit.

Innerhalb der anschließenden Befragung von Staatssekretär Diwell entstand der Eindruck, dass die Beihilfekonstruktion auch bei den Senatsmitgliedern Bedenken ausgelöst hat. Richter Breger formulierte seinen Eindruck, die Bundesregierung empfände die Abschaffung von § 353c a.F. StGB möglicherweise nachträglich als falsch. Richter Schluckebier legte nahe, dass die weitreichenden Konsequenzen jeglicher Veröffentlichung möglicherweise doch auf ein strukturelles Problem hinwiesen – insbesondere wenn alles, wovon die Ermittlungsmaßnahmen nach Veröffentlichung noch abhängen, ein rein voluntativer Akt des zuständigen Staatsanwalts ist, der den Journalisten zum Beschuldigten macht und somit das Zeugnisverweigerungsrecht außer Kraft setzt. Immerhin der Ansicht, dem Presseschutz sei auf prozessualer Ebene Genüge getan, scheint damit eine Absage erteilt.

Das Urteil

Neben verschiedenen Angriffspunkten, die auch das konkrete Verfahren aufwirft (z.B. die ungenaue Fassung der Anordnungsuntersuchung), stand innerhalb der Verhandlung die materielle Strafbarkeit der Journalisten im Vordergrund. Ob das Urteil hierzu ein abschließendes Ergebnis finden wird, ist allerdings nicht vorhersehbar. Fraglich ist vor allem, inwieweit die Richter sich wegen anhängiger Gesetzgebungsverfahren zu einer Änderung des § 353b StGB sowie den einschlägigen prozessualen Regelungen zurückhalten werden. Wünschenswert wäre eine Prüfung der jetzigen Rechtslage jedoch gerade auch im Hinblick auf diese Änderungsbemühungen.

Die Gesetzesentwürfe

FDP und Grüne haben im Frühjahr diesen Jahres Gesetzesentwürfe vorgelegt, die den Schutz der Pressefreiheit gesetzlich verdichten sollen. Im Rahmen einer ersten Anhörung am 25.10.2006 war sich die Mehrzahl der Sachverständigen einig, dass grundsätzlich Verbesserungsbedarf bestehe. Fraglich ist nunmehr, ob dies tatsächlich auch eine materiell-rechtliche Ausnahme erforderlich macht. Der Entwurf der Grünen beinhaltet neben prozessualen Regelungen einen vollständige Ausschluss jeglicher Teilnahme am Geheimnisverrat, also der Anstiftung und der Beihilfe, während die Liberalen nur die Beihilfestrafbarkeit ausnehmen wollen. Auch die Bundesregierung bemüht sich nun um einen Entwurf. Dieser soll sich aber nach Ankündigung von Lutz Diwell während der Verhandlung in Karlsruhe allein auf prozessuale Neuerungen beschränken, welche verstärkt Raum für Abwägungen lassen. Eine Beschränkung der materiellen Strafbarkeit lehnt die Bundesregierung jedoch ab.

Grundrechtskonforme Auslegung im Sinne der h.L.?

Wie schon angesprochen, ist es Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, die jetzige Rechtslage in verfassungskonformer Weise zu erfassen. Es kann entweder die Auslegung bzw. Anwendung von § 353b StGB oder auch das Gesetz selbst für verfassungswidrig erklären. Um § 353b StGB einer restriktiveren bzw. pressefreundlicheren Auslegung zuzuführen, bestehen zwei Anknüpfungspunkte: Die Abkehr von der Konstruktion der sukzessiven Beihilfe einerseits sowie der Einbeziehung der sogenannten “mittelbaren Gefährdung” öffentlicher Interessen andererseits. Das Verfassungsgericht wird sich weniger mit der strafrechtlichen Bewertung dieser Figuren befassen, sondern vielmehr überprüfen, ob die Auslegungspraxis zu einem grundrechtskonformen Ergebnis führt. Trotzdem soll hier zunächst, sozusagen als Vorstufe, eine Darstellung aus strafrechtlicher Sicht erfolgen.

Sukzessive Beihilfe im Rahmen von § 353b StGB

Da der Geheimnisbruch selbst mit der bloßen Offenbarung dem Journalisten oder einem Dritten gegenüber vollendet ist und eine hinreichend konkrete Gefährdung hierdurch in den meisten Fällen bereits eingetreten ist, kann die anschließende Veröffentlichung nur mit Hilfe der Figur der sukzessiven Beihilfe unter § 353b StGB gefasst werden. Fraglich ist, ob dies der Intention der damaligen Abschaffung von § 353c a.F. StGB enstpricht. Der Gesetzgeber hat zwar in seiner damaligen Gesetzesänderung keine direkte Aussage über die Teilnahmestrafbarkeit getroffen. Was sich aber mit Sicherheit sagen lässt, ist, dass die täterschaftliche Strafbarkeit auf Geheimnisträger im Sinne von § 353b StGB beschränkt werden soll. Welche Schlüsse lassen sich daraus für die Teilnahmestrafbarkeit ziehen? Es ist in der Strafrechtsdiskussion nichts Neues, Wertungen, die einer gesetzlichen Beschränkung des Täterkreises zugrunde liegen, auch auf dessen Teilnahmefähigkeit anzuwenden. So diskutieren Rechtsprechung und Lehre, ob ein Gefangener zur Gefangenenbefreiung anstiften kann, obwohl er als Täter des Delikts nicht in Frage kommt. Die herrschende Lehre argumentiert hier a majore ad minus und verneint damit jede Teilnahmemöglichkeit. Auf § 353b StGB übertragen hieße dies: Wenn die bloße Veröffentlichung von der täterschaftlichen Strafbarkeit ausgenommen werden sollte, dann muss dies erst recht für die Teilnahme gelten. Zwar scheint die Argumentation auf Sonderdelikte wie § 353b StGB nicht unbedingt übertragbar, denn ansonsten würde § 28 I StGB keinen Sinn ergeben.

Gegen die h.L. ließe sich auch die strukturelle Ungleichheit von Täterschaft und Teilnahme ins Feld führen, denn die Teilnahmestrafbarkeit richtet sich gegen die Unterstützung der strafbaren Haupttat und geht damit über das bloße “Selbst-Begehen” hinaus. Für eine vollständige Ausnahme jeder Beihilfestrafbarkeit im Rahmen des § 353b StGB lässt sich also aus der Gesetzesänderung nichts ableiten. Was aber gilt für die sukzessive Beihilfe? Geht das hier in Frage stehende Verhalten wirklich über die eigene Offenbarung eines Geheimnisses hinaus? Maßgebliche Voraussetzung jeder Teilnahmehandlung ist die Verbindung zum täterschaftlichen Unrecht. Selbst wenn man die Möglichkeit einer solchen sukzessiven Beihilfe grundsätzlich akzeptiert, bedarf es hierfür eines eigenen Beendigungsstadiums, welches für jedes Delikt einzeln festzustellen ist.

Ein Delikt ist dann beendet, wenn das strafbare Unrecht seinen Abschluss gefunden hat. Maßgeblich ist daher, worin das strafbare Unrecht des § 353b StGB liegt, und ob dieses sich nach erfolgtem Geheimnisbruch noch durch eine Veröffentlichung vertiefen kann.
Das Delikt des Geheimnisbruchs besteht zum einen aus dem Geheimnisbruch selbst und verlangt zum anderen die Gefährdung öffentlicher Interessen. Insofern ließe sich argumentieren, dass letztere Gefährdung über den Vollendungszeitpunkt hinaus wirkendes strafbares Unrecht darstelle, welches als Anknüpfungspunkt ausreiche. Nimmt man die Änderung von 1979 in den Blick, so ergibt sich jedoch, dass gerade der Bruch einer bestehenden Geheimhaltungspflicht das entscheidende Tatbestandsmerkmal der Haupttat und damit die Grundlage des strafbaren Unrechts ist. Dessen Erfüllung aber hat mit der Offenbarung seinen Abschluss gefunden und kann damit auch nachträglich nicht mehr gefördert werden. Der Haupttäter hat das Geschehen vollständig aus der Hand gegeben und hat hierauf meist auch keinen Einfluss mehr. Das objektive Fortwirken der Interessenbeeinträchtigung ist insofern eine vergleichsweise dünne Brücke zum Unrecht der Haupttat, um hiermit einen neuen Geschehenskomplex, nahezu jede nachträgliche Veröffentlichung, in die Strafbarkeit zu ziehen.

Auch vom Ergebnis her steht dies im Widerspruch zur Gesetzesänderung. Die täterschaftliche Strafbarkeit der Veröffentlichung wird fast vollumfänglich durch die Teilnahmestrafbarkeit ersetzt. Selbst wenn man die Milderungsmöglichkeit des § 28 I StGB als gegeben sieht, hätte sich die Strafbarkeit der bloßen Veröffentlichung damit allenfalls verschoben. Wäre es dem Gesetzgeber allein auf das Strafmaßes angekommen, so hätte er aber § 353c a.F. StGB wohl eher geändert, als gestrichen.

Damit spricht auch ohne das Instrument der verfassungskonformen Auslegung mehr gegen als für die sukzessive Beihilfe im Rahmen von § 353b StGB.

Theorie der “mittelbaren Gefährdung”

Um die Rückwirkung auf Teilnahme durch Pressemitglieder generell, nicht nur nach Offenbarung, geht es bei der Einbeziehung mittelbarer Gefährdungen für das Ansehen der Behörde. Der Begriff “wichtige öffentliche Interessen” wirkt zwar wie geschaffen für eine zusätzliche Abwägungsstufe, bei der Informations- und Sicherheitsinteressen der Öffentlichkeit in ein Gleichgewicht gebracht werden können. Er wird aber in der Praxis so ausgelegt, dass selbst die nachträgliche Veröffentlichung von bloßen Privatgeheimnissen noch als Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen gelten kann. Damit handelt es sich um kein echtes Zusatzerfordernis mehr – die Gefahr, dass der Geheimnisbruch selbst an die Öffentlichkeit kommt, liegt schlicht in jeder Geheimnisoffenbarung. Wesentliche Einwände der zahlreichen Kritiker dieses Ergebnisses: Zunächst stelle das Vertrauen der Allgemeinheit in die Verschwiegenheit der Behörden eine Art Systemvertrauen dar, welches durch einen Einzelfall nicht in sich zusammenfiele. Weiter wohne die Gefährdung dieses Vertrauens jedem Amtsdelikt inne und sei damit keine Besonderheit des § 353b StGB und außerdem habe der Täter auf diese Gefahr keinen Einfluss, wodurch zusätzliche Zurechnungsprobleme entstünden.

Vor allem aber wird kritisiert, dass sich dieses vermeintliche Interesse auf den bloßen Erhalt eines Scheins der Verschwiegenheit, welcher im Einzelfall gerade nicht bestätigt wird, bezieht. Es soll also eine berechtigte Erschütterung des Vertrauens in den Staatsapparat vermieden werden. Dass dieses Ergebnis auf einer Gleichsetzung des öffentlichen mit dem behördlichen bzw. staatlichen Interesse und somit auf einem vordemokratischen Verständnis beruht und damit wie ein Relikt obrigkeitsstaatlichen Denkens daherkommt , erscheint zwar sehr drastisch, ist jedoch vor diesem Hintergrund nicht ganz von der Hand zu weisen. Auch diese Auslegung ist damit bereits ohne konkreten Bezug auf die Presse- und Informationsfreiheit fragwürdig.

Das Dienstgeheimnis

Neben der rechtlichen Diskussion wurde während der gesamten Verhandlung von Seiten der Medienvertreter Kritik am Umgang mit der Einstufung eines Vorgangs als geheimhaltungsbedürftig geübt. Diese warf der Exekutive eine “maßlose” und teilweise allein von “Praktikabilitätserwägungen” bestimmte Handhabung des Stempels “VS” vor. In der Tat – hierin liegt eine nicht zu unterschätzende Facette des Problems, denn immerhin beinhaltet dieser Stempel auch die Entscheidung darüber, ob überhaupt ein von § 353b StGB erfasstes Dienstgeheimnis vorliegt oder nicht. Es handelt sich hierbei also um ein Tatbestandsmerkmal, dessen Reichweite in jedem einzelnen Fall einer Informationspreisgabe an die (vorhergehende) Beurteilung der Exekutive geknüpft ist. Ob die genannten Vorwürfe berechtigt sind, kann hier nicht beurteilt werden. Es soll nur angemerkt werden, dass auch Aspekte der Gewaltenteilung für zusätzliche Abwägungsstufe, welche im Zuständigkeitsbereich der Judikative liegt, sprechen. Im Ergebnis liegt hierin ein weiteres Argument für eine ausgewogene Auslegung des Begriffs der wichtigen öffentlichen Interessen.

Weitere Einschränkungen erforderlich?

Folgt man den Kritikern der Rechtsprechungspraxis zu § 353b StGB , so ergibt sich eine Strafbarkeit, welche sich nicht mehr auf die bloß nachträgliche Veröffentlichung eines geschützten Vorgangs bezieht. Wirkt der Journalist dagegen im Vorfeld auf den Geheimnisbruch hin, indem er einem potentiellen Informanten Geld bietet oder ihm seine Unterstützung bei der Verbreitung zusagt, wäre er mit verantwortlich für die Haupttat. Es müsste dann vom Gericht beurteilt werden, ob diese Haupttat eine Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen darstellt und damit die Strafbarkeitsschwelle erreicht ist. Geschützte Interessen sind “alle öffentlichen Interessen von einigem Rang”. Damit ist ein Schutz vor völlig unbegründeten Einschränkungen journalistischer Recherche gewährleistet. Liegt der Einstufung reine Praktikabilitätserwägungen zugrunde, so scheidet eine entsprechende Gefährdung folgerichtig aus. Selbst bei Bejahung eines wichtigen öffentlichen Interesses kann das Informationsinteresse freilich höher wiegen, z.B. bei schweren Rechtsverletzungen. Für diese Fälle bietet § 34 StGB auf der Rechtfertigungsebene das passende Instrument, um abzuwägen, ob die Veröffentlichung eine angemessene Maßnahme war, oder ob vor Einschaltung der Öffentlichkeit andere Wege hätten genutzt werden müssen.

Resumèe

Nach alldem scheint eine gewissenhafte Anwendung des § 353b StGB die Presse- und Informationsfreiheit nicht in unangemessener Weise einzuschränken. Vor allem böte sie ein geeignetes Mittel zu Gewährleistung der Gerechtigkeit im Einzelfall. Natürlich müsste diese Ausgewogenheit auf prozessualer Ebene abgesichert werden. Da die belastenden Maßnahmen hier situationsgebunden getroffen werden und wie sich auch in der Verhandlung zeigte, schwieriger überprüfbar sind, liegt es hier nahe, strengere Schutzvorschriften zu schaffen. Wie Vertreter der Presse in der Verhandlung anschaulich beschrieben haben, sind die Schäden unangemessener Ermittlungsmaßnahmen, z.B. für das Informantenverhältnis, substantiell.

Politisch mag man zwar auch auf materiellrechtlicher Ebene ein generelles Presseprivileg bevorzugen, grundrechtlich erforderlich ist dieses aber wohl nicht. Es bleibt daher eine umso spannendere Frage, wie Bundesverfassungsgericht und der Gesetzgeber hierzu entscheiden werden.

Johanna Sprenger

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