Selbst am Arbeitsgericht Hamburg scheinen sich die Richter nicht einig zu sein. Nachdem das Arbeitsgericht Hamburg zunächst – anders als das Arbeitsgericht Kiel, aber in Übereinstimmung mit den Arbeitsgerichten in Gießen, Jena und Görlitz – die Streiks erlaubte (Juracity berichtete), hat es nun beim zweiten Versuch der Arbeitsrechtlichen Vereinigung Hamburg seine Meinung offensichtlich geändert und die Streiks diesmal verboten. Der Präsident des Arbeitsgerichts begründete dies gegenüber dem NDR damit, daß die Forderungen der Gewerkschaften gegen Hamburger Personalvertretungsrecht verstießen. Dein Meinungswandel scheinen die Bemerkungen des Vorsitzenden Richters des Landesarbeitsgerichts im ersten Verfahren (Juracity berichtete) ausgelöst zu haben. Vor dem Landesarbeitsgericht hatten die Parteien allerdings einen Vergleich geschlossen und Ver.di angekündigt, seine Streikforderungen überprüfen zu wollen.

Die Gewerkschaft prüft jetzt Rechtsmittel gegen die Entscheidung.

Anmerkung: Die betriebliche Gesundheitsförderung wird nicht zuletzt durch die EU forciert, u.a. durch die EG-Rahmenrichtlinie Arbeitsschutz (Richtlinie des Rates 89/391/ EWG). Hamburg selbst informiert auf den Seiten der Hansestadt Unternehmen über das Gesundheitsmanagement und die Gesundheitsförderung. Diskutiert wird unter Juristen und Arbeitsrichtern, ob der von Ver.di geforderte Gesundheitstarifvertrag – insbesondere die darin verbindlich vorgeschriebene Kommission für Gesundheitsförderung – gegen die Rechte der Dienststelle und des Personalrats aus dem Hamburgischen Personalvertretungsgesetz verstossen könnte. Nach § 86 Abs. 1 Nr. 16 HambPersVG sind “Maßnahmen zur Verhütung von Dienst- oder Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und sonstigen Gesundheitsschädigungen” mitbestimmungspflichtig, im Nichteinigungsfalle entscheidet die Einigungsstelle verbindlich. Kritiker der Forderung im Kitastreik sehen hier eine Kollision der tariflichen Forderung mit dem Personalvertretungsgesetz. Vergleichbare Vorschriften existieren in den meisten Personalvertretungsgesetzen der anderen Bundesländer, so dass der Streit sich auch dort auswirkt. Allerdings hält das Arbeitsgericht Hamburg den Streik bereits deswegen für rechtwidrig, weil eine Streikforderung rechtwidrig sein könnte. Diese Frage hat das Bundesarbeitsgericht aber ausdrücklich offen gelassen:

“Die Frage, ob bei einem Streik, der um den Abschluß eines zahlreiche Regelungen umfassenden Tarifvertrags geführt wird, bereits die Rechtswidrigkeit einer nur untergeordneten Forderung zur Rechtswidrigkeit des gesamten Streiks führt, bedarf keiner Klärung (offengelassen bereits in BAG 4. Mai 1955 – 1 AZR 493/54 – BAGE 2, 75). Jedenfalls dann, wenn es sich bei der die Friedenspflicht verletzenden oder rechtswidrigen Forderung um eine Hauptforderung handelt, führt dies zur Rechtswidrigkeit des gesamten Streiks (BAG 4. Mai 1955 – 1 AZR 493/54 – aaO). “

BAG vom 10.12.2002 – Aktenzeichen 1 AZR 96/02

Die rechtliche Seite des Kitatstreiks wird sicher noch für weitere, uneinheitliche arbeitsgerichtliche Entscheidungen sorgen. Arbeitsgerichte sollten sich im Zweifel zurückhalten, gerade im einstweiligen Verfügungsverfahren, das zu Schnellschüssen verleiten kann und gravierende “vorläufige” Folgen haben kann. Die Arbeitgeber sind auch nicht schutzlos, wenn der Streik rechtswidrig war: Sie können nämlich Schadensersatz fordern, so wie es Mehdorn im Bahnstreik auch angedroht, letztlich aber nach der Einigung unterlassen hat. Es wird halt nichts so heiß gegessen wie es gekocht wird.

Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte

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