Wir hatten bereits berichtet, dass das OLG Bamberg ein Urteil zu den in vielen deutschen Haushalten eingesetzten polnischen oder weiter gefasst osteuropäischen Pflegekräften gefaßt hat und dem Vermittler, einem Rechtsanwalt, ein Bussgeld aufgebrummt hat.

Dabei hat das Oberlandesgericht richtungsweisende Ausführungen zur E-101 Entsendebescheinigung gemacht:

„a) Zutreffend geht die Verteidigung insoweit davon aus, dass eine erteilte Entsendebescheinigung E-101 grundsätzlich Bindungswirkung im Inland entfalten kann. Diese Bindungswirkung reicht aber nur soweit, dass die nationalen Behörden des Gastlandes und dessen Gerichte durch die bescheinigte Anwendbarkeit des Sozialversicherungsrechts des Herkunftslandes gehindert sind, selbst einen Anspruch auf Sozialversicherungsbeiträge geltend zu machen (BGHSt 51, 125/131 m.w.N. auf die EuGH-Rechtsprechung; Zimmermann ZIS 2007, 407/408). Zweck der dieser Entsendebescheinigung zu Grunde liegenden Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 ist letztlich, dass grenzüberschreitend beschäftigte Personen dem Sozialversicherungsrecht nur eines Mitgliedsstaates unterliegen.

b) Die E-101 Bescheinigung hat damit ausschließlich Auswirkungen im Bezug auf die Geltendmachung von Sozialversicherungsbeiträgen im Gastland, so dass dies im Rahmen eines Strafverfahrens über die Verletzung der Beitragspflicht des Arbeitsgebers zu berücksichtigen ist (BGHSt 51, 125/131), durch sie kann aber nicht eine Entscheidung über die nach § 284 Abs. 1 SGB III erforderliche Arbeitsgenehmigung ersetzt werden. Dies um so mehr als die der Entsendebescheinigung zu Grunde liegende Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 in Art. 14 Abs. 1 lit. a) i) ausdrücklich eine Entsendung nur dann vorsieht, wenn „wenn ein Arbeitnehmer, der im Gebiet eines Mitgliedsstaates beschäftigt wird, dem er gewöhnlich angehört, und von diesem Unternehmen zur Ausführung einer Arbeit für dessen Rechnung in das Gebiet eines anderen Mitgliedsstaates entsandt wird“, und damit von einer Weiterbeschäftigung innerhalb eines Unternehmens ausgeht. Voraussetzung für eine Entsendebescheinigung ist damit eine während der Entsendung fortbestehende arbeitsrechtliche Bindung zwischen dem entsendenden Unternehmen und dem Arbeitnehmer, die sich in der Zahlung des Entgeltes, der Erhaltung eines Abhängigkeitsverhältnisses, der Verantwortung für Anwerbung, Arbeitsvertrag, Entlassung und in der Entscheidungsgewalt über die Art der Arbeit ausdrückt (BGHSt 51, 125/129). Insoweit kann daher der Entsendebescheinigung – wie vom Tatgericht (UA Seite 50) näher ausgeführt – über die Entscheidung zur sozialversicherungsrechtlichen Beitragspflicht im Gastland hinaus keine weitergehende Bindungswirkung im Hinblick auf die hier allein maßgebliche rechtliche Einordnung der ungarischen Pflegekräfte als Arbeitnehmer oder als Selbständige im Gastland entnommen werden.“

Vermittler dieser an sich sinnvollen Unterstützung der Angehörigen pflegebedürftiger Menschen gehen also nach wie vor ein hohes Risiko ein. Ob man indes pauschal annehmen kann, dass in diesen Fällen „Scheinselbständigkeit“ vorliegt, ist fraglich. Die Pflegekräfte sind weitgehend auf sich gestellt und nehmen fachliche Weisungen weder von Angehörigen noch von dem häufig dementen Pflegebedürftigen entgegen. Die reine Anwesenheit in einem Privathaushalt alleine kann aber kaum die Eingliederung in einen „Betrieb“ rechtfertigen. Das Sozialgericht Dessau-Roßlau hat daher mit Urteil vom 21.11.2006 bei einer Pflegehilfe eine selbständige Tätigkeit angenommen.

Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte

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