entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 19.06.2007 – Aktenzeichen 2 AZR 304/06) zugunsten der Deutschen Bahn. Eine Zugansagerin aus Dresden hatte sich über drei Instanzen gegen eine Änderungskündigung der Bahn gewehrt.
Nach einer Kündigung muss normalerweise der Arbeitgeber die Tatsachen beweisen, die die Kündigung erforderlich machen (§ 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG). Anders kann es bei Betriebsänderungen im Sinne des § 111 BetrVG (zB Stilllegungen, Verlegungen, grundlegenden Änderungen der Organisation) sein, wenn Arbeitgeber und Betriebsrat einen Interessenausgleich vereinbaren und in einer sog. “Namensliste” die zu Kündigenden namentlich benennen. In diesem Fall andert sich nach § 1 Abs. 5 KSchG die beweisrechtliche Lage zu Gunsten des Arbeitgebers.
In § 1 Abs. 5 KSchG ist geregelt:
5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.
Es greift dann eine gesetzliche Vermutung ein, dass der Kündigung zu akzeptierende betriebliche Gründe zugrundeliegen; der Arbeitnehmer muss dann die Vermutung der Betriebsbedingtheit widerlegen. Die Sozialauswahl kann in diesen Fällen ausserdem nur noch auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.
Das gilt nach der heutigen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts nicht nur für Beendigungskündigungen im Sinne des § 1 KSchG, sondern auch für betriebsbedingte Änderungskündigungen nach § 2 KSchG. Auch bei einer betriebsbedingten Änderungskündigung wird, bei Vorliegen eines Interessenausgleichs mit Namensliste zu Gunsten des Arbeitgebers vermutet, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch betriebliche Erfordernisse veranlasst war. Die Sozialauswahl kann durch die Arbeitsgerichte ebenfalls nur noch auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.
Anmerkung: Durch die Vereinbarung einer Namensliste werden die Rechte von Beschäftigten, die Berechtigung der Kündigung gerichtlich überprüfen zu lassen, stark eingeschränkt. Das ist regelmässig durch die Sozialplanabfindungen nicht gerechtfertigt. Diese dienen nach der Rechtsprechung nämlich nicht als Gegenleistung für eine fehlerhafte Kündigung, sondern sollen die wirtschaftlichen Nachteile durch eine Kündigung ausgleichen oder mildern, sie setzen also eine rechtmässige Kündigung voraus. Betriebsräte sind daher gut beraten, eine Namensliste abzulehnen. Auch durch eine Einigungsstelle können sie nicht dazu gezwungen werden.
Quelle: Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vom 19.06.2007
Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte